IFA 2018 – Top-Thema Künstliche Intelligenz (KI) Private KI im Unternehmen – Bring Your Own AI
Die IFA 2018 zeigte deutlich, wie weit KI-Lösungen in Consumer-Lösungen Einzug gehalten haben. Für Unternehmen bedeutet das, dass mit den privaten Geräten der Beschäftigten auch private KI-Services im Netzwerk auftauchen. „Bring Your Own AI” folgt aus BYOD (Bring Your Own Device).
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Laut einer Studie von PAC planen 71 Prozent der europäischen Unternehmen eine Integration von KI-Technologie in ihre bestehenden Anwendungen bzw. haben dies bereits getan, mit dem Ziel, den Automatisierungsgrad zu steigern sowie die menschliche Fehlerquote zu reduzieren.
Bereits dies macht deutlich, dass Künstliche Intelligenz (KI) bald in den meisten Unternehmensnetzwerken zu finden sein wird. Doch es gibt eine weitere Entwicklung, die nicht vergessen werden darf: KI wird zu einem zentralen Bestandteil von Consumer-Lösungen. Für Unternehmen wird dies zum Thema, da Consumer-Lösungen auch innerhalb der Firmennetzwerke genutzt werden.
Der altbekannte Trend BYOD wird deshalb dazu führen, dass private KI-Services zunehmend innerhalb der Unternehmen genutzt werden. Man könnte deshalb von „BYOAI“ (Bring Your Own AI) sprechen, einmal gewollt von den Unternehmen, aber auch ungewollt und ohne Wissen des Unternehmens. Smartphones machen diese Entwicklung am besten deutlich, sie bilden einen Großteil der BYOD-Geräte in Unternehmen und haben in aller Regel bereits einen KI-Dienst an Bord.
IFA 2018: KI wird fester Bestandteil der Consumer-IT
Intelligente und vernetzte Geräte für zu Hause und Künstliche Intelligenz waren einige der Top-Trends der IFA 2018. „Die großen aktuellen Trendthemen wie Sprachsteuerung und Künstliche Intelligenz vernetzten immer mehr Produkte und Märkte miteinander“, erklärte Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsratsvorsitzender der gfu Consumer & Home Electronics GmbH, der Gesellschaft zur Förderung der Unterhaltungselektronik in Deutschland.
Jeder achte Bundesbürger ab 18 Jahren (13 Prozent) nutzt bereits einen intelligenten Lautsprecher mit digitalem Sprachassistenten wie Amazon Echo, Google Home oder HomePod, so die Trendstudie „Consumer Technology 2018“, die der Digitalverband Bitkom und das Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte kurz vor der IFA 2018 veröffentlicht haben.
Laut der Studie nutzen Verbraucher ihre Sprachassistenten vielseitig. Zwei Drittel (69 Prozent) spielen per Sprachbefehl Musik ab und hören Radio. Jeder dritte Nutzer erfragt die Abfahrtszeiten von öffentlichen Verkehrsmitteln (34 Prozent) oder lässt sich Verkehrsnachrichten (32 Prozent) durchgeben. Jeder Vierte (27 Prozent) lässt sich über aktuelle Sportergebnisse informieren, jeder Fünfte bestellt ein Taxi (22 Prozent) oder stellt ganz allgemein Suchanfragen (21 Prozent). Auch für die Organisation von Terminen und für Mails werden die Geräte eingesetzt: Jeder Vierte (24 Prozent) hat bereits per Spracheingabe seinen Kalender aktualisiert, und 15 Prozent lassen sich von der Künstlichen Intelligenz Mails vorlesen. Acht Prozent diktieren ihre Nachrichten ein.
Werden die Geräte mit KI-Assistent auch beruflich genutzt, können auch berufliche Suchen, Termine und E-Mails mit privaten KI-Diensten in Berührung kommen.
Zahlreiche Hersteller und Lösungen auf der IFA 2018 zeigten, wie KI immer stärker in Consumer- und auch Business-relevante Lösungen integriert wird:
- Archos stellte auf der IFA mehrere KI-fähigen Geräte mit Sprachsteuerung vor: Das ARCHOS Mate kommuniziert via Amazon Alexa, das ARCHOS Hello nutzt dazu die Voice Control von Google.
- Dragon Drive, Nuances Plattform für automotive Assistenten, wurde ebenfalls auf der IFA 2018 präsentiert. Dragon Drive ist die Entwicklungsplattform für Systeme wie das MBUX der neuen Mercedes A-Klasse oder das Infotainmentsystem des Audi A8.
- German Autolabs präsentierte Chris, einen Sprachassistenten für Autofahrer, der auch in ältere Fahrzeuge integriert werden kann.
- Orii ist ein Ring mit eingebautem Digitalassistenten, mit dem Nachrichten vorgelesen und verschickt sowie Telefonate geführt werden können.
- Huawei bietet mit Kirin 980 ein Mobile AI Chipset, mit dem AI auf mobilen Geräten realisiert werden kann.
Digitale Assistenten wie Alexa und Google Assistant und andere Lösungen zur Sprachsteuerung sind gute Beispiele für die schnelle Verbreitung von KI-basierten Lösungen in Consumer-Produkten. Aber dort bleiben sie nicht stehen.
