Kommentar von Patrick Lemoine, o9 Solutions Künstliche Intelligenz in Unternehmen – Hype oder Realität?

Von Patrick Lemoine |

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In den vergangenen Wochen hat ChatGPT große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der Chatbot nutzt in Gesprächen mit Menschen seine Künstliche Intelligenz (KI) dazu, auf Nachfrage automatisch Content zu erstellen. Doch die aktuelle KI-Welle begann bereits vor fast einem Jahrzehnt. Ein Meilenstein, der die schnellen Fortschritte der KI verdeutlicht, ist AlphaGo von Google – ein Computerprogramm für das Brettspiel Go. Im Jahr 2017 besiegte AlphaGo die damalige Nummer eins der Weltrangliste. Das war eine unglaubliche Leistung, denn im Vergleich zu anderen Spielen wie Schach gilt Go für Computer als viel schwieriger zu gewinnen.

Der Autor: Patrick Lemoine ist VP Global Industry Solutions von o9 Solutions
Der Autor: Patrick Lemoine ist VP Global Industry Solutions von o9 Solutions
(Bild: o9 Solutions)

Milliarden von Dollar wurden in den vergangenen Jahren in hunderte KI-Start-ups investiert. Außerdem haben viele Unternehmen eigene KI-Projekte gestartet. Deshalb bietet es sich jetzt an, auf die Ergebnisse der letzten Jahre zu schauen und die Bedeutung von KI für Unternehmen zu bewerten.

Revolution durch ChatGPT

Der jüngste Meilenstein der KI-Entwicklung war die Einführung von ChatGPT am 30. November 2022. ChatGPT ist ein KI-Sprachmodell, das mit Menschen in Gesprächen kommuniziert. Das zugrunde liegende Large Language Model (LLM) fasst Texte zusammen, übersetzt sie und beantwortet Fragen mithilfe von Natural Language Processing (NLP). Millionen von Menschen haben sich seit November von der Leistungsfähigkeit der generativen KI überzeugt – so schnell wurde noch nie eine neue Technologie von Nutzern angenommen.

Zwei Monate später konterten sowohl Microsoft als auch Google und kündigten eigene Pläne für eine generative KI an. In OpenAI, dem Unternehmen hinter ChatGPT, investiert Microsoft seit geraumer Zeit und integriert die Funktionen der KI zukünftig in seine Produkte – von der Suchmaschine Bing bis hin zu seiner Office-Suite.

Fest steht bereits: ChatGPT und andere generative KI revolutionieren die Art und Weise, wie Menschen mit Technologie umgehen. So wie die Suchleiste bereits revolutioniert hat, wie Nutzer auf Informationen zugreifen, wird KI die Interaktion auf ein neues Level heben, indem sie Ideen vorschlägt, komplexe Themen erklärt, Codes schreibt, Reden vorbereitet und Texte übersetzt.

Große Auswirkung auf Unternehmen

Für Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen für Endkunden anbieten, ist das ein Gamechanger. Vor allem verändert KI nun unmittelbar den Kundendienst. Das heute oft etwas umständliche Sprachmenü, andere interaktive Sprachdialogsysteme, Chatbots und digitale Assistenten werden durch leistungsstarke KI mit mehr Intelligenz ersetzt, die dann die Konversation mit Menschen übernehmen.

Das gilt auf jeden Fall für die Welt der Verbraucher, in der seit Jahren niemand mehr ein Produkthandbuch gelesen hat. Aber das betrifft auch Unternehmenskunden, die zunehmend dieselbe Qualität bei der Nutzererfahrung erwarten, die sie selbst als Verbraucher erfahren. Vorbei sind die Zeiten, in denen Mitarbeiter die komplexen Menüs von Anwendungen lernen und Transaktionscodes im Kopf behalten müssen. Moderne Unternehmenssoftware setzt bereits auf NLP, um zu verstehen, was ein Nutzer fragt. Danach zeigt sie die richtigen Informationen direkt an.

