KI-Start-ups EU-Unternehmen sind unter den Top 100 von CB Insights
Der KI-Markt boomt, Corona-Krise hin oder her. Doch wer sind die jungen Firmen, denen die größten Chancen zugebilligt werden? Eine Liste des Marktforschungsunternehmens CB Insights gibt Auskunft.
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Datengetriebene Dienstleistungen sollen schon bald Teile der bisherigen Produktivarbeitsplätze ergänzen oder auch ersetzen. Viele althergebrachte Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle ändern oder werden durch Newcomer verdrängt. Da ist es interessant zu erfahren, welche aussichtsreichen jungen KI-Firmen es gibt. Das Marktforschungsunternehmen CB Insights hat kürzlich eine Liste der Top-100-KI-Start-ups veröffentlicht. Wenig überraschend, es dominieren US-Start-ups.
Immerhin zwei deutsche Unternehmen tauchen auf der Liste auf. Eines davon ist die Münchner Konux. Die Firma hat sich auf eine in Zukunft besonders wichtige kritische Infrastruktur spezialisiert: die Weichen von Bahnsystemen.
Sie sind, so Konux, die Ursache für 20 Prozent der insgesamt anfallenden Wartungskosten. Manuelle Weichenkontrollen sind personalintensiv und teuer. Zudem kommen sie manchmal zu spät, etwa, wenn Weichen über Nacht einfrieren oder wenn Schaltfehler passieren. Hier hilft Automatisierung, wie sie Konux anbietet, weiter.
Die über IIoT mit Daten versorgte Software analysiert dabei nicht nur die Weiche selbst, sondern auch das Schotterbett, auf dem sie ruht, und andere wichtige Komponenten in der Umgebung. Entdeckt die Predictive-Maintenance-Lösung dabei Unregelmäßigkeiten, analysiert sie Problem und Zeithorizont und gibt Empfehlungen, wie das Problem zu beheben ist. Statt also jede Weiche zu inspizieren, egal, ob sie nun funktioniert oder nicht, können Wartungsteams sich jetzt gezielt dort kümmern, wo es nötig ist.
Neben der Deutschen Bahn hat Konux inzwischen Kunden in Frankreich, Belgien und Spanien gewonnen. Rund 50 Millionen US-Dollar an Venture Capital sind bislang in das Start-up geflossen. Beteiligt sind unter anderem UnternehmerTUM, der Inkubator der TU München, Andy Bechtolsheim, der einst Sun Microsystems gründete, New Enterprise Associates (NEA) und die chinesische Alibaba Group.
NavVis – virtuelle 3D-Gebäudepläne
Ebenfalls aus München kommt NavVis. Die Firma hat sich auf digitale Zwillinge von Innenräumen und den darin ablaufenden Vorgängen spezialisiert. Denn, so wirbt das Start-up, diese seien für 90 Prozent des Bruttosozialprodukts verantwortlich. Nur fünf Prozent der Gebäude seien aber durch digitale Karrten erfasst oder besäßen interne Positionierungssysteme. Das soll sich dank NavVis ändern.
Um das Innere von Gebäuden digital zu erfassen, hat NavVis ein spezielles Gefährt, den M6 entwickelt. Der NavVis Indoor Viewer, inzwischen für Scanning-Profis auch als SaaS verfügbar, erzeugt aus den Messergebnissen und den sich daraus ergebenden Point Clouds im Browser exakte dreidimensionale Abbildungen der Innenräume, in die virtuelle Besucher immersiv eintauchen können, um einen Eindruck über die räumlichen Verhältnisse zu gewinnen. Das funktioniert auch auf Smartphones und Tablets. Das dritte Produkt ist ein Software Development Kit für die Indoor-Positionierung innerhalb so erfasster Räume. Damit können Anwender ihre eigenen Lösungen stricken.
Zudem hat NavVis ein Netzwerk aus bereits über hundert Partnern mit einem dazu gehörigen digitalen Marktplatz entwickelt. Das Netzwerk soll Gebäudebesitzer, Scanning-Dienstleister und Software- oder Integrationsspezialisten zusammenbringen. Wichtige Einsatzfelder sind die Fabrikautomatisierung, die Immobilienwirtschaft, die Bauwirtschaft und die Gebäudesicherung.
