Rockwell Automation Neue Apps für das Zeitalter von Industrie 4.0
Rockwell gehört im Bereich Industrieautomation zu den größten Anbietern weltweit und ist vollständig auf dieses Thema fokussiert. Wo sieht Rockwell seine besonderen Stärken gegenüber Playern wie Siemens oder GE?
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„Wir bauen im Gegensatz zu unserem Wettbewerb grundsätzlich Produkte eher von der Stange als individuell“, sagt Ashkan Ashouriha, Solution Architect Integrated Architecture & Connected Enterprise bei Rockwell Automation. Lösungen müssten nicht aufwendig zusammengestellt und kundenspezifisch angepasst werden, was das Ganze erheblich preisgünstiger mache. Zudem verwendet Rockwell für Vernetzungszwecke grundsätzlich Ethernet, keine anderen Industriebusse.
Freilich hat Rockwell auch triftige Gründe für diese Produktpolitik: Der Hersteller fertigt keine speziellen Industriegeräte wie etwa Röntgenapparate, Kraftwerke oder große Verkehrssteuerungsanlagen. Der Trumpf seiner Konkurrenten GE und Siemens liegt gerade darin: Sie müssen nur ihre eigenen Systeme mit maßgeschneiderter Messtechnik und Logik ausrüsten, um neue Gewinnpotenziale freizulegen. Rockwell dagegen muss Kunden gewinnen, die ihre Industrieanlagen mithilfe seiner Technik steuern – egal, wer sie hergestellt hat.
Rockwell hat weltweit rund 22.000 Mitarbeiter, in Deutschland sind 550 tätig. Zum Vergleich: Der ehemalige Siemens-Bereich Automation and Drives (A&D) (inzwischen hat Siemens seine interne Bereichsaufstellung geändert) hatte 77.000 Mitarbeiter. Rockwells weltweiter Umsatz lag 2016 bei rund 5,9 Milliarden US-Dollar, wovon rund 20 Prozent aus dem Raum EMEA kamen. Etwas weniger als die Hälfte steuern Softwareprodukte bei. Weltweit wuchs das Unternehmen im dritten Quartal des laufenden Jahres um 8,2 Prozent, in Europa nur um 0,1 Prozent. Zu den Kunden gehören Automotive-Player wie Ford oder der Reifenhersteller Goodyear, Procter & Gamble und viele andere Industriegrößen.
Rockwell und IoT
Rockwell konzentriert sich darauf, Lösungen zur Automatisierung von Industrieanlagen zu fertigen und zu vertreiben. In Deutschland gibt es Niederlassungen in München, Leipzig, Düsseldorf und Karlsruhe. Dort befindet sich ein Enterprise Center in Gestalt einer virtuellen Keksfabrik. Dort wird demonstriert, wie die rundum vernetzte Fertigung der Zukunft aussehen könnte.
Natürlich spielt das Thema IoT inzwischen im Produkt- und Servicespektrum eine gewichtige Rolle. Letzteres beginnt bei Sensoren, Aktoren und Steuerungseinheiten und reicht im Softwarebereich bis zu einem MES (Manufacturing Execution System) Production Center. Es bietet einerseits Basismodule wie eine Datenbank, Reporting und andere Funktionen, die ständig erweitert werden. Andererseits sind industriespezifische Suiten für die Branchen Automotive, Pharma und Life Science erhältlich, die die jeweiligen Eigenheiten des Industriebereichs beziehungsweise seiner Daten genau abbilden. Die MES-Plattform wird nun um zwei Lösungen erweitert, dazu siehe weiter unten. Gesamtziel von Rockwell ist laut Ashouriha, „alle Initiativen durch Smarte Produkte zu unterstützen, sodass ein Connected Enterprise entsteht“. Die eigenen Fabrikationsanlagen hat man vor wenigen Jahren bereits auf diese Weise umgerüstet.
Sensorik von Drittherstellern wird unter anderem über das EMCompass-Programm in Rockwell-Systeme integriert. Geräte von Partnern erhalten in Rockwell-Softwareumgebungen automatisch ein Profil wie Rockwell-eigene Systeme. Ihre Variablen lassen sich dann über Rockwell-Software konfigurieren. Mit Cisco arbeitet Rockwell eng zusammen: Der Netzwerkspezialist steuert zu den gemeinsam auf den Markt gebrachten Industrieswitches seine Sicherheitstechnik bei, das industrielle Know-how kommt von Rockwell.
