Kommentar von Philipp Lenz, Adesso Self-Service Business Intelligence – Chance oder Risiko?

Autor / Redakteur: Philipp Lenz / Nico Litzel |

Bei Self-Service Business Intelligence (SSBI) erhält der Fachanwender die Freiheit, sich selbstständig an den Datentöpfen innerhalb und an Daten außerhalb der Organisation zu bedienen, die Daten selbstständig aufzubereiten, zu gruppieren sowie darzustellen. Der folgende Artikel geht auf die Chancen und Gefahren von SSBI ein und schlägt Lösungswege für eine funktionierende Umgebung mit der IT und den Fachabteilungen vor.

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Der Autor: Philipp Lenz ist als Senior Consultant Business Intelligence bei der Adesso AG am Standort Köln tätig und verfügt seit mehr als 15 Jahren über Erfahrung im BI-Umfeld.
Der Autor: Philipp Lenz ist als Senior Consultant Business Intelligence bei der Adesso AG am Standort Köln tätig und verfügt seit mehr als 15 Jahren über Erfahrung im BI-Umfeld.
(Bild: Adesso)

SSBI ist offensichtlich ein Trend, dem man immer häufiger in Unternehmen begegnet. Fachabteilungen müssen und wollen agiler werden. So beauftragen sie Analysen nicht wie bisher über die IT, sondern erstellen diese aus verfügbaren Daten selbst, um aus ihnen Berichte anzufertigen und sie in einem anderen Kontext darzustellen. In den meisten Fällen führt SSBI auch zur Erschließung neuer, externer Datenquellen, die bisher nicht im Fokus der IT standen.

Was ist SSBI in der Praxis?

Datenquellen eines SSBI-Berichts
Datenquellen eines SSBI-Berichts
(Bild: Adesso)

SSBI entkoppelt in erster Linie die Fachabteilung von der IT aus dem Managed-BI-Umfeld. Das heißt, die IT wird weitestgehend aus der Pflicht genommen und liefert nicht mehr den fertigen Bericht oder die zu verarbeitenden Daten. Die IT bürgt nicht mehr für die korrekten, fachlichen Relationen zwischen den Daten und für die Berechnung der Kennzahlen, da die Verantwortung dessen im Kontext des SSBI an die Fachabteilung übertragen wird. Dementsprechend entwickelt der meist IT-versierte Anwender aus der Fachabteilung selbstständig Datenmodelle aus neuen und/oder vorhandenen Datenquellen. Er extrahiert beispielsweise Umfragewerte aus dem CRM-System, Produktdaten aus dem ERP und Social-Media-Daten aus Twitter und Facebook und führt manuelle Daten aus Excel hinzu. Anschließend bereitet der Anwender diese Daten in einem Modell auf. Auf dieser Basis werden Berichte und Kennzahlen entwickelt, visualisiert und damit neue Fragen beantwortet.

Das vorher genannte Beispiel birgt natürlich auch Gefahren. Hier ist der Fachanwender verantwortlich für die Datenqualität, die Vollständigkeit der Daten und die Richtigkeit der daraus erstellten neuen Kennzahlen. In der Regel werden diese Gefahren von der IT-Abteilung vorab betrachtet, abgeschätzt, anschließend bearbeitet und in einer BI-Landschaft gesichert. Die Daten gehen danach den üblichen Weg, indem sie in die verschiedenen Schichten des Data Warehouse übernommen und verarbeitet werden. Diese Schritte werden in SSBI-Projekten meist weitestgehend übersprungen, denn hier zählt vordergründig die neue Auswertung, die generiert werden soll. Dabei geraten Aspekte wie die Datenqualität wie Historisierung oder die ungeliebte Dokumentation häufig in den Hintergrund. Das bedeutet nicht, dass der Fachanwender keinen Wert auf die Datenqualität legt, sondern dass die Daten oftmals nur aus einer fachlichen Perspektive beleuchtet werden.

Eine weitere Herausforderung steckt in der Übernahme von SSBI-Projekten in das operative Geschäft. Hier stellt sich die Frage nach dem Ort der Berichtsinstallation und nach der Sicherstellung der Aktualisierung – unter anderem Verfügbarkeit der Daten. Wenn ein personeller Wechsel stattfindet, könnte es bei der Übergabe von Berichten zu Schwierigkeiten kommen. Wenn der Ersteller zum Beispiel in Rente geht, die Abteilung oder gar das Unternehmen wechselt, ist deshalb zu klären, wer die Verantwortung für Berichte übernimmt und das Domänenwissen innehat.

SSBI Tools im Microsoft-Umfeld

Microsoft bietet hier für den SSBI-Aspekt mehrere Werkzeuge an. Hauptsächlich sind in diesem Kontext Power BI 1.0 (Power Pivot, Power View sowie Power Query Komponenten in Excel) beziehungsweise die Version 2.0 (Off- sowie Online-Werkzeug zur Erstellung von Datenmodellen und Berichten) zu nennen, welche kostenlos auf http://powerbi.microsoft.com für einen Einzelbenutzerbetrieb verwendet werden können. Kostenpflichtig wird es unter anderem bei Teamarbeit/Teilen oder beim Einbetten von Berichten in Applikationen.

