IoT und Analytics GE Digital prescht in Europa voran

Autor / Redakteur: lic.rer.publ. Ariane Rüdiger / Nico Litzel

General Electric will das Geschäft mit dem IoT und Analytics über ganz Europa hinweg ausbauen und dem großen Rivalen Siemens Marktanteile abjagen. In Berlin gab der Hersteller einen Über- und Ausblick auf Projekte und Produkte.

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Alter Hafen – neue Technik: Am Berliner Westhafen fand die erste europäische Konferenz von GE Digital, Mind + Machines 17, statt.
Alter Hafen – neue Technik: Am Berliner Westhafen fand die erste europäische Konferenz von GE Digital, Mind + Machines 17, statt.
(Bild: Rüdiger)

Zum ersten Mal fand im Juni die jährliche Leistungsschau von GE Digital, die „Mind + Machine 2017“, in Berlin statt. Als Standort der Veranstaltung hatte sich das Unternehmen einen symbolträchtigen Ort ausgesucht: die inzwischen zur Eventlocation umgewidmeten ehemaligen Kontorhäuser des Westhafens, einen Ort der alten Transport- und Produktionsindustrien, die durch die digitalen Technologien grundlegend transformiert werden.

Mehr als 1.000 Gäste waren laut GE-Management nach Berlin gekommen, um die technologische Siemens-Alternative besser kennenzulernen. Sie wurden gleich mit einem Donnerschlag begrüßt: dem Rücktritt des altgedienten Jeff Immels, der infolgedessen auch nicht selbst nach Berlin kam.

GE Digital entstand dadurch, dass GE seine interne IT-Abteilung vor einigen Jahren abschaffte und als separates Unternehmen GE Digital wieder neu kreierte. Mit seinen digitalen Technologien bedient GE Digital nun interne Kunden aus dem Gesamtunternehmen, das sich insgesamt mit neun Branchen beschäftigt, und externe Kunden. Intern werden die Entwicklungen von GE Digital wie auch die aller anderen Unternehmensbereiche über den GE Store dem Gesamtunternehmen zur Verfügung gestellt. Wie viel Umsatz freilich intern und wie viel extern erwirtschaftet wird, darüber spricht GE Digital nicht.

Verzahnung zwischen digitaler und physischer Welt

Der Schwerpunkt der digitalen Entwicklung liegt wie derzeit überall auf der Verzahnung zwischen digitaler und physischer Welt mithilfe von Big Data, Analytics, Edge Computing und intelligenten Sensoren. Im Zentrum steht dabei die Suite „Predix“, eine IoT-Plattform, vergleichbar etwa mit MindSphere von Siemens und entsprechenden Produkten anderer Hersteller. „Wir haben Predix entwickelt, weil wir diese Plattform einfach brauchten“, sagt Patrick Franklin, der bei GE Digital für die Entwicklung von Predix zuständig ist.

Das Predix-Fundament beruht auf Open-Source-Technologien, insbesondere denen der Apache-Foundation. Verwendet werden Produkte wie Spark, Kafka, Cassandra und andere mehr, jeweils angepasst an den Bedarf der Plattform. Darüber liegt eine Schicht von Modulen, die GE weitestgehend selbst entwickelt hat. Sie managen beispielsweise die digitalen Modelle, stellen Datendienste wie Zeitreihen zur Verfügung, verarbeiten Events und übernehmen Sicherheitsaufgaben, die sich direkt auf die im Edge angebundenen Systeme beziehen, beispielsweise Zugriffsrechte, Alarme etc.

Darüber liegt die Middleware, die aus den eingespeisten Daten digitale Modelle (Digital Twins) der entsprechenden Systeme erstellt, also sämtliche Charakteristiken und Abläufe rund um das Produkt ständig digital in Echtzeit abbildet, wobei die so gewonnenen Erkenntnisse für jede einzelne Maschine separat dargestellt, aber auch für Maschinenkategorien zusammengefasst und zu Erkenntnissen beispielsweise über das Temperaturverhalten eines Aggregats, etwa einer Turbine, verdichtet werden können, die dann wiederum in Entwicklung, Support und Wartung einfließen.

Cloud Foundry als Plattform

Marc-Thomas Schmidt, GE Digital, präsentiert die Architektur von Predix
Marc-Thomas Schmidt, GE Digital, präsentiert die Architektur von Predix
(Bild: Rüdiger)

Die Entwicklung der Predix-Software erfolgt mit Cloud Foundry als Plattform, allerdings nicht mit der Pivotal-Methodik. „Wir haben die unseren Bedürfnissen angepasst“, sagt Marc-Thomas Schmidt, Chief Architect Digital Twin bei GE Digital. Oberhalb der Digital-Twin-Schicht liegen Anwendungsschnittstellen, über die Anwendungen von GE Digital, anderen GE-Bereichen oder Drittentwicklern an die Plattform angedockt werden können. GE hat inzwischen ein Netzwerk aus 700 Partnern gewonnen und eigenen Angaben zufolge programmieren bereits 30.000 Entwickler für Predix.

