Mercer-Studie Automatisierung und KI schüren Angst vor Jobverlust

Von Jürgen Schreier |

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99 Prozent der Unternehmen in Deutschland befinden sich in der digitalen Transformation. Das sorgt für Ängste. Nach einer Studie von Mercer gehen 42 Prozent der Beschäftigten davon aus, dass ihr Job innerhalb der nächsten drei Jahre durch KI und Automation ersetzt wird.

Die Automatisierung wird viele berufliche Laufbahnen verändern und Jobs sogar entbehrlich machen.
Die Automatisierung wird viele berufliche Laufbahnen verändern und Jobs sogar entbehrlich machen.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

Fachleute rechnen damit, dass die Covid-19-Pandemie und die daraus resultierende Unsicherheit zu einer Beschleunigung der Automatisierung und verstärktem KI-Einsatz führen dürfte. Damit verändern sich aber auch die beruflichen Laufbahnen. Schon vor der Coronakrise und ihren Auswirkungen steckten 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland in einer Transformation, wobei 42 Prozent der Mitarbeiter davon ausgehen gehen, dass ihr Job innerhalb der nächsten drei Jahre durch künstliche Intelligenz und Automatisierung ersetzt wird.

Immerhin vertreten 71 Prozent der Beschäftigten die Meinung, dass ihre Arbeitgeber sie gut auf die Zukunft der Arbeit vorbereiten und 77 Prozent vertrauen darauf, dass ihr Unternehmen sie entsprechend weiterbildet, wenn ihr Job sich aufgrund der zunehmenden Automatisierung verändern sollte.

Das geht aus der Mercer-Studie „Global Talent Trends 2020“ hervor, die das fünfte Jahr in Folge erschienen ist. Im Rahmen der Studie wurden über 7300 C-Suite-Führungskräfte, HR-Verantwortliche und Mitarbeiter befragt. Die Studie bietet umfassende Einblicke in neun Branchen und 16 Regionen der Welt. In Deutschland wurden 450 Personen befragt.

Organisationen müssen nachhaltig werden

„Es gilt, Wirtschaftlichkeit und Empathie in Einklang zu bringen, insbesondere in ungewissen Zeiten wie diesen. Unternehmen benötigen sowohl ein finanzielles Modell als auch ein kulturelles Mindset, das es ihnen erlaubt, sich auf die Zukunft vorzubereiten und entsprechend aufzustellen“, erklärt Ilya Bonic, President Career und Head of Strategy bei Mercer. „Den Purpose und die Prioritäten neu zu denken – das ist für das gesamte Unternehmen wichtig, aber insbesondere für Personalverantwortliche. Die diesjährigen Studienergebnisse verdeutlichen, dass die HR-Funktion beim Aufbau einer nachhaltigen Organisation eine Schlüsselrolle innehat.“

Auf der Basis der Studie zeichnen sich vier Trends ab:

Focus on Futures: Die große Mehrheit der Unternehmensleiter (96 Prozent) ist der Meinung, dass der Zweck einer Organisation, also deren Purpose, über die Anforderungen der Aktionäre hinausgehen sollte. Allerdings erfüllen nur 28 Prozent der Unternehmen diesen Anspruch heute. Laut Studie würde jeder dritte Mitarbeiter lieber für einen Arbeitgeber arbeiten, der Verantwortung gegenüber allen Interessengruppen zeigt, nicht nur gegenüber Aktionären und Investoren. Die Gestaltung eines nachhaltigen Geschäftsmodells ist ein Thema, das durchaus auf der Tagesordnung vieler Führungskräfte steht – 80 Prozent wollen sich mehr auf Nachhaltigkeit in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung konzentrieren.

Während 71 Prozent der Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass ihr Arbeitgeber sie auf die Zukunft der Arbeit vorbereitet, fühlen sich 69 Prozent von einem Burnout-Risiko bedroht. Auch der Blick auf Karrierepfade unterliegt Veränderungen: 84 Prozent der befragten Mitarbeiter geben an, dass sie sich vorstellen können, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten.

Auf der anderen Seite verfügen 73 Prozent der Unternehmen nicht über aktive Programme zum Umgang mit Mitarbeitern kurz vor der gesetzlichen Rente. „Der Umgang mit älteren Mitarbeitern und eine Personalplanung, die allen Generationen gerecht wird, werden wichtiger“, erklärt Sebastian Karwautz, Leiter des Bereichs Career Central & Eastern Europe bei Mercer.

Race to Reskill: 99 Prozent der befragten Unternehmen befinden sich aktuell in einer Transformation und berichten gleichzeitig von erheblichen Qualifikationslücken. Doch obwohl 75 Prozent der Mitarbeiter nach eigener Aussage bereit dazu sind, neue Fähigkeiten zu erlernen, geben 33 Prozent an, dass sie nicht genügend Zeit für Trainings und Schulungen haben. Darüber hinaus investieren nur 37 Prozent der HR-Verantwortlichen in Reskilling-Maßnahmen für Mitarbeiter als Teil ihrer Strategie zur Vorbereitung auf die Zukunft der Arbeit.

Hinzu kommt, dass 41 Prozent nicht wissen, über welche Fähigkeiten ihre Belegschaft heute verfügt. „Wenn es um Transformation geht, ist die Frage nicht ob, sondern wie. Um an der Spitze zu bleiben, müssen Unternehmen ihre Arbeitskräfte in großem Maßstab, schnell und über alle Generationen hinweg entsprechend qualifizieren“, kommentiert Karwautz.

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Doch welche Fähigkeiten sind in den nächsten zwölf Monaten am meisten gefragt? Befragt nach den Top 3 nennen HR-Verantwortliche Entrepreneurship und ein globales Mindset auf den Plätzen 2 und 3. Mitarbeiter hingegen gaben Innovation und Problemlösungsfähigkeiten als Top 2 an. An der Spitze liegt für beide Gruppen Digitalmarketing.

