Digitale Transformation So funktionieren datengetriebene Geschäftsmodelle mit Big Data
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Daten sind das neue Öl, das Herzblut der Digitalen Transformation. Einige der erfolgreichsten Marktakteure sehen darin eine neue Quelle der Wertschöpfung für eine neue Generation von Geschäftsmodellen.

Die Anforderungen von Unternehmen an Big Data Analytics würden kontinuierlich steigen, beobachtet das Forschungsinstitut Gartner in einem Bericht. Doch ungeachtet aktueller Geschäftsprioritäten würden viele Führungskräfte ihre Energie mit Datenverarbeitungsprojekten verbringen, die nicht mit den Geschäftszielen ihrer Organisationen verbunden seien, bejammern die Analysten. Doch es geht auch durchaus anders. Einige Vorreiter der digitalen Transformation haben es ja bereits schon vorgemacht – so der Daimler-Konzern etwa.
Datengetriebene Wertschöpfung auf der Überholspur
Am Standort Berlin-Marienfelde baut Daimler ein Kompetenzzentrum für Digitalisierung auf, einen Digital Factory Campus für die Entwicklung, Erprobung und Implementierung von Software-Applikationen. Daimler hat sich hierzu mit Siemens zusammengeschlossen und beabsichtigt, auf die Expertise des Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science in der Berliner Siemensstadt zurückzugreifen.
Im Zentrum der Initiative steht MO360, kurz für Mercedes-Benz Cars Operations 360, eine Gruppe von Anwendungen mit gemeinsamen Schnittstellen und einheitlicher Benutzeroberfläche zur Steuerung der weltweiten Fahrzeugproduktion von Mercedes-Benz-Fahrzeugen mit Echtzeitdaten.
MO360 schafft so ein datengetriebenes Ökosystem für die Fahrzeugproduktion mit Trainingstools auf der Basis von Virtual und Augmented Reality und KI-gestützter vorausschauender Wartung. Der Berliner Standort soll zum Trainings- und Qualifizierungszentrum für alle Mercedes-Benz-Werke weltweit werden.
Grundlage für die digitale Transformation
Die führenden Automatisierungs- und Softwarelösungen von Siemens sollen eine Grundlage für die digitale Transformation der Daimler-Automobilproduktion bilden, indem sie mit innovativen IoT-Anwendungen beispielsweise die Produktionsabläufe deutlich flexibler und energieeffizienter gestalten.
Eine effiziente Fertigung bildet nur einen kleinen Ausschnitt Daimlers aufkeimenden Ökosystems allumfassender Mobilität. Denn moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz, Blockchain und Data Analytics ließen die Grenzen zwischen Finanzierung, Leasing, Abonnement, Miete, Flottenmanagement und On-Demand-Mobilität verschwimmen. Den Kunden „stets passgenaue Angebote für jede Lebenssituation anzubieten“ zählt zu den erklärten Zielen von Daimler Mobility AG für die drei Kernzielgruppen: Privatanwender, Unternehmen sowie Städte und Kommunen.
Doch bedarfsgerechte Mobilität kann ja nur datengetrieben funktionieren. Daimlers aufkeimende Geschäftsmodelle rund um nachhaltige Mobilitätslösungen machen sich die Mobility Blockchain Platform zu Nutze, ein zukunftsweisendes Projekt, welches im Rahmen der Blockchain Factory der Daimler Mobility AG entwickelt wird.
Buchungs- und Abrechnungsprozesse für Mobilitätslösungen
Die Mobility Blockchain Platform von Daimler habe zum Ziel, Buchungs- und Abrechnungsprozesse für Mobilitätslösungen „nachhaltig zu optimieren“. Damit möchte das Unternehmen in der Lage sein, „(Daten-)Silos aufzubrechen und Mobilitätslösungen (datengetrieben) zu dezentralisieren“, enthüllt Carmen Roth-Schäfer, CTO bei der Daimler Mobility AG.
Viele der Innovationen seien darauf ausgerichtet, „ein vollständig digitales, effizientes und integriertes Kundenerlebnis zu ermöglichen“ – so auch das Zahlungssystem Mercedes Pay für Fahrzeuge und die zugehörigen Services wie das Parken oder Tanken, enthüllt Stephan Unger, Vorstand für Finance, Controlling und Risk Management der Daimler Mobility AG.
All die Daten aus den Kundeninteraktionen sollen künftig in die vorausschauende Steuerung der globalen Geschäftstätigkeiten hineinfließen.
Verfügbarkeit als Dienstleistung
Der Triebwerkshersteller Rolls Royce habe die sensor-basierte Überwachung und Anpassung des Treibstoffverbrauchs genutzt, um ein neues Wertschöpfungsmodell zu realisieren. Anfang 2021 ging Rolls-Royce Deutschland eine Partnerschaft mit Altair an, um Künstliche Intelligenz (KI) und Ingenieurwesen miteinander zu verbinden. Die Unternehmen wollen gemeinsam den Geschäftswert von Rolls-Royce bei der Entwicklung, Prüfung und Konstruktion von Luft- und Raumfahrtmotoren datengetrieben steigern.