Eine Umfrage von Pindrop zeigt: Die Nutzung von Sprachtechnologien in Unternehmen wird sich in den nächsten zwölf Monaten verdreifachen. 85 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie im Lauf des nächsten Jahres Sprachtechnologien einführen werden, wie etwa Amazons Assistenten Alexa oder Microsofts Cortana. Derzeit werden Sprachassistenten erst von 28 Prozent der Unternehmen genutzt.
Die befragten Führungskräfte machten allerdings deutlich, dass Sicherheitsprobleme die Zunahme sprachgesteuerter Interaktionen hemmen könnten. Die Umfrage ergab folgendes Bild:
- Die Sicherheit gehört zu den wichtigsten Faktoren, die darüber entscheiden werden, wie schnell die „Conversational Economy“ wächst.
- Mehr als acht von zehn Befragten (85 Prozent) glauben, dass Besorgnisse der Kunden über möglichen Datenmissbrauch die Einführung der Technologie verlangsamen werden.
Consumer-IT mit AI on Chip oder AI aus der Cloud
Wenn Consumer-Geräte im Rahmen von BYOD im Unternehmen genutzt werden und oftmals gleich eine KI-basierte Lösung im Gepäck haben, dann kommt es unter anderem darauf an, wie die KI betrieben wird. Viele digitale Assistenten zum Beispiel zur Sprachsteuerung sind bekanntlich cloudbasiert, Nutzerdaten können also in einer Cloud gespeichert werden, was dann relevant für die Compliance und den Datenschutz im Unternehmen ist, wenn es dem KI-Dienst gelingt, auch an betriebliche Daten zu gelangen.
Zusätzlich gibt es auch AI-Lösungen, die zumindest teilweise Funktionen auf einem lokalen Chip nutzen. Hier ist für Unternehmen, bei denen gewollt oder ungewollt BYOAI stattfindet, entscheidend zu wissen, was genau in die Cloud gelangt, was auf dem Chip verbleibt und wie die Daten jeweils geschützt sind.
Auch hierzu konnte die IFA 2018 Lösungen zeigen: Snips, ein KI-Start-up, stellte auf der IFA 2018 seine Spracherkennungsplattform vor. Die Plattform ermöglicht es Geräteherstellern und Entwicklern, ihre Produkte mit Sprachassistenten auszustatten. Snips zeichnet sich durch eine Cloud-unabhängige Funktion aus.
Aufbauend auf einer selbst entwickelten KI-Technologie funktioniert die Snips-Lösung unabhängig von der Cloud direkt auf dem jeweiligen Gerät. Die Technik bietet sowohl die automatische Spracherkennung (Automatic Speech Recognition – ASR) als auch das Verständnis natürlicher Sprache (Natural Language Understanding – NLU). Hinzu kommen die Erkennung von Schlüsselwörtern sowie das Dialogmanagement. Entwickler können die Snips-Web-Konsole nutzen, um Prototypen von Sprachassistenten zu erstellen. Die Nutzung der Konsole ist kostenfrei und bietet die Möglichkeit, vorgefertigte Funktionen aus einem Developer-Marketplace einzubinden. Kosten fallen bei der professionellen Nutzung von Snips für OEM-Lösungen an.
Die Vision von Snips ist es, einen KI-Assistenten in jedes Gerät einzubetten. Laut Anbieter wird die im Juni 2017 vorgestellte Plattform von mehr als 14.000 Entwicklern genutzt, die damit mehr als 24.000 Sprachassistenten erstellt haben.
„Die heute verbreiteten Sprachassistenten zeigen, was am Internet gegenwärtig falsch läuft: die Zentralisierung persönlicher Daten, der Verlust an Privatsphäre und die Ausnutzung von Anwendern und Entwicklern“, so Rand Hindi, Mitbegründer und CEO von Snips. „Gerade in Deutschland hat der Datenschutz einen hohen Stellenwert. Mit unserer Plattform bieten wir den heimischen und internationalen Herstellern die Möglichkeit, leistungsfähige und sichere Sprachassistenten in ihre Produkte zu integrieren.”
Ebenfalls auf der IFA 2018 präsentierte die Deutsche Telekom ihren Sprachassistenten „Hallo Magenta“. Daten werden laut der Telekom ausschließlich innerhalb der Europäischen Union verarbeitet und folgen den Datenschutz-Standards der Telekom. Der Smart Speaker der Telekom zeichnet laut Anbieter keine Gespräche auf. Bis zum Aktivierungsbefehl „Hallo Magenta“ bleibt er inaktiv. Die Sprachplattform speichert und verarbeitet den Befehl anschließend anonym. Der Nutzer kann alle Befehle manuell löschen.
Solche Entwicklungen zeigen, wie sich der Trend BYOAI in andere Bahnen lenken lässt, AI-Lösungen, die auf einem BYOD-Gerät laufen, aber nicht Daten in eine Cloud übertragen. Andernfalls folgt aus BYOD nicht nur BYOAI, sondern eben auch BYOC (Bring You Own Cloud), ein typischer Fall für eine mögliche Schatten-IT mit ihren zahlreichen Risiken. Wenn eine cloudbasierte AI genutzt wird, müssen sich Unternehmen auch um den Cloud-Datenschutz und die Cloud-Compliance kümmern, nicht nur um die Sicherheit bei BYOD.
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