Definition Was ist Time Sensitive Networking (TSN)?
Das Time Sensitive Networking erweitert das Ethernet um Funktionen und Mechanismen zur Echtzeitübertragung von Daten. Ziele sind geringe Latenzzeiten, hohe Verfügbarkeiten und zuverlässige Kommunikationsverbindungen. TSN kommt beispielsweise für Echtzeit-Audio- oder -Videostreams und die Prozesskommunikation in der Industrie 4.0 zum Einsatz
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Die Abkürzung TSN steht für Time Sensitive Networking. Es handelt sich um eine Reihe von Standards, die das Ethernet um Funktionen für die Echtzeitübertragung von Daten erweitert. TSN ist ursprünglich aus dem Audio Video Bridging (AVB) hervorgegangen. Wichtige Ziele der Technik sind die Verringerung von Latenzzeiten, präzise Zeitbezüge und höhere Verfügbarkeiten. Um diese Ziele zu erreichen, setzt Time Sensitive Networking Techniken wie intelligente Warteschlangenverfahren, Prioritätensteuerungen oder Time Aware Shaper (TAS) ein. An der Entwicklung der Standards arbeitet die Time Sensitive Networking Task Group, die 2012 aus der Audio/Video Bridging Task Group hervorging. Die Anwendungsbereiche des Time Sensitive Networkings sind beispielsweise die Echtzeitübertragung von Audio- oder Videostreams oder Kommunikationsabläufe der Industrie 4.0. TSN erreicht Verzögerungszeiten von wenigen Mikrosekunden pro Netzwerkhop bei Datenraten im Gigabitbereich.
Ziele von TSN und die wichtigsten Substandards
Ziel von TSN ist es, das herkömmliche Ethernet nach IEEE 802.1 und IEEE 802.3 um Fähigkeiten zu erweitern, die für die Echtzeitübertragung von Daten benötigt werden. Zu erreichende Ziele sind unter anderem:
- minimale Verzögerungszeiten an den Netzwerkhops
- abschätzbare und garantierte Ende-zu-Ende-Latenzzeiten
- minimale Paketverlustraten
- hohe Verfügbarkeiten der Verbindungen
- präzise Zeitbezüge
Wichtige Standards für das TSN sind:
- 802.1AS – verbesserte Zeitsynchronisation
- 802.1Qbv – zeitgesteuerte Kommunikation mit Time Aware Shaper (TAS)
- 802.1Qca – Aufbau redundanter Kommunikationsverbindungen
- 802.1Qcc – Reservierung von Netzwerkressourcen
- 802.1Qbu – Priorisierung von Nachrichten im Ethernet
- 802.1CB – Redundanzen durch das Replizieren von Frames
Die wichtigsten Funktionen eines Time Sensitive Networks
Die Funktionserweiterungen des Ethernet durch das Time Sensitive Networking lassen sich in drei grundsätzliche Bereiche einteilen. Diese sind:
- Scheduling und Ablaufkontrollen im Ethernet
- Verkehrssteuerung und Bandbreitenkontrolle im Ethernet
- Zeitsynchronisation der Geräte im Ethernet
Das Scheduling sorgt für eine Ablaufkontrolle der Datenübertragung im Ethernet. Die verschiedenen Geräte im Netzwerk führen das Scheduling nicht mehr individuell durch, sondern richten sich nach einem übergeordneten Ablaufplan. Dadurch ist sichergestellt, dass sich die verschiedenen Kommunikationsverbindungen im Netz und die Prioritäten der Daten nicht mehr gegenseitig negativ beeinflussen. Hierfür setzt der Time Aware Shaper Zeitschlitzverfahren ein und weist den verschiedenen Kommunikationsströmen unterschiedliche Zeitschlitze zu. Dadurch ist es möglich, Daten mit unterschiedlichen Verkehrsklassen und verschiedenen Echtzeit-Anforderungen gleichzeitig im Netz zu transportieren.
Verkehrssteuerung und Bandbreitenkontrolle im Ethernet gestattet es, Überlastungen durch die Anforderung von zu viel Bandbreite auf einem Ethernet-Link schon im Vorfeld zu erkennen und zu vermeiden. TSN-Geräte stimmen sich bezüglich der geforderten Bandbreiten untereinander und mit zentralen Netzkomponenten ab.
Die Zeitsynchronisation im Ethernet sorgt für eine gemeinsame Zeitbasis der Geräte im Netz wie beispielsweise Ethernet-Switche und Endgeräte. Sämtliche Teilnehmer des Netzwerks verwenden die gleiche, synchronisierte Uhrzeit. Dadurch werden getaktete Ende-zu-Ende-Verbindungen der Kommunikationsströme möglich. Die Teilnehmer folgen dem gleichen Kommunikationszyklus und sind in ihren Aktionen zeitlich untereinander abgestimmt. Das Time Sensitive Networking verteilt die Zeitinformationen im Netzwerk beispielsweise über Datenpakete mit dem Precision Time Protocol nach IEEE 1588.
Alternative, redundante Pfade
Weitere wichtige Basisfunktionen des TSN sind im Bereich der Redundanzverbesserung zu finden. Im Netzwerk lassen sich alternative, redundante Pfade aufbauen, die nahtlos einzelne Datenströme übernehmen. Klassisches Ethernet bietet solche Mechanismen nicht. Protokolle wie das Rapid Spanning Tree Protocol (RSTP) benötigen nach einem Linkausfall Zeiten bis zu einigen Sekunden, um alternative Pfade zu finden und bereitzustellen. TSN kann Datenpakete duplizieren und sie wieder zusammenführen. An einer definierten Stelle des Netzwerks werden die Datenpakete dupliziert und über redundante Wege verschickt. Dort, wo die redundanten Pfade wieder zusammenlaufen, werden alle Pakete zusammengeführt und eventuelle Duplikate gelöscht. Ist auf dem Weg dazwischen ein Paket verloren gegangen, hält das duplizierte Datenpaket die Kommunikationsverbindung nahtlos am Laufen.
TSN und die Industrie 4.0
Für die Prozesse und Steuerungssysteme der Industrie 4.0 stellen zuverlässige und echtzeitfähige Kommunikationsverbindungen eine Grundvoraussetzung dar. Nur so können die automatischen Abläufe sicher und effizient funktionieren. Das Time Sensitive Networking versucht eine offene, herstellerunabhängige Basis für eine echtzeitfähige Kommunikationsplattform zu schaffen. Sie soll sowohl die Bedürfnisse der IT-Systeme im Netz zufriedenstellen als auch die Anforderungen der Steuerungssysteme in puncto Echtzeitkommunikation erfüllen. Herkömmliches Ethernet kann diese Forderungen nicht einhalten und hat inhomogene Netzwerke zur Folge, in denen die Netze für die IT-Systeme über Gateways mit den spezialisierten Steuerungsnetzwerken der Industrieprozesse verbunden sind.
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