ChatGPT und andere generative KI verändern zukünftig nicht nur die Benutzeroberfläche von Produkten, sondern auch die Art und Weise, wie Mitarbeiter nach firmeninternen Informationen suchen. Anstatt ins Intranet zu gehen oder geteilte Ordner zu durchsuchen, werden Mitarbeiter die neuen KI-Tools nutzen, um Informationen leicht abzurufen. Voraussichtlich wirkt sich das auch positiv auf das Onboarding neuer Mitarbeiter sowie auf die Schulung und Entwicklung der Belegschaft aus.

Die Macht der Daten

Aber KI schafft noch viel mehr. Ihr großes Versprechen besteht darin, Unternehmen dabei zu unterstützen, riesige Datenmengen zu verarbeiten und aus den Daten, bessere Rückschlüsse zu ziehen. Genau darin liegt das Potenzial von KI. Genau zum Zeitpunkt, wo die Menge der erzeugten Daten rasant zunahm, schuf die Cloud-Revolution die technologische Grundlage zur Bewältigung dieser riesigen Datenmengen. Ein Beispiel dafür sind die Daten zu den Milliarden von täglichen Einkäufen der Verbraucher im Einzelhandel und Internet. Viele Daten kommen aber auch durch Transaktionen in den Lösungen von SAP und anderer Unternehmenssoftware zusammen. Die Cloud bietet genug Speicherplatz, um alle Daten zu erfassen und zu strukturieren.

Hinzu kommt eine nahezu unbegrenzte Rechenleistung für die schnelle Verarbeitung der Daten mithilfe von KI und anderen Algorithmen – mit dem Ziel, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Zudem ist die Cloud allgegenwärtig: Unternehmen können Daten aus diversen Quellen an verschiedenen Orten zusammenführen und auf die Ergebnisse ihrer Analysen überall und auf jedem Gerät zugreifen.

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Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren eigene Projekte gestartet, um mehr Erkenntnisse aus ihren Daten zu gewinnen. Dadurch beabsichtigen sie, bessere Entscheidungen zu treffen – wie zum Beispiel darüber, welche Werbeaktionen gut passen, wie in Zukunft das Produktangebot aussehen soll, was für ein Bestand ins Lager gehört und wo Ersatzteile hinkommen.

KI ist nachweislich sehr gut darin, bessere Vorhersagen zu erstellen. Es gibt eine Reihe von Anwendungsfällen, die zeigen, dass KI in Kombination mit mehr und oft auch detaillierten Daten genauer in die Zukunft blickt. Dazu gehören unter anderem:

  • Bedarfsprognosen, wo die Nutzung externer Bedarfseinflussfaktoren wie Verbraucherstimmung, Wirtschaftsindikatoren, aktuelle Trends, lokale Ereignisse und sehr detaillierte Kassendaten aus dem Handel die Genauigkeit der Vorhersagen deutlich erhöht. Neben der Welt der Verbraucher funktioniert diese neue Art der Bedarfsprognose auch in der Industrie.
  • Vorhersagen von Produktausfällen, für die viele Industrieunternehmen ihre teuren Produkte mit Sensoren ausstatten. Die entstehenden Daten dienen dazu, die Ausfallwahrscheinlichkeit zu berechnen. Bekannte Beispiele für diese vorausschauende Wartung sind die Vorhersage von Triebwerksausfällen und die damit verbundene proaktive Reparaturen zur Vermeidung eines Flugzeugausfalls.
  • Prognosen zum Verhalten der Kunden – beispielsweise, wenn es darum geht, was sie eventuell kaufen, und das dann in der eigenen App zu bewerben. Hinzu kommt die Früherkennung der Kundenabwanderung und von Abbestellungen.

All diese Anwendungsfälle haben eine Gemeinsamkeit: Bisher nicht genutzte Daten werden mit der Vorhersagekraft von KI-Algorithmen kombiniert – insbesondere mit der von Algorithmen des maschinellen Lernens (ML).

Ein zweiter Bereich, in dem sich KI in Unternehmen zurzeit bewährt, ist die Erkennung oder sogar Neuentdeckung von Mustern in sehr großen Datensätzen, insbesondere in Fotos oder Videos. Eine Reihe von Unternehmen nutzt diese Fähigkeit der KI, um zum Beispiel Produktfehler in der Fertigung zu erkennen, betrügerische Finanztransaktionen aufzudecken oder neue vielversprechende Moleküle in der pharmazeutischen oder chemischen Industrie zu finden.