Sense with Science: Maschinelles Lernen entwickelt sich kontinuierlich weiter und durchdringt immer mehr Branchen und Lebensformen. Die Nutzung von Predictive Analytics, d. h. die Vorhersage zukünftiger Entwicklungen durch die Auswertung von Daten, hat sich in fünf Jahren fast verfünffacht (von 5 Prozent im Jahr 2016 auf 52 Prozent heute). Dennoch verwenden nur 51 Prozent der Unternehmen Metriken, um Mitarbeiter zu identifizieren, die wahrscheinlich kündigen werden.

Immerhin 49 Prozent haben im Blick, wann wichtige Mitarbeiter voraussichtlich in den Ruhestand gehen werden, 18 Prozent kennen die Auswirkungen von Gehaltsstrategien auf die Mitarbeiterleistung und 14 Prozent setzen Analysen ein, um Ungleichbehandlungen zu korrigieren und vorzubeugen. 13 Prozent können feststellen, ob es besser ist, Mitarbeiter von extern einzustellen, intern aufzubauen oder Freelancer einzusetzen. Auch andere Formen der Datenerfassung zu Employee Engagement nehmen zu: 61 Prozent der Unternehmen nutzen bereits heute Tools für Pulschecks bzw. regelmäßige Feedbacks und 33 Prozent planen, dieses Jahr in solche zu investieren.

Während bei Aufgaben, bei denen Geschwindigkeit und Skalierbarkeit im Mittelpunkt stehen, Maschinen den Menschen übertreffen, ist der Mensch nach wie vor überlegen, wenn die Überprüfung von Sinnhaftigkeit und Urteilsvermögen erforderlich sind – beides zentrale Elemente der ethischen Entscheidungsfindung. 60 Prozent der HR-Verantwortlichen sind zuversichtlich, dass sie sicherstellen können, dass Künstliche Intelligenz frei von Bias ist und keine Vorurteile institutionalisiert werden. Allerdings stecken Ethik-Kodizes über die Erfassung, Anwendung und Auswirkungen von Personalanalysen noch in den Kinderschuhen.

Gerade im Bereich Talent Assessment ist es wichtig, digitale Methoden und menschliche Intuition miteinander zu verbinden. Heute hat nur etwa jeder zweite Mitarbeiter (49 Prozent) positive Erfahrungen mit Beurteilungen gemacht und fand sie nützlich. „Unternehmen wissen heute mehr über menschliches Verhalten und Kognition als je zuvor. Wie sie diese Informationen sammeln und darauf reagieren, erfordert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit moralischen und ethischen Aspekten“, so Karwautz.

Energize the Experience: Das Thema „Employee Experience“, d. h. die Erlebnisse und Erfahrungen, die Mitarbeiter in ihrem Job machen, hat definitiv Einzug in die HR-Funktion gehalten. 74 Prozent der Unternehmen gestalten ihre Arbeit neu, um sich mehr auf die Mitarbeiter zu konzentrieren. Dennoch glauben nur 28 Prozent der C-Suite-Führungskräfte, dass sich Investitionen in die Employee Experience im Unternehmen auszahlen werden. Und obwohl 67 Prozent der Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber vertrauen, dass er sich um ihr Wohlergehen kümmert, verfügen nur 26 Prozent der HR-Verantwortlichen über eine Strategie für Gesundheit und Wohlbefinden. Nur 3 Prozent geben ab, dass sie eine vorbildliche Employee Experience bieten.

Dabei spielt das Thema eine Rolle. Mitarbeiter, deren Unternehmen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden ausgerichtet ist, sind mit doppelter Wahrscheinlichkeit motiviert. Und motivierte Mitarbeiter sind unerlässlich, um die Transformationsagenda eines Unternehmens zu verwirklichen: Sie bleiben mit größerer Wahrscheinlichkeit im Unternehmen, sind widerstandsfähiger und eher bereit, sich entsprechend weiterzubilden.

Zertifizierung von Künstlicher Intelligenz

Künstliche Intelligenz kommt bereits in vielen Branchen zum Einsatz. Um ihr wirtschaftliches und gesellschaftliches Potential auszuschöpfen, ist es wesentlich, das Vertrauen in KI-Systeme und die mit ihnen verbundenen Prozesse und Entscheidungen zu stärken. Eine mögliche Schlüsselvoraussetzung dafür ist eine Zertifizierung von KI-Systemen. Welchen Nutzen sie verspricht und welche Anforderungen sich mit Blick auf technische Umsetzung, Gemeinwohl und Erhalt der Innovationskraft stellen, skizzieren Expertinnen und Experten der Plattform Lernende Systeme in einem Impulspapier.

Das von einem interdisziplinären Autorenteam erstellte Impulspapier „Zertifizierung von KI-Systemen“ der Plattform Lernende Systeme beleuchtet nicht nur technische, sondern auch juristische und ethische Aspekte. „Eine Zertifizierung kann für eine Vielzahl von KI-Systemen dazu beitragen, ihr gesellschaftliches Nutzenpotenzial sicher und gemeinwohlorientiert auszuschöpfen. Damit dies im Einklang mit gesellschaftlich anerkannten Werten geschieht, muss eine Form von Zertifizierung gefunden werden, die von wichtigen ethischen Prinzipien geleitet wird, aber gleichzeitig auch ökonomische Prinzipien erfüllt, Überregulierung vermeidet sowie Innovationen fördert“, sagt Jessica Heesen, Leiterin des Forschungsschwerpunkts Medienethik und Informationstechnik am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen.

Download des Impulspapiers

Dieser Artikel stammt von unserem Partnerportal Industry of Things.

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