Mittlerweile beschäftigt die 2013 gegründete Firma bereits 200 Mitarbeiter und hat Niederlassungen in Shanghai und New York. Die letzte Finanzierungsrunde lief 2018. Sie erbrachte 35,5 Millionen US-Dollar, die vor allem für die globale Expansion ausgegeben werden. Insgesamt hat NavVis rund 44 Millionen US-Dollar eingeworben. Zu den Financiers gehören die Bayerische Beteiligungsgesellschaft (BayBG), der MIG Fonds und Target Partners.
Frankreich: Mode-Trendanalyse mit Heuritech
Die aus Frankreich stammende Heuritech hat sich zum Ziel gesetzt, durch punktgenaue Social-Media-Analyse Trends sehr frühzeitig zu erkennen. Außerdem will sie ihre Kunden aus der Modebranche durch aktuelle Datenanalyse bei der Platzierung und beim Pricing unterstützen, um so den optimalen Abverkauf der Waren zu befördern.
Denn Überkapazitäten, die entweder sinnlos wieder eingestampft werden oder durch Billigst-Abverkauf die Textilmärkte ruinieren, sind ein gewaltiges Problem der Branche. Sie steht wegen notorisch schlechter Arbeitsbedingungen und sich immer mehr beschleunigender Produktzyklen in der Kritik.
Heuritechs Modelle erreichen derzeit nach eigenen Angaben eine Genauigkeit von 95 Prozent und können auf sechs Jahre historischer Daten zugreifen. Die Technologie fußt auf neuronalen Netzen und Deep Learning.
Da wundert es wenig, dass zu den Partnerunternehmen der 2013 gegründeten Firma namhafte Modelabel wie Louis Vitton, Dior, Paco Rabanne, Adidas und Wrangler gehören. Um wichtige Trends zu ermitteln, analysiert Heuritech insbesondere soziale Medien. So werden pro Tag mehr als drei Millionen Bilder auf Social-Media-Kanälen analysiert und daraus mehr als 4.000 Trends gefiltert.
Heuritech konnte bislang sechs Millionen US-Dollar einwerben. Zu den Unterstützern gehören unter anderem Sap.io Foundry, HPE und Serena Capital.
Spanien: Sherpa.ai bringt die Info zum Kunden
Die spanische Sherpa.ai hat sich auf persönliche digitale Assistenten spezialisiert. Sie liefern individualisierte Empfehlungen und Prognosen. Die technologische Basis ist breit: Dazu gehören prädikative, lernfähige Algorithmen, die auf eine Vielzahl von Informationsquellen zugreifen, und die Verarbeitung natürlicher Sprache. Weitere Algorithmen analysieren Meinungen und Einstellungen oder verarbeiten Lokationsdaten durch unüberwachtes Lernen samt Klassifikation.
Die Technologien wurden in zwei grundlegende Produkte implementiert, nämlich das Sherpa Conversational OS für natürliches Sprachverständis und die Sharpa.ai Predictive and Recommending Engine. Beide lassen sich in vielfältige Anwendungssysteme integrieren.
Sherpa.ai hat mehrere anwendungsspezifischen SDKs im Programm, die Playern aus den entsprechenden Märkten zusammen mit einer offenen Schnittstelle angeboten werden. Solche SDK/API-Kombis gibt es für die Hersteller von Autos, Kopfhörern, Smart-Home-Devices und intelligenten Lautsprechern. Porsche, Samsung und Lenovo nutzen die Technologie bereits.
Das Unternehmen hat Sitze ist Redwood, Kalifornien, und dem spanischen Bilboa. Zum Gründungsdatum macht Sherpa.ai auf seiner Website keine Angaben. Immerhin erfährt man aber, dass in den vergangenen zwölf Monaten Tom Gruber, als CTO für die Entwicklung von Siri zuständig, und Joanna Hoffman, ehemals Marketingdirektor bei Apple, zu dem Start-up gestoßen sind. 17 Millionen US-Dollar wurden bisher eingeworben, sie stammen aus der europäischen Technologieinitiative Horizon 2020 sowie von Alma Mundi Ventures und Alex Cruz.
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