Big-Data-Technologien für den Handel Neue IT hilft, Märkte zu erobern
Mit neuen Analysetechniken aus dem Big-Data-Umfeld kämpfen Unternehmen um Marken-Awareness und Kundentreue. Doch oft machen schon elementare Analysen wegen fehlenden abteilungsübergreifenden Denkens Schwierigkeiten.
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Big Data, mithin neue Formen der Datenanalyse, gehört zu den wichtigsten Werkzeugen heutiger Unternehmen beim Versuch, Kunden zu gewinnen und bei der Stange zu halten. Getrennte Unternehmens- und IT-Säulen, in vielen Firmen noch gang und gäbe, sind einer der wichtigsten Hemmschuhe auf diesem Weg.
Martin Meyer-Gassner, Gründer und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens The Strategy Web, weiß: „Unternehmen, die Smart oder Big Data machen wollen, müssen ihre einfachen Kundendaten im Griff haben. Alle Dateneigentümer müssen dafür bereit sein, ihr Wissen zu teilen.“ Nur so könne eine ausreichend umfangreiche vereinheitlichte Datenbasis ohne Widersprüche entstehen, betonte der Analytics-Spezialist auf einer Smart-Data-Tagung in München, mit der man seine Märkte und Kunden besser einschätzen kann, um dann das Marketingbudget sinnvoller zu allokieren.
Beispiele gibt es dafür schon. Etwa Windeln.de: 2010 setzte der Online-Kinderbedarfshändler sieben Millionen Euro um, 2014 waren es bereits 130 Millionen Euro. Seit 2013 expandiert die Firma in die Schweiz. Venture-Kapitalisten stecken ihr Geld gern in die datengetriebene Firma, die vor Kurzem wieder 45 Millionen Euro bei Investoren eingeworben hat. Geschäftsführer Alexander Brand sieht sein Geschäft eindeutig datengetrieben, weshalb er immer wieder Mathematiker einstellt.
Akribische Datenerfassung
Kundendaten werden akribisch erfasst und beispielsweise zu einem RFM-Wert verdichtet werden. R steht dabei für Recency (letzter Kauf), F für Frequency (Gesamt-Kaufmenge) und M für Margin (Gewinnspanne beim Handel mit diesem Kunden). Die gewonnenen Erkenntnisse fließen direkt in die Marketingaktivitäten ein.
Beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde innerhalb der ersten 50 Tage nach einem Kauf wieder zuschlägt erheblich höher als danach – infolgedessen erhält dieser Kunde in der 50-Tage-Periode häufiger Angebote per Mails. Dabei arbeitet die BI-Abteilung nicht etwa einsam vor sich hin. Vielmehr liefern die Geschäftsbereiche ständig Ideen für neue Analysen, die von der von Anfang an etablierten BI-Abteilung entwickelt und verifiziert werden, bevor sie alle nutzen können.
Freilich ist es heute noch eher ungewöhnlich, dass eine Neugründung von Anfang an auch ans Data Mining denkt. Oft genug bewirkt erst der Druck der Konkurrenz hier ein Umdenken, und das löst häufig auch Widerstand aus, da altgewohnte Routinen nicht mehr sinnvoll sind, alte Abteilungs-Freiheiten geschleift werden können und neue Standards an ihre Stelle treten. Transparente Vergleiche werden möglich, wo vorher Intransparenz herrschte – und das hat natürlich nicht für jeden positive Auswirkungen. Nötig ist deshalb die Unterstützung der obersten Führungsebene.
DER Touristik zentralisiert Daten
Erst vor Kurzem entschloss sich DER Touristik, die zahlreichen Reise-Sparten, die bisher ihre eigenen Data Marts pflegten, unter ein einheitliches Daten-Dach zu bringen, damit die zentral vergebenen Marketingbudgets auch dorthin fließen, wo sie den höchsten Ertrag versprechen. Karsten Courtin, Head of Digital Analytics, übernahm die schwierige Aufgabe, ein einheitliches Datenmanagement aufzubauen, was vor allem auch viel Überzeugungsarbeit kostete. „Wir können heute das gesamte Marketingbudget auf Basis unserer Datenanalysen weitaus rationaler verteilen“, sagt er. Mit der neuen Lösung hat DER seine Geschäftsaussichten erheblich verbessert, etwa indem durch passende Angebote die Auslastung einzelner Reisen erhöht wurde.
