Smart City Die Plattform entscheidet
Smart Citys sind ein wichtiges Anwendungsgebiet von IoT- und Big-Data-Technologien. Eine aktuelle Untersuchung, die das Beratungsunternehmen Arthur D. Little und der eco-Verband der Internetwirtschaft e. V. durchgeführt haben, zeigt: Deutschland hängt eher noch hinterher.
Anbieter zum Thema

Die bedeutende Rolle, die das Internet, IoT und Big Data bei der Entwicklung intelligenter Städte (Smart Cities) spielen, betont die Studie „Der deutsche Smart City Markt 2017 – 2022“. Das Beratungsunternehmen Arthur D. Little und eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. haben Materialien ausgewertet und Experten befragt, um zu ihrer Prognose hinsichtlich der möglichen Entwicklung des deutschen Smart-Cities-Marktes zu kommen.
Das Ergebnis: Das Umsatzvolumen dieses Marktsegmentes soll von 20,4 Milliarden Euro 2017 bis auf 43,8 Milliarden Euro 2022 wachsen, jährlich also im Durchschnitt um 16,5 Prozent zulegen, was bei aufstrebenden Branchen eher maßvoll ist. Zum Vergleich: Ein anderer aufstrebender Markt, 3D-Druck wuchs in den vergangenen Jahren jährlich über 30 Prozent. Der Maschinenbau dagegen, einer der deutschen Leitbranchen, erwirtschaftete 2016 laut Statistica 220 Milliarden Euro – er soll aber im Jahr 2017 laut VDMA nur um ein Prozent zulegen.
Die Studie identifiziert Frankfurt, Berlin und München als die führenden Smart-City-Städte in Deutschland. Weltweit allerdings liegen laut der Untersuchung Dubai, Barcelona, Nanjing und Singapur vorn. Und insgesamt stecke der Markt noch in den Kinderschuhen. Dass Dubai hier die Nummer 1 ist, dürfte nicht nur am Fortschrittsgeist des durch Öl reich gewordenen Wüstenstaates liegen, sondern auch an seinen tiefen Taschen: Während weltweit viele Kommunen knausern müssen, muss man in Dubai eher weniger über die Kosten von Innovationen nachdenken.
Kein einheitlicher Markt
Bei näherer Betrachtung zeigt es sich, dass sich Smart City nur schwer als einheitlichen Markt begreifen lässt. Vielmehr erfolgt die Anwendung intelligenter Technologien bei vielen Akteuren aus unterschiedlichen Branchen. Besonders hoch werden, wenn die Studie Recht behält, die dem Bereich Smart City zugeschlagenen Investitionen im Bildungsbereich ausfallen, hier liegt die jährliche Wachstumsrate bis 2022 bei 26,7 Prozent. Auf Platz 2 liegt die Gebäudeautomatisierung mit 21.1 Prozent, auf Platz 3 die öffentliche Verwaltung mit 19,7 Prozent, gefolgt von Gesundheit mit 19 Prozent und Transport und Logistik mit 18,7 Prozent durchschnittlicher Wachstumsrate bis 2022.
Zahlen darüber, welche Hard- und Softwarebranchen am meisten von dem erwarteten Boom profitieren werden, gibt es nicht, aber die Studie sieht in den Anbietern von Smart-City-Plattformen, -Anwendungen und -Dienstleistungen für Endkunden eindeutige Gewinner, während die Anbieter physischer Infrastruktur eher Bedeutung verlieren. Kommunikationsdienste und Netzwerksicherheit allerdings erreichen 2017 laut der Untersuchung einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro und wachsen zukünftig mit 13 Prozent.
Wichtige Treiber der Entwicklung sind der Versuch, Verkehrschaos und schlechter Luft durch intelligente Verkehrslenkung, Verbundmodelle und Sharing der Verkehrsmittel entgegenzutreten – alles ohne Internet-basierende Smart-City-Technologien undenkbar. Wachstumsimpulse gehen auch von der Gebäudeautomatisierung in Industrie und Gewerbe und der Durchdringung mit Smart-Home-Technologien im Privatsektor aus – einschließlich der bis 2020 durch EU-Richtlinie vorgeschriebenen Ausstattung von rund 80 Prozent der Haushalte mit Smart Metern. Sie soll vor allen Dingen das Marktsegment „Energie“ innerhalb des Smart-City-Marktes beflügeln. Rund 20 Prozent der Haushalte sollen laut Arthur D. Little bis 2017 bei mit Smart-Home-Technologien ausgerüstet sein, heute befindet sich dieser Wert im einstelligen Bereich. Im Gesundheitsbereich ist vor allem der rasante Verkaufsanstieg bei tragbaren Gesundheitsgeräten ein Indikator für intelligente Vernetzung.
