Kommentar von Jörg Migende, BayWa AG Warum die Speerspitze der Digitalisierung in der Landwirtschaft liegt

Von Jörg Migende |

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Landwirtschaft weckt bei manchen Menschen Assoziationen von Bauernhofromantik. Dabei hat die Agrarbranche in Sachen Technisierung und Digitalisierung eine beispiellose Entwicklung hingelegt. Lösungen, die heute in der Branche umgesetzt werden, tragen zur Nahrungsversorgung überall auf der Welt bei und fördern eine nachhaltige Landwirtschaft.

Der Autor: Jörg Migende ist Chief Development Officer Agrar bei der BayWa AG
Der Autor: Jörg Migende ist Chief Development Officer Agrar bei der BayWa AG
(Bild: © Enno Kapitza)

Die globale Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Wie wird eine wachsende Weltbevölkerung von zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050 angesichts begrenzt verfügbarer Ackerflächen satt? Wie lässt sich die Landwirtschaft nachhaltig und ressourcenschonend, aber dennoch ökonomisch sinnvoll gestalten? Die Digitalisierung führt hier auf den richtigen Weg. Das Spektrum der digitalen landwirtschaftlichen Technik ist weit: Betriebsmittel werden nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip ausgebracht, sondern mithilfe von Satellitendaten spezifisch nach Bedarf; Roboter und Drohnen erledigen mühsame Arbeit auf dem Feld; im Stall dosiert der Computer die optimale Futterration für die Tiere; Betriebssoftware unterstützt den Landwirt im Büro beim Management seiner Flächen. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Vorreiter ist die Landwirtschaft etwa bei der Nutzung von Satellitendaten und GPS. Der Hilfe aus dem All bedient sich die Landtechnik schon seit Jahrzenten. Die satellitengestützte Spurführung für Traktoren ist seit Beginn der 2000er-Jahre auf dem Markt. In den letzten Jahren nahm die Verbreitung dieser Spurführsysteme stark zu. Vor allem in Ackerbauregionen gehören sie heute nahezu zur Standardausrüstung bei neuen Traktoren. Mehr als die Hälfte der heute ausgelieferten Profitraktoren ab 120 PS nutzen die satellitengestützte Spurführung. Damit können Traktoren ihre Fahrten über den Acker genau austarieren, sodass keine Spur doppelt befahren werden muss. Für den Fahrer der Maschine bedeutet das System zudem eine enorme Arbeitserleichterung, vor allem beim Wenden. Durch den zusätzlichen Einsatz von Echtzeit-Korrektursignalen kann die Fahrt sogar eine Spurgenauigkeit von bis zu +/-2 cm erreichen.

GPS macht auch bewährte Methoden im Kampf gegen Schädlinge, etwa den gefährlichen Maiszünsler, effizienter. In den vergangenen Jahren nahm die Nachfrage nach der biologischen Maiszünslerbekämpfung „von oben“ deutlich zu. GPS-gesteuerte Drohnen überfliegen das Maisfeld und werfen in definierten Abständen Kapseln mit Eiern der Schlupfwespe ab. Die Schlupfwespe parasitiert den Maiszünsler und macht ihm so den Garaus. Was sonst per Handarbeit und mit hohem Zeitaufwand zu tun ist – der Landwirt geht durchs Feld und hängt alle zehn Meter eine Karte mit Schlupfwespeneiern auf – schaffen Drohnen wesentlich schneller: 10.000 Quadratmeter in drei Minuten.

Präzision aus dem All

Relativ neu ist die satellitengestützte Bewirtschaftung eines Ackers. Hier geht es darum, einen Ackerschlag genau zu analysieren. Innerhalb eines Schlags kann die Qualität von Boden und Pflanzenaufwuchs stark variieren – die homogene Fläche gibt es selbst auf kleinen Ackerschlägen nicht. Diese Unterschiede werden in den Analysen herausgearbeitet und der optimale Bedarf an Dünger, Wasser oder Saatgut auf den verschiedenen Zonen des Ackers ermittelt. Die sogenannte „teilflächenspezifische“ Düngung, Aussaat oder Bewässerung schafft es so, sich genau an den Bedarf der Pflanzen auf den jeweiligen Teilflächen zu halten. Weder zu viel noch zu wenig Betriebsmittel werden ausgebracht.

