Kommentar von Mario Zillmann, Lünendonk Warum datenbasierte Geschäftsmodelle immer noch scheitern

Autor / Redakteur: Mario Zillmann / Nico Litzel

Die fortschreitende digitale Transformation sorgt für ein zunehmendes Datenaufkommen. Die Bedeutung der anfallenden Daten und eine sinnvolle Datenauswertung respektive Interpretation werden für den Unternehmenserfolg zunehmend wichtiger und stellen einen immer stärkeren Wettbewerbsvorteil dar.

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Der Autor: Mario Zillmann ist Partner der Lünendonk GmbH
Der Autor: Mario Zillmann ist Partner der Lünendonk GmbH
(Bild: Lünendonk)

Neue digitale Geschäftsmodelle, die nicht mehr den klassischen Verkauf und die Wartung von Produkten, sondern vielmehr digitale Services fokussieren, ermöglichen den Unternehmen, Daten zu sammeln, zu analysieren und zu interpretieren. Auf Basis dieser Interpretation können wiederum neue digitale Geschäftsmodelle entwickelt und angeboten werden. Dies bedeutet auch, dass in zukünftigen Geschäftsmodellen die zugrunde liegende Datenbasis um ein Vielfaches höher sein wird als im Vergleich zu heutigen Geschäftsmodellen und Big/Smart Data Analytics eine unternehmenskritische Rolle zukommt.

Unternehmen jeder Art und Größe stellt sich derzeit allerdings die Frage, wie sie aus intern und extern verfügbaren Daten Mehrwerte in Form neuer Geschäftsmodelle, Effizienzverbesserungen und Innovationen überhaupt generieren können.

Bisher sind es vor allem die Hightech-Unternehmen aus dem Silicon Valley oder andere Start-ups, denen es sehr gut gelingt, Daten in Massen zu sammeln und daraus in kurzer Zeit immer neue Produkte und Services zu entwickeln. Ihr USP ist dabei, dass sie auf Grundlage einer erstklassigen Datenbasis, moderner Analyse-Tools und Echtzeit-Tracking sehr nah am Point of Sale und der Kaufentscheidung des Kunden sind – und Einfluss nehmen können. Ihre häufig sehr gute Datenbasis erlaubt es ihnen, ihr Portfolio immer besser auf die Bedürfnisse einzelner Konsumentengruppen zuzuschneiden und zielgruppenspezifisch zu vermarkten.

EInsatz von modernsten Technologien

Dazu setzen die Unternehmen im Marketing und Vertrieb auf modernste Technologien wie (Multi-)Cloud-Plattformen, Mobile Commerce, End-to-End-Integration digitale Lösungen in Marketing, Vertrieb und Supply Chain und eben auf Big Data Analytics.

Inwiefern es den Unternehmen aus der „alten Welt“gelingen kann, ähnliche Erfolge aus den zur Verfügung stehenden Daten zu erzielen, ist bisher weitestgehend unklar. Ihr Nachteil ist, dass ihre Organisations- und Prozessabläufe auf die „Vor-Digitalisierungszeit“ ausgerichtet sind und der Veränderungs- und Anpassungsprozess auf die Digitalisierung andauert.

Zurückhaltung bei datenbasierten Geschäftsmodellen

Lünendonk hat untersucht, wo deutsche Großunternehmen und Konzerne bei dem Angebot an datenbasierten Geschäftsmodellen stehen. Keines der befragten Unternehmen setzt derzeit „sehr stark“ darauf. Über die Hälfte aller Unternehmen bieten bisher gar keine datenbasierten Geschäftsmodelle an. Obwohl Daten im Überfluss vorhanden sind, hat eine Monetarisierung der vorhandenen Daten in der Praxis bisher kaum stattgefunden.

Bedeutung von Big/Smart-Data steigt

Bei der Frage nach der Umsetzungsphase hinsichtlich ihrer Big-/Smart-Data-Analytics-Strategie ergibt sich laut Lünendonk-Studie „Digitalisieren Sie schon?“ ein überwiegend dreigeteiltes Bild. 33 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass sie sich in der Umsetzungsphase befinden. Bei immerhin 31 Prozent der Unternehmen ist die Big-/Smart-Data-Analytics-Strategie bereits seit mehr als einem halben Jahr in Betrieb. 28 Prozent der Befragten bringen ihre jeweilige Strategie gerade in den Live-Betrieb. In der Planungsphase befinden sich somit lediglich 8 Prozent der untersuchten Unternehmen.

Im Zuge der Digitalisierung fallen immer größere Datenmengen von Kunden an, die Unternehmen eine große Chance bieten, den Kunden und dessen Bedürfnisse besser zu verstehen. Auf Basis der Analyse der Daten lassen sich individuelle und für den Kunden maßgeschneiderte Lösungen entwickeln. Die Befragung zeigt, dass momentan 32 Prozent der untersuchten Unternehmen der Aussage „voll zustimmen“, wonach in ihrem Unternehmen Kundendaten gesammelt und analysiert werden. Weitere 28 Prozent der Unternehmen stimmen dieser Aussage „eher zu“. In zwei Jahren soll sich die Anzahl derer, die Kundendaten sammeln und analysieren, auf insgesamt knapp 90 Prozent erhöhen.

