Kommentar von Alexei Zhukov, EPAM Systems Disruption durch KI – welche Branchen und Fachbereiche sind betroffen?
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Generative Künstliche Intelligenz (KI) wird vom Experimentierfeld zum Business-Transformator. Den Unternehmen eröffnet sich ein bislang ungeahntes Potenzial zur Automatisierung. Die Struktur der Aufgaben in den einzelnen Branchen und Fachbereichen gibt das Tempo des Wandels vor.

Kein Dienst hat bei den Nutzerzahlen je so schnell die Millionengrenze erreicht wie ChatGPT. Die Einführung und rasche Übernahme generativer KI erweist sich als ebenso umwälzend wie die Einführung von Geldautomaten, Internet, Smartphones oder Elektrofahrzeugen. Sind die Unternehmen in Deutschland darauf vorbereitet?
Inzwischen haben einige Studien untersucht, welche Auswirkungen die KI auf die verschiedenen Bereiche der Wirtschaft haben wird. Bei 80 Prozent der Arbeitskräfte dürften mindestens zehn Prozent der Aufgaben betroffen sein, bei 19 Prozent der Arbeitskräfte sogar über 50 Prozent der Aufgaben. 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätze könnten potenziell weltweit automatisiert werden. Zugleich könnte generative KI das jährliche globale BIP um sieben Prozent steigern. Die Produktivitätssteigerung für eine Reihe von Aufgaben und Prozessen kann mehr als 50 Prozent betragen. Die kombinierten Auswirkungen von Produktivitätssteigerungen und Umsatzwachstum können den Unternehmenswert erfolgreicher Frühanwender um bis zu 20 Prozent steigern.
Um zu verstehen, welches Disruptionspotenzial die generative KI für die verschiedenen Branchen hat und welche Fachbereiche dort stark betroffen sind, betrachten wir noch einmal die Entwicklung der Anbieter.
KI wird zum Business – und transformiert das Business
Als OpenAI im Jahr 2015 gegründet wurde, wurde es als offenes Forschungslabor gegründet. Das Unternehmen wechselte dann vom Non-Profit- zum For-Profit-Status und richtete sich als proprietäres Unternehmen aus. Als erster Innovator von Basismodellen auf dem Markt brachte OpenAI im November 2022 ChatGPT heraus. Seitdem haben die großen Tech-Unternehmen stark investiert, um ihre Position auf dem Markt zu stärken. Sie schaffen ihre eigenen wettbewerbsfähigen Angebote und haben Tools entwickelt, mit denen sie ihre Tech-Ökosysteme erhalten und ausbauen wollen.
So haben inzwischen andere grundlegende LLMs (Google Vertex und Meta OPT-175B), vertikale LLMs (BloombergGPT und GitHubs Copilot) und funktionale LLMs (WolframAlpha und Microsoft 365 Copilot) den Markt betreten. In dem Maße, in dem Risikokapitalfirmen in diese Technologien investieren, können wir neue differenzierte Produkte und Systeme erwarten, die in die Betriebsmodelle vieler Unternehmen integriert werden. In Verbindung mit ergänzenden Technologien kann generative KI für jedes Unternehmen von großem Nutzen sein. Nun geht es darum, zu verstehen, wie sich diese Technologien nutzen lassen, um sie dann für das Unternehmen zu operationalisieren.
Der Wandel wird alle Wirtschaftszweige betreffen
Im aktuellen E-Book „A Call to Action for Generative AI“ haben wir bei EPAM genau das untersucht. Jenseits der ersten Anwendungen, über die schon viel berichtet wurde, wird generative KI das gesamte Unternehmen beeinflussen. Mit zunehmender Akzeptanz verschieben sich Geschäftsmodelle und Wettbewerbsvorteile deutlich, da Unternehmen horizontale, vertikale und funktionale LLMs nutzen, um ihre eigenen Tools zusätzlich zu den bestehenden Fähigkeiten auf dem Markt zu entwickeln. Die generative KI-Technologie gestaltet nicht nur die Zukunft – sie schafft sie auch. Von der Biopharmazie bis zum Gebäudedesign – die Auswirkungen der generativen KI sind unübersehbar. Sie steigert die Effizienz, fördert Innovationen und definiert die Grenzen des Machbaren neu.
Das findet zum Beispiel in der Produktentwicklung statt. Airbus hat mit der generativen Design-Software von Autodesk um 45 Prozent leichtere Flugzeugtrennwände entwickelt. Im Design von Gebäuden und Anlagen entsteht mit der Transcends Design Generator Software 90 Prozent weniger Zeitaufwand bei der Anlagenplanung. In der Medizintechnik reduziert sich die MRT-Nachbearbeitungszeit durch Subtle Medical dank KI-gestützter Mechanismen von Siemens Healthineers und Unilabs um 75 Prozent. In der Software-Entwicklung steigert die Nutzung von Tools der generativen KI die Effizienz ausgewählter Aufgaben um 55 Prozent. Und bei einer Versicherung haben wir den Abgleich von Versicherungsplänen durch Nutzung von Hunderten von medizinischen Attributen in der Zusammenfassung der Leistungen und des Versicherungsschutzes um den Faktor 30 beschleunigen können.
