Highlights der World AI Conference 2023 Foundation Models, Regulierung und die Zukunft von KI

Von Carsten Kraus Lesedauer: 6 min |

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Vom 9. bis 11. Februar 2023 fand das World Artificial Intelligence Festival in Cannes statt. Die weltweit klügsten Köpfe der Szene diskutierten Chancen, Trends, Herausforderungen und Strategien. Von Foundation Models über die Frage nach der Regulierung von KI bis hin zu deren Potenzial für die Zukunft – der deutsche KI Experte Carsten Kraus war als Speaker vor Ort in Cannes und gibt Einblicke in die Highlights aus drei Tagen.

Das World Artificial Intelligence Festival WAICF vom 9. bis 11. Februar 2023 war eines der größten KI-Events des Jahres.
Das World Artificial Intelligence Festival WAICF vom 9. bis 11. Februar 2023 war eines der größten KI-Events des Jahres.
(Bild: Carsten Kraus)

Ein Roboterhund läuft den roten Teppich in Cannes herunter, der erste Roboter-Bürger aus den Vereinigten Arabischen Emiraten freut sich auf ein Gespräch und an jeder Ecke gibt es die neuesten Technologien zu bestaunen. Das World Artificial Intelligence Festival (WAICF) vom 9. bis 11. Februar 2023 war eines der größten KI-Events des Jahres. Die Diskussionspunkte: Von der Lösung der größten Herausforderungen und Hürden über die Frage nach Gesetzen und Regulierung bis zum Potenzial von Künstlicher Intelligenz für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt.

KI im Spannungsfeld zwischen Transparenz und Effizienz

Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Zukunft zu verändern – vor allem, wenn deren größte Herausforderungen gelöst werden. Denn sowohl auf dem WAICF als auch im allgemeinen Diskurs zum Thema KI zeigt sich immer wieder ein großes Spannungsfeld: Auf der einen Seite stehen Forderungen nach dem Schutz persönlicher Daten, transparenten und nachvollziehbaren Modellen und der Wunsch nach Regulation. Auf der anderen Seite möchten Deutschland und Europa Vorreiter in Sachen Künstlicher Intelligenz werden, die Forschung vorantreiben und bessere Modelle entwickeln.

Gerade hier besteht allerdings das Problem: Strenge Vorgaben zur Regulation und Transparenz, auch wie sie durch den AI Act der EU angedacht sind, erschweren Unternehmen nicht nur die Entwicklung von KI-Lösungen, sie verhindern faktisch auch deren Einsatz. Weil wiederum nur in Europa – und nicht weltweit – reguliert wird, wird Europa bald noch weiter abgehängt – inklusive wirtschaftlicher Folgen. Eine mögliche Lösung läge in einer globalen KI-Strategie.

Einen anderen interessanten Ansatz zur Regulierung von KI stellt Stuart Russell, Autor des Standardwerks „Artificial Intelligence: A Modern Approach“ auf der WAICF vor: Wenn man eine Artificial General Intelligence steuern möchte, sollte man vermeiden, dies mittels KPIs zu tun. Stattdessen müsse man das sogenannte „Assistance Game“ aus der Spieltheorie spielen – damit die Maschine weiß, dass die der Menschheit Gutes tun möchte, dabei aber selbst herausfinden muss, wie sie das tut.

Federated Learning – die Lösung für den Einsatz von KI in der Medizin?

Ein großer Teil der WAICF widmete sich der Frage nach der Zukunft Künstlicher Intelligenz und deren Auswirkungen auf unser tägliches Leben. Denn längst verändert KI nicht mehr nur einzelne Industrien. Wie kann die Technologie neue Durchbrüche in der Medizin ermöglichen und wie kann sie eingesetzt werden, um den größten Problemen unserer Zeit, beispielsweise dem Klimawandel, entgegenzuwirken? Die kurze Antwort: Indem die Möglichkeiten kreativ und offen eingesetzt werden und indem man sie für Gutes statt Schlechtes nutzt. Doch wie sieht das in der Realität aus?

In der Medizin kann KI Leben retten – ist aber noch immer durch den limitierten Austausch persönlicher Daten aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken begrenzt. Eine mögliche Lösung läge im Federated Learning: Hierbei werden nicht konkrete Daten ausgetauscht, sondern nur das daraus Gelernte. Die Persönlichkeitsrechte sind dabei gesichert, während medizinischer Fortschritt durch KI ermöglicht wird. Auch hierbei hat man allerdings nicht die volle Kontrolle über das KI-Modell – wir stehen also wieder vor dem Problem des bereits erläuterten Spannungsfeldes. Meine Forderung: Wir benötigen in der Gesetzgebung ein echtes Verständnis für die Technologie.

Umwelt und Nachhaltigkeit im Fokus

In Bezug auf Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit liegt eine Idee in einem Modell multidisziplinärerer Zusammenarbeit zwischen den wichtigsten KI-Akteuren: Forschungsteams, Unternehmen, Regierungen und Bürgern. Denn das Potenzial ist groß: Die Technologie kann Energiesysteme managen, Stromnetze stabilisieren und nachhaltige Lösungen bei einem besseren Pricing ermöglichen. Vor allem mittels maschinellen Lernens könnten KI-Systeme riesige Datenmengen verarbeiten, Muster erkennen und Vorhersagen treffen, die für Menschen nicht absehbar sind.