Mithilfe der Analyse von Daten lassen sich nicht nur Sachverhalte analysieren. Vielmehr können auf Basis von Daten auch Vorhersagemodelle entworfen werden, die es Unternehmen ermöglichen, ihre Geschäftsmodelle frühzeitig auf sich anbahnende Veränderungen anzupassen oder gänzlich neu auszurichten. Momentan nutzen knapp 50 Prozent der befragten Unternehmen Daten für analytische Zwecke, beispielsweise für Predictive Maintenance.

Ein prominentes Beispiel, wie sich Industrieunternehmen zu Anbietern von digitalen Services transformieren können, ist Bosch. Das Unternehmen hat eine eigene IoT-Cloud-Plattform entwickelt und im Bereich der Verkehrssteuerung und der Landwirtschaft mit der Vermarktung der ersten Services begonnen. Im Kern geht es darum, dass alle Produkte des Konzerns über Sensoren mit dem Internet verbunden sind und – je nach Anwendungsfall – miteinander kommunizieren können. In relativ kurzer Zeit hat es Bosch also geschafft, ein marktfähiges datenbasiertes Geschäftsmodell zu entwickeln und zu vermarkten. Auch andere Konzerne wie Siemens oder die großen Automobilhersteller haben entsprechende Strategien, um ihre Daten besser zu nutzen.

Ein Drittel der Unternehmen befindet sich in er Umsetzungsphase (Frage: In welcher Umsetzungsphase befindet sich Ihr Unternehmen? Relative Häufigkeit, n = 103)
Ein Drittel der Unternehmen befindet sich in er Umsetzungsphase (Frage: In welcher Umsetzungsphase befindet sich Ihr Unternehmen? Relative Häufigkeit, n = 103)
(Bild: Lünendonk)

Es scheitert oft an der Umsetzung

Unternehmen wollen Big/Smart Data Analytics konsequent ausbauen (Frage: In welcher Umsetzungsphase befindet sich Ihr Unternehmen? Skala von 1 = „stimme gar nicht zu“ bis 5 = „stimme voll zu“, relative Häufigkeit, n = 103)
Unternehmen wollen Big/Smart Data Analytics konsequent ausbauen (Frage: In welcher Umsetzungsphase befindet sich Ihr Unternehmen? Skala von 1 = „stimme gar nicht zu“ bis 5 = „stimme voll zu“, relative Häufigkeit, n = 103)
(Bild: Lünendonk)

Zwar gelingt es den Unternehmen der „alten Welt“ häufig gut, die Vision zu erkennen, was mithilfe von Echtzeitdaten grundsätzlich alles möglich ist und eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln. Immerhin gehört es mittlerweile für Top Manager zum guten Ton, dem Silicon Valley einen Besuch abzustatten und sich damit als Innovator zu positionieren. Im Rückreisegepäck haben die Manager dann viele neue Ideen und Tatkraft.

Nur verpuffen solche Reisen viel zu häufig, da es zu Hause nicht gelingt, die bisherigen Organisationsstrukturen den Anforderungen an Digitalisierungsprojekte anzupassen. Denn hierbei kommen Design Thinking, DevOps oder Scrum als agile Projektmanagementmethode sehr stark zum Einsatz. Klassische Hierarchie- und Zusammenarbeitsmodelle behindern solche Methoden und die damit verbundene flexible und schnelle Projektumsetzung.

Die Folge: Die digitale Transformation hakt an vielen Stellen. Entsprechend sind Entwicklungszeiten von mindestens 24 Monaten für digitale Dienste auch eher die Regel als die Ausnahme. Und wer innerhalb eines Jahres eine Geschäftsmodellinnovation auf Datenbasis zur Marktreife bringt, wird sogar als Innovationsvorreiter gefeiert.

Schnelles Umdenken erforderlich

Die Unternehmen aus der Start-up- und Silicon-Valley-Szene schaffen es dagegen deutlich schneller, neue Ideen marktfähig zu machen. Ihr Vorteil ist, dass sie von Beginn an agile Methoden nutzen sowie die Cloud als flexible und hochskalierbare IT-Sourcingvariante. Auch ist ihnen das klassische „Abteilungsdenken“fremd und die Strukturen sind per se auf Collaboration ausgelegt. Davon können Unternehmen aus der „alten Welt“ lernen und durch eigentlich einfache Veränderungen massive Fortschritte erzielen.

So lässt sich das Silodenken in einigen Bereichen schnell auflösen. Beispielsweise arbeiten Softwareentwickler und Testmanager in unterschiedlichen Teams; ein Umstand, der agile Projekte sowie Scope-Veränderungen und Sprints behindert. Moderne Collaboration-Software verbessert jedoch die Kommunikation zwischen mehreren Teams und externen Partnern deutlich.

Einer der wichtigsten Faktoren, warum die Entwicklung von Innovationen rund um datenbasierte Geschäftsmodelle zu lange dauert oder komplett scheitert, ist jedoch die Management-Mentalität: Es liegt nicht in ihrer „DNA“, Dinge einfach auszuprobieren, losgelöst von hierarchischer Abstimmung und Freigabe oder Wirtschaftlichkeit-KPIs.

Der Erfolg von google, Tesla, Zalando, Uber und Co. und ihre disruptive Kraft ist jedoch enorm und sollte für die „Old-School-Unternehmen“ vor allem zwei Dinge bedeuten:

  • 1. Die Technologien sind alle da und wollen nur intelligent genutzt werden.
  • 2. Just do it.

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