Power BI unterstützt in beiden Versionen nativ eine Vielzahl von Datenquellen, die die Daten importieren und in einem Modell verbinden können. So kann sich ein Fachanwender auf Basis von Daten schnell Analysen anfertigen, die gegebenenfalls noch nicht in der Managed-BI-Plattform der IT zur Verfügung stehen. Dies bietet u. a. die Chance zu Ergebnissen zu kommen, die ansonsten zeitaufwendig von der IT erstellt würden, da erst die Datenquellen erschlossen, aufbereitet, und im Data Warehouse bereitgestellt werden müssten. Weiter bietet die Power-BI-Plattform 2.0 die „Natural Language Query“. Mit ihr können an das Modell Fragen übermittelt werden, die der Service dann beantwortet.

Die Brücke zum Managed BI

SSBI bietet umfangreiche Möglichkeiten Analysen sowie Berichtswesen schneller und effektiver in einem Unternehmen zu betreiben. Meist stellt sich irgendwann die Herausforderung, den angefertigten Bericht automatisch zu aktualisieren und/oder anderen Anwendern oder Kunden einfach und komfortabel sowie teils automatisiert zur Verfügung zu stellen. In der Regel ist das der Zeitpunkt, an dem die IT-Abteilung beauftragt wird. Allerdings sollte die Übernahme der Verantwortung für die Daten, des Berichts und der daraus resultierenden Kennzahlen wohl überlegt sein. Einerseits ist die Datenqualität und Vollständigkeit nicht unbedingt sichergestellt, andererseits müssen die Datenquellen für eine automatische Aktualisierung verfügbar sein. Des weiteren stellt sich die Frage, ob jeder Anwender alle Zahlen sehen darf oder diese rollenbezogen gefiltert werden.

Managed BI-Plattform
Managed BI-Plattform
(Bild: Adesso)

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, sollte der Bericht in erster Linie an ein zentrales System angebunden werden. Dafür empfiehlt sich ein Data Warehouse und als Analyse-Plattform ein Analysis Services Cube. Ein Cube bietet die Möglichkeit, die Daten zentral auf einem System zur Verfügung zu stellen, mit entsprechenden Sicherheitskonzepten wie der rollenbasierten Sicherheit und kann als Quelle für mehrere Frontends genutzt werden. Hier wird von einem Managed BI gesprochen, da diese Plattform von der IT überwacht und betrieben wird.

Microsoft bietet mehrere Methoden an, um Power BI Berichte in Analysis Services bereitzustellen. Power-BI-2.0-Berichte können in das Azure-Analysis-Services-Modell importiert werden, während Excel-PowerPivot-Modelle in die lokalen Analysis Services (Tabular Version) importiert werden. So steht das Modell zentral zur Verfügung und kann sogar in eine Quellcodeverwaltung übernommen werden. Die Aktualisierung der Daten kann ebenfalls automatisiert und auf ihrer Basis eine Dokumentation erstellt werden.

Dennoch sind die genannten Methoden nicht die Antwort auf alles. Fragen nach der Historisierung, der Auditierbarkeit oder der Verfügbarkeit der Datenquellen, die in dem Bericht verwendet wurden, bleiben offen, da lediglich das Datenmodell in einem Cube zentral zur Verfügung steht. Daher empfehlt es sich meist, den erstellten Bericht als Vorlage zu nutzen und ihn auf dieser Basis erneut auf gesicherten und erschlossenen Quellen anzufertigen – denn ein „Proof of Concept“ beziehungsweise die fachliche Realisierbarkeit sowie Notwendigkeit des Berichts wurde durch den Self-Service-Aspekt belegt. Die Visualisierung kann dann weiter auf Power BI basieren, denn Power BI kann in einem Managed-BI-Umfeld bestehen und eingebunden werden. Durch ein Neuerstellen des Berichts auf dieser Plattform ergibt sich zudem die Möglichkeit einer Dokumentation der Daten sowie der Kennzahlen und einer Performance-Optimierung.

Jedoch sollte abgewogen werden, ob die Überführung in ein Managed BI-Umfeld gerechtfertigt ist, da die Kosten gegenüber SSBI meist ein Vielfaches betragen. Zu guter Letzt ist auch zu beachten, dass SSBI mit einer Managed BI-Landschaft zusammenarbeiten kann. Die Datenquellen sind kombinierbar. So sollten unter anderem unternehmenskritische Kennzahlen und Daten aus dem Data Warehouse entnommen werden und mit Daten aus zum Beispiel Social-Media-Datenquellen verknüpft werden.

Fazit

SSBI ist sicherlich nicht immer eine Alternative zu traditionellen BI-Plattformen. Ein Abschalten der Managed BI-Plattform (Data Warehouse, ETL Stecken, zentrales Reporting) empfiehlt sich definitiv nicht, da die Notwendigkeit dieser Plattform weiterhin gegeben ist. Allerdings bietet SSBI eine Chance für Unternehmen, egal welcher Größe, Agilität in die BI-Welt zu bekommen, um neue Erkenntnisse durch unter anderem neue Datenquellen zu gewinnen. Des Weiteren bietet SSBI die Chance, die Fachabteilungen mit dem meist nur dort ansässigen Domänenwissen in die Projekte einzubinden, Projekte agil anzugehen und nicht mit langwierig erstellten Lastenheften abzuarbeiten.

Jede SSBI-Initiative sollte wohl überlegt und durch Experten begleitet werden, damit Unternehmen nicht irgendwann vor dem Problem stehen, dass Berichte die gleiche Kennzahl mit differierenden Werten liefern, weil die entsprechende Definition von Fachanwendern unterschiedlich ausgelegt wird.

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