Kommentar von Christophe Zwaenepoel, SThree Wie Künstliche Intelligenz den IT-Arbeitsmarkt verändert
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Generative Künstliche Intelligenz (KI) sorgt für Aufbruchstimmung im Silicon Valley. Gleichzeitig zeichnen Wirtschaftsprognosen ein düsteres Bild des Arbeitsmarkts: Viele Jobs könnten der Automatisierung zum Opfer fallen. Wie wird der Siegeszug KI-basierter Tools die Arbeit von IT-Fachkräften verändern – und welche Chancen birgt er?

Anfang Mai 2023 sorgte eine Aussage des IBM-Chefs Arvind Krischna für Aufsehen: Der Computer-Konzern rechne damit, dass durch den Einsatz von KI in den folgenden fünf Jahren jede dritte Stelle in der Personalverwaltung eingespart werden könne. Viele offene Stellen werde der Konzern daher gar nicht mehr nachbesetzen. Diese Aussage passt in das Bild, das derzeit verschiedene Studien vom künftigen Arbeitsmarkt zeichnen: So prognostiziert unter anderem der Future-of-Jobs-Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF), dass es rund zwei Prozent aller derzeitigen Stellen 2027 nicht mehr geben wird – auch aufgrund des Einsatzes Künstlicher Intelligenz.
Nachrichten wie diese lösen bei vielen Arbeitnehmern die Sorge aus, über kurz oder lang von einer KI ersetzt zu werden. Doch ist das wirklich so einfach? Zwar hat das Leistungsvermögen gerade generativer KI-Anwendungen in den letzten Jahren unbestreitbar zugenommen. Mittlerweile kommen entsprechende Lösungen auch in den klassischen Bereichen der Wissensarbeit zum Einsatz, etwa im Journalismus, dem Rechtswesen oder eben in der IT. Doch gerade in dieser Branche hat sich das Arbeiten schon immer kontinuierlich verändert, haben große Entwicklungen wie das Aufkommen von Open Source oder des WWW grundlegend neue Maßstäbe gesetzt. Die Furcht vor Jobverlust ist also zu kurz gegriffen – und zugleich eröffnet der KI-Einsatz auch viele Chancen.
Neue Jobs durch neue Technologien
So dürften zum einen viele Jobs durch den Einsatz neuer Technologien überhaupt erst entstehen. Laut Future-of-Jobs-Bericht wird es bis 2027 beispielsweise rund 30 Prozent mehr Stellen für Datenanalysten, Machine-Learning-Spezialisten und Cybersicherheitsexperten geben. Schließlich werden weiterhin Fachkräfte benötigt, die die Anwendungen weiterentwickeln und einen sicheren Betrieb gewährleisten.
Im Fahrwasser der breitenwirksamen Anwendung neuer KI-Tools dürften sich zum anderen neue Berufsbilder etablieren. So entsteht mit Prompt Engineering beispielsweise gerade ein neuer Tätigkeitsbereich, der sich damit befasst, möglichst präzise Aufgabenbeschreibungen für KI-Anwendungen zu formulieren, um die Ergebnisse zu optimieren. Dies unterstreicht, dass die Fähigkeit, KI-Anwendungen effizient zu nutzen, immer wichtiger wird.
Unterstützung für Programmierer
Das gilt auch für das Programmieren: Längst gibt es KI-Assistenten, die in der Lage sind, Code automatisch zu vervollständigen. Mittlerweile sind einige in der Lage, selbst Code zu erstellen und mithilfe entsprechender Vorgaben funktionsfähige Computerprogramme zu schreiben. Andere Lösungen verbessern die Code-Qualität, indem sie ihn von überflüssigen Anweisungen oder Duplikaten säubern. Zudem erkennen sie Fehler und schlagen Verbesserungen vor.
Auch Dokumentationsaufgaben bei der Softwareentwicklung lassen sich automatisieren. Einige neue Lösungen können sogar automatisiert Beschreibungen für Pull Requests erzeugen, was den Entwicklungsprozess beschleunigt. Zudem ist es damit möglich, Textbeschreibungen in Code übersetzen zu lassen und analog zu einem Chatbot in natürlicher Sprache mit dem Tool zu interagieren. Auf diese Weise eingesetzt, fungiert KI im besten Fall wie ein kluger Kollege, der Entwicklern über die Schulter schaut und sie mit hilfreichen Tipps unterstützt.