Komplexe Wertschöpfungsketten
Die Studie betont die Komplexität der Wertschöpfungsketten im Smart-City-Geschäft, die es kaum einem Unternehmen allein gestatten, Aufgaben zu lösen. Vielmehr müssen viele Akteure zusammenspielen, damit eine übergreifende Lösung zustande kommt. Sie beginnt beim intelligenten Endpunkt, beispielsweise SIM-Karten oder Sensoren, und traditionellen Geräten, etwa Straßenlampen, die mit solchen intelligenten Endpunkten und Kommunikationstechnik aus- oder aufgerüstet werden. Weil die Produzenten der Endpunkte aus anderen Märkten – etwa Verkehrs- oder Beleuchtungstechnik – kommen als die Hersteller und Anbieter intelligenter Endpunkte, müssen hier vollkommen neue Ebenen und Wege der Kooperation geschaffen werden. Dann werden diese Elemente vernetzt, um Daten an eine Steuerzentrale und Services in die Gegenrichtung zu transportieren.
Daten und Services durchfließen eine mehrschichtige Plattform-Hierarchie, auf der die benötigten Anwendungen lagern, um beispielsweise die Daten zu analysieren und die nötigen Reaktionen auszulösen oder angefragte Dienste bereitzustellen. Meist sind Systemintegratoren dafür zuständig, dieses komplexe Gefüge zu einer einheitlichen Lösung zusammenzuschweißen. Schließlich sind in der Regel weitere Dienstleister involviert, die etwa den Vertrieb der Lösungen oder die Abrechnung gegenüber den Endkunden übernehmen. Kooperation wird also im Smart-City-Markt groß geschrieben.
Eine besonders wichtige Rolle werden in Zukunft laut der Studie übergreifende Smart-City-Plattformen spielen, in denen alle Datenströme zusammenlaufen und über die Systeme untereinander Informationen austauschen. Wegen der vielfältigen involvierten Systeme müssen solche Plattformen unbedingt offen gestaltet sein. Diese Plattformen haben laut der Untersuchung in der Regel drei Ebenen: einmal die IoT-Plattform als Eingangstor für Daten, die auch das Management der Endpunkte übernimmt, sodann eine analytische und Entwicklungsebene, auf der Daten ausgewertet werden und über deren offene Schnittstellen die Entwickler von Diensten und Anwendungen auf das Konvolut analysierter Daten zugreifen können, um daraus Lösungen zu bauen. Auf der Serviceebene schließlich werden den Endkunden Applikationen bereitgestellt, die sie über eine Webschnittstelle bedienen können. Derzeit wird laut Studie aber dieser Plattformgedanke nur sehr selten konsequent umgesetzt – es dominieren Insellösungen, was zeigt, wie wenig entwickelt der Markt noch ist.
Erfolgsfaktoren und Marktchancen für Deutschland
Schließlich befasst sich die Studie mit Erfolgsfaktoren und Marktchancen für deutsche Unternehmen und Städte. Laut Arthur D. Little brauchen die Städte eine klare Vision dessen, was sie erreichen wollen als Richtschnur für ihre Aktivitäten. Nötig sei ein starkes Steuerungsmodell, das im Stande ist, parallele Aktivitäten zu koordinieren und zu vernetzen. Die Leitung des Projekts sollte selbst entscheidungsbefugt sein. Alle Smart-City-Initiativen einer Stadt sollten über eine Abstraktionsschicht unter einer einheitlichen Plattform integriert werden, bleibe es bei mehreren Plattformen, müssten diese zumindest eng vernetzt werden.
Das Gleiche gilt für die unterliegenden Datenbanken – optimal sei eine. Die Implementierung der geplanten Initiativen sollte mehrstufig erfolgen und nach finanzwirtschaftlichen Methoden priorisiert und in einem Aktionsplan formuliert werden. Schließlich sei eine Kommunikationsstrategie nötig, die die Vorteile des Vorhabens breiten Kreisen verständlich macht und die angebotenen Services vermarktet.
Fazit
Unternehmen, die im Smart-City-Markt aktiv sein wollen, müssen, so die Untersuchung, langfristig denken und brauchen die Unterstützung des Top-Managements. Letztlich müsse die gesamte Organisation hinter der Smart-City-Strategie stehen. Das Betriebsmodell solle so angepasst werden, dass traditionelles und Smart-City-Geschäft integriert werden können. Vertikale und horizontale Initiativen sollten gleichzeitig vorangebracht werden, wobei das Ziel sei, verstärkt zu horizontalen Lösungen zu kommen. Es sollte ein Serviceportfolio entwickelt werden, was die Interessen aller Stakeholder berücksichtigt – dazu gehöre auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Jedes Unternehmen sollte seine Kernkompetenzen im Management- und Technologiebereich definieren und den Rest der nötigen Fähigkeiten durch die Kooperation mit strategischen Partnern dazugewinnen. Technologischer Ansatzpunkt seien die vorhandenen Systeme und Kompetenzen. Wichtige Differenzierungsmerkmale im Wettbewerb bildeten Sicherheit und stabiler Betrieb.
(ID:44813217)