Jeden Tag werden neue Anwendungsfälle erforscht – sowohl von Start-ups als auch von etablierten Unternehmen. Start-ups hoffen, neue Lösungen mit KI-Funktionen und Big Data auf den Markt zu bringen. Dagegen hoffen Unternehmen vor allem auf einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Weitere Dynamik bringt außerdem die Einführung neuer digitaler Geschäftsmodelle, wie unter anderem der Direktvertrieb an Endkunden, den immer mehr Unternehmen nutzen.

Noch ein Beispiel dafür ist das Modell Click-to-Collect, dass einige Einzelhändler bereits umsetzen. Zunehmend ist die Frage nicht mehr, ob Unternehmen auf neue digitale Geschäftsmodelle setzen, sondern wann es passiert. Für die neue Modelle brauchen Unternehmen aber Daten und Software, um diese zu verarbeiten und besser zu auszuwerten.

Tipps für die Einführung von KI in Unternehmen

Verstärkt Daten und KI zu nutzen, ist nicht nur großen Unternehmen oder den neuen Firmen aus der digitalen Welt vorbehalten, die Markteilnehmer in vielen Branchen herausfordern. Die folgenden Tipps für die Einführung von KI gehen auf die Erfahrungen von Unternehmen zurück, die bereits erfolgreich mit der Technologie arbeiten:

1. Jetzt erste Maßnahmen ergreifen

Viele Unternehmen haben Strategien für ein Data Warehouse oder Enterprise Data Lake entwickelt – mit der Absicht, einen zentralen Datenspeicher zu schaffen. Bei den ersten Anwendungsfällen geht es in der Regel um Data Blending. Dabei werden Daten aus unterschiedlichen Quellen zum ersten Mal zusammengeführt und Anwendungen für Business Intelligence (BI) bereitgestellt. Das markiert einen ersten perfekten Schritt auf dem Weg zu einer Datenkultur im Unternehmen. Als Nächstes folgen die Implementierung einer angemessenen Data Governance und der Aufbau einer neuen Datenarchitektur – bis das eigene Unternehmen allen Anforderungen entspricht, auf die ein Chief Data Officer stets Wert legt.

2. Auf schnelle Erfolge konzentrieren

Unternehmen fangen am besten klein an und experimentieren – je nachdem, was für das Geschäft den größten Nutzen verspricht. Gute Beispiele für solche aussichtsreichen Anwendungsfälle rund um Daten und KI sind ML-Bedarfsprognosen, Bestandsoptimierung und Prognosen der Lieferzeiten und Zuverlässigkeit von Lieferanten.

3. Alle Stakeholder einbeziehen

Das sind keine reine IT-Projekte. Vielmehr müssen Unternehmen bei der Umsetzung der Projekte alle Stakeholder einbeziehen. Dazu gehören neben der IT, die Business-Seite und auch Mitarbeiter in neuen Rollen, wie beispielsweise Dateningenieure und -wissenschaftler. Dieser multidisziplinäre Ansatz fördert die notwendige Kreativität für solche Projekte. Zudem dürfen sich Unternehmen bei diesen Projekten nicht auf eine schnelle Rendite bestehen, auch wenn sie einen geschäftlichen Nutzen erwarten. Einige Projekte werden scheitern und das gilt es zu berücksichtigen.

4. Skalierung anstreben

Sobald die ersten Projekte laufen, kommt es für Unternehmen darauf an, ihre Skalierung zu bedenken und zu planen. Ohne Skalierung werden die kleinen Experimente nicht im gesamten Unternehmen zum Einsatz kommen können. Das erfordert auch die Auswahl der richtigen Technologien, die es dem Unternehmen ermöglichen wird, innovativ zu handeln und den Einsatz von KI fortzusetzen.

KI ist eine vielversprechende Technologie, die Unternehmen dabei unterstützt, die heute verfügbaren Datenmengen wirklich zu nutzen. Pioniere haben in diesem Bereich den Weg gezeigt. Alle anderen Unternehmen stehen jetzt in der Verantwortung, dem zu folgen.

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