Gleichzeitig wird die KI selbst immer energieeffizienter – durch effiziente Algorithmen und Hardware oder die Neural-Cache-Technik. Bei der Bilderkennung bzw. Erkennung von Objekten in Bildern brachte das Ersetzen von R-CNN durch schnellere Algorithmen wie SSD oder YOLO beispielsweise einen Faktor von mehr als zehn bei der Ausführgeschwindigkeit, was den Energieverbrauch ebenfalls um den Faktor zehn reduzierte.

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Die Neural-Cache-Technik wiederum wird zur Verbesserung neuronaler Sprachmodelle entwickelt. Das Modul wird im KI-System zur Sprachmodellierung eingesetzt und speichert Daten und frühere Ergebnisse so, dass sie schnell und einfach abgerufen werden können, ohne neu berechnet werden zu müssen. Das verringert nicht nur die Ladezeiten des Systems, sondern spart auch erheblich Energie und ist vor allem bei KI-Systemen nützlich, die große Datenmengen verarbeiten oder komplexe Berechnungen durchführen. Die Firma HawAI.tech, die ebenfalls mit einem Stand auf dem WAICF vertreten war, bietet beispielsweise eine Hardware an, die die Fähigkeiten probabilistischer KI verbessern und zehnmal weniger Energiebedarf haben als bisherige Lösungen.

Hidden Champions und eine neue Generation an KI-Talenten

Natürlich benötigt es auch die richtigen Talente und Menschen, um das Potenzial der Technologie weiter auszuschöpfen. In Deutschland und Europa gibt es aktuell viele Hidden Champions, die in ihrer Nische weltweit führend sind. Wir bringen einige der klügsten Köpfe der Branche hervor und stehen dennoch vor der Herausforderung, diese durch verschiedene ungünstige Gegebenheiten zu verlieren – an bessere Arbeitsbedingungen, höhere Förderungen oder freiere Entfaltungsmöglichkeiten. Dass eine neue Generation an KI-Talenten entsprechend gefördert werden will, zeigte sich ebenfalls im Rahmen der WAICF. Eine der Ideen: Eine Pipeline von KI-Talenten und -Projekten, der Aufbau von KI-Exzellenzzentren und die Stärkung von KI-Ökosystemen – beispielsweise durch zielgerichtete Unterstützung aus der Regierung.

ChatGPT ist nur der Anfang, die Zukunft liegt in Foundation Models

Chatbots, NLP, Computer Vision, Deep Learning – die zentralen Themen auf der WAICF geben bereits einen direkten Ausblick auf die Technologien und Lösungen, die die Zukunft der KI bestimmen werden. Mit dem Release von ChatGPT sind vor allem Language Models maximal in den Fokus der Öffentlichkeit getreten – auf der WAICF sind die Meinungen zum Modell gespalten. Yann Le Cunn, Chief AI Scientist bei Meta, kritisierte beispielsweise, wie dumm aktuell gehypte KIs wie ChatGPT noch sind, und stellte mit JEPA („Joint Embedding“) eine neue Architektur vor, die im Reasoning signifikant besser sein soll.

Auch ich bin sicher, das ChatGPT nur der Anfang ist: In der Bilderkennung hat sich der große Vorteil vortrainierter Modelle bereits manifestiert. Man nutzt auf Millionen von Bildern vortrainierte Modelle, um dann per Transfer Learning ihre speziellen Themen hinzuzufügen. Dadurch werden weitaus weniger konkrete Bilder benötigt. In größerem Umfang passiert das gleiche gerade für Sprache durch die GPT-Modelle (GPT = Generative Pretrained Transformer). GPTs können grundsätzlich auch für andere Sequenzen trainiert werden, oder man repräsentiert andere Themen durch eine Art „Verprachlichung“. So werden in sogenannten multimodalen Modellen wie DALL-E Bilder repräsentiert. Nach meiner Einschätzung werden wir bereits 2023 weitere Anwendungen von Foundation Models sehen, die weit über Sprache und Bilder hinausgehen, denn auch Geschäftsprozesse und Fertigung erzeugen Datensequenzen.

Das wahnsinnige Potenzial von Foundation Models hebt auch Thomas Weber von Huawei in seiner Keynote hervor. Er ist sich sicher: Wir befinden uns aktuell in einer Phase der Industrialisierung von KI und die Adoptionsrate wird von aktuellen 4 Prozent auf 85 Prozent steigen – unter anderem durch Foundation Models schon bis Ende 2024. Auch der Bundesregierung liegt ein Vorschlag des Bundesverbands KI vor, ein für alle verfügbares Rechenzentrum für große KI-Modelle einzurichten („LEAM“ – Large European AI Models).

Der Autor
Carsten Kraus beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Künstlicher Intelligenz und entwickelte bereits als Jugendlicher seine erste Innovation, eine neue Kernstruktur für Programmiersprachen. Der Business Angel, Seriengründer und deutsche KI-Experte ist Mitglied Forbes Technology Council und möchte mit seinem aktuellen Projekt, der KI-Software Casablanca, den natürlichen Blickkontakt in Videocalls wiederherstellen.

Bildquelle: Berthold Steinhilber/laif

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