Für die Anbindung der Peripherie sorgen HPEs Edgeline-Server, auf denen Teile derselben Analytik implementiert werden können, die auch in der Cloud laufen. GE Digital spricht hier von Edge-to-Cloud-Analytics. Mit HPE hat GE Digital eine enge Kooperation hinsichtlich der Hardwareausstattung gerade im Edge, also im maschinennahen Bereich, vereinbart. Auch auf Dell/EMC laufen die Anwendungen, allerdings ist die Kooperation hier wohl nicht ganz so intensiv. HPE versuchte sich zunächst selbst in der Entwicklung einer Predix-ähnlichen Plattform, hat aber diese Entwicklungen wohl mittlerweile zugunsten der GE-Kooperation zurückgestellt.

GE Digital ist dabei, für alle von GE bedienten Branchen auf Predix basierende Anwendungspakete zu schnüren. Am weitesten ist dieses Vorhaben hinsichtlich eines bei GE dominanten Geschäftsfeldes, der Energieindustrie, und hier besonders dem Geschäft der Stromprovider, gediehen. Hier hat GE Digital das auf digitalem Dateninput basierende Asset Performance Management mit der aufgekauften Field-Service-Management-Lösung ServiceMax zusammengeführt zum DataWorker. Diese Lösung wurde in Berlin vorgestellt und ist ab Ende 2017 erhältlich. Sie soll das gesamte Servicegeschäft von Anwendern durch vorbeugende Wartung, optimale Vorbereitung der Servicetechniker auf Vor-Ort-Einsätze etc. verbessern.

Betriebs-Optimierungs-Software

Weiter umfasst das Paket eine Betriebs-Optimierungs-Software, die ebenfalls auf Daten aus Predix zurückgreift und alle technischen Elemente vom Energieerzeugungssystem bis zum Verbraucher (Electronic Value Network, EVN) abbildet. Dieses Produkt gibt es schon länger, es besitzt aber nun einen geschlossenen Analysekreislauf. Neu ist schließlich eine weitere Lösung, die nun auch das Geschäft und damit den Gewinn der Energielieferanten optimieren soll. Sie analysiert laut GE Digital die Geschäftsmodelle von Energie- und Versorgungsunternehmen und hilft ihnen so beispielsweise bei der Preisgestaltung. Die Energie-Plattform läuft laut GE Digital bereits bei mehr als 50 Kundenunternehmen.

Eine weitere Neuerung ist Predix Studio, eine Software, die es auch programmiertechnischen Laien erlauben soll, analytische Apps für Predix zu schreiben. „Anwender wissen am besten, was sie wissen wollen“, sagt Franklin. Die Lösung ermöglicht es mit umfangreichen vorprogrammierten Software-Templates, in denen gegebenenfalls nur Parameter individualisiert werden müssen, anwendungsspezifische Lösungen zu schreiben.

Schließlich stellte GE Digital noch zwei neue Tochterunternehmen vor, die sich mit spezifischen Themen rund um die Datenanalyse befassen werden. Eines davon ist auf die Inspektion großer Infrastrukturen mit Drohnen spezialisiert. Das zweite ist GE Additive. Es soll sich mit additiver Fertigung und deren Verzahnung mit Predix befassen. Dafür hat GE Digital mit Compact Laser einen deutschen Spezialisten fürs Lasersintern, bei dem dreidimensionale Gegenstände aus Metallpulver per Laser gedruckt werden, aufgekauft. Demnächst kommt ein entsprechendes System mit einem Kubikmeter Volumen auf den Markt.

Umwälzungen im Maschinenbaumarkt

Es ist davon auszugehen, dass die Technologie, sobald die Preisdegression ins Rollen gerät, den Maschinenbaumarkt revolutionieren wird, denn viel Spezial-Know-how, beispielsweise aus der Gusstechnik, wird überflüssig und Ersatzteile können mit den entsprechenden Plänen ganz einfach vor Ort gedruckt werden. Außerdem ermöglicht die Technologie die Entwicklung von Formen, deren Erstellung bisher schlicht an physisch-mechanischen Grenzen des Produktionsprozesses scheiterte.

Um die Konkurrenzfähigkeit mit Siemens auf dem europäischen Markt ist GE Digital nicht bange, das europaweit rund 6.800 und in Deutschland über 1.000 Mitarbeiter beschäftigt. Die deutsche Zentrale befindet sich in München. „Wir müssen hier vor allem mehr darüber reden, wer wir sind und was wir können“, sagt Deborah Sherry, General Manager und Chief Commercial Officer, Europa.

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