Entlastungspotenzial besteht auch im Service- und Support-Bereich. Dort können z. B. Chatbots häufig gestellte Fragen automatisiert beantworten – und das im Vergleich zu menschlichen Mitarbeitern rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Diese höhere Responsivität schafft Vertrauen, stärkt die Reputation eines Unternehmens und erhöht die Zufriedenheit von Kundinnen und Kunden, Beschäftigten oder Bewerbern – je nachdem, wessen Fragen zu beantworten sind. Auch Anleitungen, Fachartikel oder Produkttexte lassen sich automatisiert verfassen, sodass die zuständige Person nur noch prüfen und redigieren muss. Auch administrative Aufgaben wie Reportings, Freigabeprozesse oder Dokumentationen lassen sich auf diese Weise effizienter und oft präziser erledigen, als es ein Mensch je könnte.
KI entlastet, braucht aber Anleitung
Lösungen wie diese können Zeit sparen und entlasten. Das kann IT-Teams helfen, den Fokus auf anspruchsvollere Aufgaben zu lenken, etwa strategische IT-Projekte abseits des Tagesgeschäfts. Zudem ist es möglich, mithilfe der KI-Unterstützung größere Projekte zu stemmen, die mehr Entwicklungsaufwand bedeuten.
Doch egal, um welche Anwendung es geht: Es braucht einen Menschen, der der Anwendung sagt, was sie zu tun hat, und die Ergebnisse der Aufgabe abschließend prüft. So kann generative KI z. B. sehr überzeugend lügen, wie die Halluzinationen von ChatGPT immer wieder unter Beweis stellen. Auch bei nicht-kreativen Arbeitsresultaten ist eine menschliche Qualitätssicherung unabdingbar, denn letztlich verfügt KI nicht über das nötige Urteilsvermögen, um den Kontext einer Aufgabe vollumfassend zu bewerten.
Darüber hinaus fehlen KI-Anwendungen momentan die Empathie und emotionale Intelligenz, die beispielsweise nötig wären, um Stimmungsbilder zu interpretieren oder zwischenmenschliche Beziehungen zu verstehen. Alles, was damit zu tun hat – seien es Kunden-Pitches oder Personalgespräche – wird bis auf Weiteres Aufgabe des Menschen bleiben. Gleiches gilt für strategische Weichenstellungen oder größere Geschäftsentscheidungen; schließlich können Algorithmen zwar Daten für die Entscheidungsfindung liefern, aber keine Verantwortung übernehmen. Die Komplexität der menschlichen Umwelt und die zwischenmenschliche Interaktion lassen sich technologisch schlicht noch nicht abbilden.
Gefragt sind Empathie, Kreativität und analytisches Denken
IT-Experten werden also auch künftig gefragt sein. Doch es ist zu erwarten, dass sich ihre Aufgaben und die damit verbundenen Anforderungen durch die wachsenden Einsatzmöglichkeiten von KI immer wieder verändern werden. Unternehmen sollten daher eine Kultur des Lernens etablieren, die regelmäßige Weiterbildungen ermöglicht und fördert. Eine grundsätzliche Bereitschaft zu lebenslangem Lernen hilft IT-Fachkräften dabei, in ihren Bereichen fit zu bleiben und neue Technologien sinnvoll für sich zu nutzen.
Da sich der Fokus des Arbeitens mit der zunehmenden Automatisierung repetitiver Routineaufgaben immer mehr hin zu strategischen, kreativen und sozialen Aufgaben verschiebt, werden Empathie, analytisches Denkvermögen und Kreativität wichtige Kompetenzen bleiben. Schließlich wird es immer stärker darum gehen, sich in Probleme hineinversetzen zu können, die richtigen Fragen zu stellen und auf diese Weise passende Lösungsansätze zu finden. KI-Anwendungen können dabei ein Schlüsselelement sein. Doch zu entscheiden wie, wann und mit welchem Zweck sie am besten einzusetzen sind, bleibt Aufgabe des Menschen.
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