Der Maschinenbauer entwickelt und produziert marktführende Triebwerke mit fortgeschrittener IoT-Sensorik für Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Energie und Schifffahrt. IoT-Sensoren liefern Daten, deren Erkenntnisse sowohl in die Produktlinien als auch Fertigungsanlagen wieder zurückfließen. Aus Sicht der Führungsetage von Rolls-Royce handelt es sich bei den Messwerten um strategische Big-Data-Ressourcen, auf denen das Unternehmen seine Qualitätskontrolle sowohl ML-getrieben aufbaut als auch neue Dienstleistungen ableiten könne.
Daten aus IoT-Sensoren geben Rolls-Royce umfangreiche und tiefgründige Einblicke in die Leistung der eigenen Produkte, von Düsentriebwerken und Hubschrauberblättern bis hin zu Stromerzeugungssystemen und Schiffsturbinen.
Extreme Umweltbedingungen
Verglichen mit der höchst komplexen Herausforderung der Datenerfassung ist die analytische Seite des IoT vergleichsweise harmlos: Triebwerkstemperaturen können durchaus bis zu 1.700 Grad erreichen, und selbst der „kälteste“ Teil eines Triebwerks läuft immer noch bei 350 Grad. Andere elektronische Sensoren müssen auf dem Motorlüftergehäuse sitzen und bei eisig kalten Temperaturen von bis zu minus 60 sechzig Grad zuverlässig arbeiten.
Auch in den rauen Meeresumgebungen ist die Situation bei der Datenerfassung nicht unbedingt einfacher. Denn hier müssen die Sensoren den massiven Stoßkräften standhalten, mit denen 120 Tonnen schwere Propeller das Meereis zermahlen. Doch am schwierigsten hat es die IoT-Elektronik in einem Kernreaktor. Der stetige Neutronenfluss zerstört die IoT-Elektronik meist schon nach sehr kurzer Zeit. Doch gerade dort, wo teure Ausrüstung besonders starken Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist, entstehen oft die höchsten Ausfallrisiken und Wartungskosten.
Eine Boeing 787 erzeugt pro Flug mindestens 500 Gigabyte an auswertbaren Daten. Bei Langstreckenflügen kommen so sogar mehrere Terabyte an wertvollen Daten zusammen, die sich gegebenenfalls in Echtzeit auswerten lassen. Mit In-Flight-Analytics erhalten Unternehmen wie Boeing und Rolls-Royce wertvolle Einblicke in die Performance ihrer Produkte. Das zivile Flugzeugverfügbarkeitszentrum von Rolls-Royce überwacht so kontinuierlich die Daten von 4.500 in Betrieb befindlichen Triebwerken.
Prädiktive Wartung und After-Market-Services
Big Data aus Sensordaten bildet die Grundlage für die prädiktive Wartung bestehender Ausrüstung und andere After-Market-Services (wie etwa die Optimierung der Flugrouten oder der Positionierung von Schiffen bei schwerem Seegang) sowie iterative Produktverbesserungen in der Entwicklung von Folgegenerationen.
After-Market-Services wie TotalCare von Rolls-Royce erlauben es den Unternehmenskunden, ihre eigenen Betriebsrisiken zu senken und die Zuverlässigkeit zu erhöhen. „TotalCare gibt uns die Möglichkeit, unsere Trent-700-Flotte nach den besten Standards zu warten, indem wir (...) den renommierten TotalCare-Support von Rolls-Royce nutzen“, kommentiert Geoff Kehr, Senior Vice President für Global Fleet Management beim Rolls-Royce-Kunden DHL. Dadurch könne DHL „Zeit und Ressourcen freisetzen“, um sich „auf andere Optimierungen der Flottenwartung und betriebliche Aspekte“ zu konzentrieren.
Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich auch in den Verbrauchermärkten ab. Digitale Geschäftsmodelle würden dazu führen, dass (auch) Endverbraucher „keine Maschinen und Anlagen mehr besitzen, sondern für die Verfügbarkeit oder pro Nutzung bezahlen“, schreiben die Experten von der Bosch Rexroth AG, einer Spezialistin für Antriebs- und Steuerungstechnik aus der Bosch-Unternehmensgruppe. Die neuen Geschäftsmodelle basierten auf digital aufbereiteten Betriebsdaten aller Aktoren, Module und Maschinen – nicht nur neuer, sondern auch bereits installierter Anlagen. Unternehmen wie Bosch oder Schneider Electric haben dies im B2B-Geschäft vorgemacht; jetzt würden auch die Verbrauchermärkte nachziehen.