Welche Aufgaben haben Automatisierungspotenzial?
In den meisten Branchen gibt es Anwendungsfälle für generative KI mit hohem Mehrwert. In den folgenden Sektoren sehen wir das größte Potenzial für die „Generative AI Augmentation“ bzw. die Automatisierung von Tätigkeiten:
In der Bankbranche liegt dieses Potenzial mit 67 Prozent am höchsten, speziell bei Aufgaben wie der persönlichen Finanzverwaltung und Budgetberatung, bei der Kundenbetreuung bei Bankanfragen und Transaktionen sowie bei Kontoführung, Betrugserkennung und Risikobewertung.
Es folgen die Versicherungen mit 62 Prozent Automatisierungspotenzial. Hier werden Chatbots für die Bearbeitung von Versicherungsangeboten, Policenanfragen und Schadensmeldungen eingesetzt, die KI unterstützt bei der Risikoprüfung und Schadenermittlung sowie bei der Beratung zu Produktauswahl und Schadenverhütung.
Mit 57 Prozent wird auch die Software-Entwicklung stark betroffen sein. Das gilt hier etwa für Chatbots, die reagieren und personalisierte Lösungen anbieten können, aber auch für die Codegenerierung auf der Grundlage von Beschreibungen in natürlicher Sprache sowie die Analyse von Nutzerfeedback und Bewertungen zur Identifizierung von Themen.
An den Finanzmärkten sind 54 Prozent der Aufgaben von Automatisierung betroffen – insbesondere das Investment-Research zur Ermittlung von Anlagemöglichkeiten, die Datenanalyse zur Ermittlung der Stimmung für bestimmte Unternehmen oder auch die Entwicklung von Handelsalgorithmen zur Reaktion auf Marktbedingungen.
Bei 46 Prozent liegt das Medien-Business. Hier sind schon jetzt signifikante Umbrüche im automatisierten Journalismus zur Erstellung von Nachrichten, beim Fact-Checking sowie bei der Foren-Moderation zu beobachten.
Ähnlich mit 41 Prozent im Handel: Hier geht es um Produktempfehlungen auf der Grundlage von Benutzerpräferenzen, um Produktauswahl und personalisiertes Einkaufen, aber auch um die automatisierten Chatbots und Assistenten für Kundenanfragen.
Im Gesundheitswesen liegt der zu erwartende Automatisierungsgrad bei 39 Prozent, etwa in den Bereichen der Symptom-Checker und der vorläufigen Diagnosen, bei der Unterstützung und Therapie im Bereich der psychischen Gesundheit, aber auch schlichtweg bei der Automatisierung von Verwaltungsaufgaben.
Auch die Automobilindustrie wird sich wandeln. 37 Prozent der Arbeitsbereiche dort eignen sich für die KI-Automatisierung, von den virtuellen Assistenten im In-Car-Infotainment-System über die Unterstützung bei der Fehlersuche im Fahrzeug bis hin zu Chatbots für den Einsatz im Autohaus.
Die Liste lässt sich weiterführen – so liegen die Reisebranche, der High-Tech-Sektor und die Industrie mit 34 Prozent gleichauf, dicht gefolgt von den Life-Sciences und dem Sektor Konsumgüter und Dienstleistungen.
Next Steps: Assessment und Erstellung einer KI-Strategie
In dem Maße, in dem hier überall neue Geschäftsmodelle entstehen und Unternehmen beginnen, ihre eigenen generativen KI-Tools zu entwickeln, müssen zahlreiche Herausforderungen in Bezug auf Datengenauigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Datenschutz und Sicherheit angegangen werden. Das verstärkt zugleich die Notwendigkeit, in diesen Bereichen menschliches Urteilsvermögen einzusetzen.
In Kombination mit anderen KI-Tools und -Funktionen hat die generative KI das Potenzial, Branchen zu revolutionieren und die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten, fundamental zu verändern. Deshalb müssen Unternehmen jetzt handeln. In einem ersten Schritt ergibt ein „Rapid Enterprise Assessment“, wie wir bei EPAM es nennen, die Basis für die Identifikation einer „Generative-AI-Strategy“. Die Unternehmensdaten bilden dabei zusammen mit branchen- und firmeneigenen Datenquellen die Grundlage, auf der potenzielle Auswirkungen generativer KI auf das Unternehmen bewertet und strategische Anwendungsfälle priorisiert werden. Daraus entsteht eine Roadmap, die echte Wettbewerbsvorteile schafft, denn KI-gestützte Geschäftsstrategien wirken sich erheblich auf das zukünftige Betriebsmodell aus. Durch die Kombination und die Anwendung von markt- und technologieorientierten Ansätzen kann das Unternehmen befähigt werden, KI-Technologien zu nutzen und sich als Marktpionier zukunftssicher aufzustellen.
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