Gewinner ist hier unter anderem der Gewässerschutz: Durch die teilflächenspezifisch optimierte Düngung gelingt es, dass die Pflanzen nicht überdüngt und damit weniger Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen wird. Praktisch umgesetzt werden kann dies mit zweierlei Methoden: entweder durch die Auswertung von Satellitendaten und dem Abgleich derselben mit Pflanzenwachstumsmodellen; oder durch Bodensensoren, die das Spektrum des von Pflanzen reflektierten Lichts analysieren und so den aktuellen Stickstoffbedarf bestimmen.

Zu den wichtigsten jüngeren Entwicklungen gehört die Robotik auf dem Acker: Autonom fahrende Agrarroboter säen, ernten oder hacken im Gemüsefeld. Dies spart Zeit, führt zu einer Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und kompensiert den Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft. Der Roboter fährt elektrobetrieben und GPS-gesteuert mit bis zu vier Stundenkilometern über das Feld. Er hackt Beikraut zwischen den Gemüsereihen und neuerdings, dank Kameratechnik, auch in der Reihe zwischen den Pflanzen. Interesse an Hackrobotern bekundet aktuell der arbeitsintensive Sonderkulturenbereich, etwa Obst- und Gemüsebauern. Ein geländegängiger Roboter für den Weinbau ist ebenfalls bereits auf dem Markt: der „Ted“ hackt Beikraut im Weinberg.

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Digitalisierung ist keine Zukunftsmusik

Die Digitalisierung in der Landwirtschaft wird unaufhaltsam voranschreiten. Laut einer repräsentativen Studie vom April 2020 im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, des Deutschen Bauernverbandes und der Landwirtschaftlichen Rentenbank setzen bereits 82 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland digitale Technologien ein; die wichtigsten sind Fütterungssysteme, GPS-gesteuerte Landmaschinen, Agrar-Apps sowie Farm- und Herdenmanagementsysteme. 81 Prozent sind überzeugt, die Digitalisierung steigere die Produktionseffizienz, 79 Prozent sehen darin körperliche Entlastungen und 57 Prozent haben dadurch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben erreicht. Besonders wichtig wird die Digitalisierung laut den Landwirten im Kampf gegen den Klimawandel: 93 Prozent sind überzeugt, dass durch sie Ressourcen gespart werden können.

Noch gibt es Hindernisse bei der weiteren Digitalisierung in der Landwirtschaft. Um das Potenzial von Digital Farming umfassend nutzen zu können, ist flächendeckend schnelles Internet eine Grundvoraussetzung. Der Aufbau von Mobilfunknetzen im 5G-Standard in enger Verzahnung mit der Glasfaserstruktur muss gerade im ländlichen Raum vorangebracht werden. Für den Betrieb autonom fahrender Roboter ohne menschliche Aufsicht fehlt nach wie vor der rechtliche Rahmen. Und es wäre wichtig, digitale Themen in der Aus- und Weiterbildung des Landwirts zu verankern.

Entscheidend für die weitere Digitalisierung in der Landwirtschaft wird zudem sein, die Schwelle für den Einstieg in digitale Angebote möglichst niedrig zu halten. Landwirte sind technikaffin. Sie wollen aber einen Ansprechpartner, der von der Satellitenkarte über die Pflanzenbauberatung bis hin zur Landtechnik die Klaviatur beherrscht. Und ihnen aus einer Hand integrierte Lösungen anbietet.

Fazit

Nahrungssicherung, mehr Nachhaltigkeit, Boden- und Gewässerschutz – hier leistet die Digitalisierung einen enormen Beitrag. Für den Landwirt bedeutet das auch, die steigenden gesellschafts- und umweltpolitischen Anforderungen an ihn besser bewältigen zu können.

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