Integration von TSN
Gemeinsam mit Playern wie Hirschmann, Siemens, Rockwell und wiederum Cisco sitzt man in einem Gremium, das sich um eine Integration von TSN (Time Sensitive Networking) in OPC-UA bemüht. TSN ist eine Ethernet-Erweiterung (802.1) für Netzwerke in industriellen Anlagen, die verhindern soll, dass Daten in den hoch zeitsensitiven industriellen Fertigungsanlagen zu lange unterwegs sind oder gar nicht ankommen. Die soll nun direkt in OPC-UA integriert werden, eine Schicht oberhalb des Ethernet-Protokollstapels. OPC-UA steht für „Online Linking and Embedding for Process Control – Unified Architecture“. Damit können sich Maschinen trotz unterschiedlicher Fabrikate untereinander verständigen und Daten austauschen oder einheitlich gesteuert werden. Allerdings besitzt OPC-UA keine eigene Bestätigungsfunktion, wenn Pakete heil am Ziel angekommen sind, weshalb man bisher dafür die Ethernet-Schicht nutzt.
Rockwell wird OPC-UA innerhalb der nächsten zwölf Monate nativ, also ohne Bedarf nach einem separaten Server, anbieten. Ob es dann auch schon die TSN-Funktion enthält, hängt davon ab, wie schnell die Standardisierungsgremien arbeiten.
Neue, intelligente Softwareprodukte
Weiter kommen zwei erneuerte beziehungsweise erweiterte Softwaretools zur Factory-Plattform hinzu: FactoryTalk Analytics for Devices, ein „Siri for Devices“ (Ashouriha) soll helfen, Ausfallzeiten zu verkürzen und durch proaktive Analysen des Gerätestatus die Produktivität erhöhen. Das Tool muss an eine Stromversorgung und an das Netz des lokalen Steuersystems haben. Dann erkennt es automatisch, alle Geräte an Ethernet/IP und führt eine Grundanalyse an ihnen durch. Ausführliche Analysen gibt es über 2.000 Allen-Bradley-Geräte, allerdings nur, wenn das Gerät unter einem Jahr alt ist oder der Anwender ein entsprechendes Service-Abo mit Rockwell abgeschlossen hat. Die Leistung der erfassten Geräte wird grafisch dargestellt und der Nutzer erhält Handlungsempfehlungen oder Aktionsmeldungen nach eigenen Prioritäten. Die muss er aber nicht eingeben, sondern ein intelligenter Bot lernt allmählich, welche Arten von Meldungen für den jeweiligen Anwender besonders wichtig sind.
FactoryTalk TeamOne ist eine schon länger bekannte Rockwell-App, zu der nun eine verbesserte Standard Edition vorgelegt wird. Sie ist im 12-Monats-Abo oder als Free-Version erhältlich und braucht keinen Server, keine Cloud-Gateways und keine gesonderte Einrichtung durch IT-Spezialisten. Aktuell neu hinzugekommen sind weitere Alarmmodule mit ausführlichen Informationen zu jedem Alarm. Ab Frühjahr 2017 soll man Team One verschlüsselte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen aufbauen können. Dann lassen sich mit dem Tool auf dem Smartphone aufgezeichnete Kurven dort speichern und an andere Nutzer weiterversenden.
Projekt Scio
Einen Schritt in die Zukunft weist das Projekt Scio. Scio ist eine Plattform, die unterschiedliche Datenströme im Unternehmen zusammenführt und in einfachen Übersichten, sogenannten Storyboards, darstellt. Sie können von Anwendern eingesehen und weitergegeben werden. Auf den für die Storyboards verwendet Daten lassen sich ad-hoc- und erweiterte Analysen durchführen. Scio erkennt automatisch Geräte und Tags von Rockwell Automation sowie Daten von Geräten eingebundener Drittanbieter. Auch der Zugriff auf ausführlichere Informationen wie Gerätename oder Standort in Produktionsanalyse und Anlage werden geliefert. Fürs maschinelle Lernen sind Algorithmen wie SparkML, MLLib und Python enthalten, die Anwender selbst konfigurieren können. Die Software kann, entsprechend konfiguriert, selbständig ganze Regelkreise überwachen und bei Abweichungen automatisiert Gegenmaßnahmen einleiten.
Schließlich plant Rockwell einen Anwendungsmarktplatz und bietet seinen Kunden Connected Services, an, beispielsweise für Sicherheit, Planung oder Fernüberwachung.
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