Nicht jedes Unternehmen ist erpicht darauf, in diesem Bereich alles selbst zu machen. Oft fehlen schlicht die Mittel, hierfür eine Infrastruktur aufzubauen. Kein Problem, denn für Big Data im Marketing gibt es bereits Cloud-Services wie etwa IgnitionOne. Der Dienstleister betreibt eine Data Management Platform (DMP) im Internet. Sie führt unterschiedlichste Daten fürs Marketing zusammen, die der Dienstleister dann normalisiert, nach Zielgruppen zusammenstellt und daraus Kundenprofile entwickelt. Dann adressiert er die gewünschten Kunden über unterschiedliche Kanäle und speist die dabei neu gewonnenen Daten gleich wieder in den Auswertungs-Kreislauf ein. Die Website zieren illustre Namen Unternehmen wie General Motors, Verizon oder Fiat.
Präsentation auf mobilen Geräten
Ein weiterer Trend ist, Anwendern die Ergebnisse komplexer Analysen direkt beim Kunden auf mobilen Geräten zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Argumentation darauf ausrichten können. SAP beispielsweise arbeitet unter anderem eng mit dem Rosenheimer Unternehmen Cubeware zusammen, um Analysen mobil zugänglich zu machen. Cubewares Lösungen sind explizit darauf zugeschnitten, eine einheitliche Datenbasis für mobile und an festen Arbeitsplätzen sitzende Mitarbeiter zu schaffen, den Output aber so zu strukturieren, dass er in Aufbau und Formatierung den jeweiligen Endgeräten optimal entgegenkommt, ohne Wesentliches einfach aus Platzgründen wegzulassen. In Zukunft wird es wahrscheinlich in immer mehr Unternehmen Realität werden, auch direkt am Verkaufs-Arbeitsplatz im Shop oder unterwegs aktuelle Analysen in die Arbeit einbeziehen zu können, die sich aus den unterschiedlichsten Quellen speisen und hochaktuell sind.
Neuartige Tools sollen Anwendern am Arbeitsplatz helfen, sich selbst die für sie nötigen Feinanalysen aus dem vorhandenen Material zu bauen und dann auch gleich so zu visualisieren, wie es ihrem Bedürfnis entspricht. Anbieter wie Tableau, Qlik, Datawatch oder auch Excel im Rahmen von Office 365 eröffnen derart neuartige Möglichkeiten. Nicht umsonst sieht IDC in seinen Big Data Predictions 2015 Visual Discovery als eine der wichtigsten unternehmensweit eingesetzten Analytic-Technologien für das laufende Jahr. Hinter der optisch verfeinerten Präsentationsschicht steckt manchmal nur Excel, man kann aber auch komplexe Dateninfrastrukturen mit Big-Data-Elementen auf diese Weise zugänglich machen.
Dazu gehören auch sekundenschnelle Preisänderungen, die durch äußere Einflüsse in Kombination mit dem Vorhandensein passender Produktkategorien sinnvoll werden. Wer sekundenschnell zentral änderbare Preisschilder aus e-Paper nutzt und sei mit einer WLAN-Infrastruktru etwa von LANCOM und entsprechenden Daten- und Auswertungsinstrumentarien verbindet, kann durchaus bei Platzregen sekundenschnell den Preis für Schirme in der verregneten Region verdoppeln und so aus einer simplen Notwendigkeit erhöhten Gewinn schlagen, ihn aber auch genauso schnell wieder senken, sobald der Schauer vorbeigezogen ist. Und das alles ohne das im Handel verbreitete Ärgernis, dass am Regal noch das alte Preisschild hängt, während an der Kasse bereits der jeweils neue Preis bekannt ist.
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