Daten als Kernelement eines Geschäftsmodells
Auch andere Unternehmen weit jenseits des Ingenieurwesens entwickeln ganz neue digitale Geschäftsmodelle, selbstverständlich Big-Data-getrieben.
Staples, der nordamerikanische Einzelhändler von Büroartikeln, nutzt Retargeting, um abgebrochene Kaufvorgänge abzuschließen, und lässt in die Preisgestaltung Big Data in Echtzeit einfließen. In Abhängigkeit von Variablen wie dem aktuellen Kundenstandort und den verfügbaren Lagerbeständen gehen im Webshop die Zahlen auf dem Etikett herauf und herunter.
Unternehmen wie Staples beobachten nebenbei soziale Medien und ziehen sie in die Analyse mit ein. Werkzeuge wie Brandwatch, Keyhole, NetBase Quid, Sprinklr und Talkwalker erlauben es datengetriebenen Unternehmen, ihrer Zielgruppe und deren Influencern auf sozialen Medien „über die Schultern zu schauen“, die emotionale Stimmung des öffentlichen Diskurs zu verstehen und den Puls des Publikums in Bezug auf ihre Marken zu messen.
Damit das hohe Aufkommen an Daten in einem digitaltransformierten Unternehmen zu neuer Wertschöpfung führen kann, sind datengetriebene Geschäftsmodelle mit einem entsprechenden Leistungsangebot notwendig – je „digitaltransformierter“ umso besser.
Datengetriebene Wertschöpfung kundenzentrisch gestalten
Das Konzept eines datengetriebenen (bzw. datengesteuerten) Geschäftsmodells baut auf Daten als Leistungsfaktor auf. Es schafft einen Mehrwert für die Nutzer datenbasierter Dienste im Gegenzug für die Bereitstellung von Datenpunkten. Die Nutzung von Big Data und die Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle stellt jedoch für viele Unternehmen nach wie vor eine große Herausforderung dar.
Denn nicht alle Daten sind wertvoll. Um effiziente datengestützte Entscheidungen treffen zu können, müssen die Daten in digitaler Form vorliegen, geordnet, von fehlerhaften Datensätzen und Datenlücken bereinigt, integriert sowie den Entscheidungsträgern zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung gestellt werden, um nur einige Voraussetzungen zu nennen.
Die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS untersucht die Auswirkungen von datengetriebenen Geschäftsmodellen auf das Ökosystem und erforscht hierzu neue Entwicklungsmethoden. Einrichtungen wie die Josephs GmbH, das offene Innovationslabor in Nürnberg, sollen die Innovationsfähigkeit des Mittelstands steigern und den KMUs den Weg ins digitale Zeitalter weisen.
Datengetriebene Geschäftsmodelle sind auch in FinTech und InsurTech stark im Kommen. Sie schaffen hier unter anderem finanzielle Anreize, um die Interessen von Kunden und Dienstleistern im Sinne eines verbesserten Risikomanagements anzugleichen. Die Verfügbarkeit von Big Data fördert hier sowohl ein besseres Verständnis der Kundenbedürfnisse als auch der internen Geschäftsabläufe.
Datengetriebene Geschäftsmodelle haben in allen Branchen eines gemeinsam, nämlich Big Data als Hauptdrehscheibe der Wertschöpfung. Neue Technologien können dabei bestehende Ökosysteme datengetriebener Wertschöpfung disruptiv verändern und ganz neue Herausforderungen auf den Plan rufen.
Um vorhandene Ansätze um eine datenorientierte Sichtweise zu ergänzen, benötigen Unternehmen geeignete Werkzeuge. Viele Vorreiter setzen dabei auf KI und ML.
Neue Datenbedürfnisse
Digitale Transformation schafft neue Datenbedürfnisse entsprechend den strategischen Geschäftsprioritäten. Denn KI und ML brauchen zumindest für die Trainingsphase raue Mengen an Messwerten.
Die Anforderungen von Unternehmen an Big-Data-Analytics stiegen kontinuierlich und doch würden viele Führungskräfte ihre Energie mit an den Geschäftszielen vorbei einsetzen, kritisieren die Analysten von Gartner. Stattdessen sollten diese Manager ihre einzigartige Perspektive im Unternehmen nutzen, um sicherzustellen, dass andere Entscheidungsträger über die nötigen Informationen verfügten, um die planmäßigen Geschäftsergebnisse datengetrieben zu verbessern.
Gerade jetzt böte sich für das IT-Management eine Chance, die relevanten Entscheidungen rund um die Auswertung von Big Data in Unternehmen nachhaltig zu beeinflussen. Immerhin wollten rund 58 Prozent der CIOs die laufenden Investitionen in Business Intelligence und Datenanalyse im laufenden Jahr (2021) steigern, enthüllen die Analysten von Gartner in einer aktuellen Studie der Arbeitsgruppe Enterprise Architecture Research.
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