Kommentar von Sandro Pedretti, Adesso Process Mining – optimale Transparenz für komplexe Geschäftsprozesse

Autor / Redakteur: Sandro Pedretti / Nico Litzel

Process Mining analysiert, rekonstruiert und visualisiert sämtliche in IT-Systemen gespeicherten Prozessspuren und bringt größtmögliche Transparenz in Unternehmensprozesse.

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Der Autor: Sandro Pedretti ist Leiter Data & Analytics bei der Adesso Schweiz AG
Der Autor: Sandro Pedretti ist Leiter Data & Analytics bei der Adesso Schweiz AG
(Bild: Adesso Schweiz AG)

Es ist bereits hinlänglich bekannt – Daten gelten als Gold des 21. Jahrhunderts. Tagtäglich werden in den operativen Systemen der Unternehmungen weltweit riesige Datenmengen produziert und verarbeitet. Das Volumen, die Vielfalt und die Geschwindigkeit der verfügbaren Daten steigen hierbei rasant an. Grundsätzlich ist das eine positive Entwicklung, da daraus resultierend der immer wichtiger werdende Rohstoff „Daten“ somit prinzipiell gut verfügbar und nutzbar wird. Gleichzeitig ergibt sich infolgedessen aber die zentrale Herausforderung: Wie können Unternehmen diesen „Datenschatz“ konkret für Effizienzsteigerungen und Optimierungen in ihren Kernprozessen nutzen?

Was soll mit der Datenanalyse erreicht werden?

Der eigentliche Wert der Daten liegt in ihrer Auswertung. Bekannte Verfahren wie Business Intelligence (BI) und Data Mining haben sich in den vergangenen Jahren als sehr nützlich für die Auswertung umfassender Datenmengen erwiesen. Der Fokus dieser Analysen liegt jedoch primär auf einzelnen Kennzahlen (KPI) oder im Erkennen von Datenmustern. Eine End-to-End-Analyse bezüglich der effektiv in den Systemen durchgeführten IST-Prozesse ist mit diesen Methoden hingegen nicht möglich. Diese Berechnung von KPIs ist für viele Auswertungen natürlich sehr wichtig, aber wäre es nicht noch nützlicher, wenn man genau – und zwar auch visuell – feststellen könnte, wie dieser KPI-Wert zustande gekommen ist (Ursachen-Analyse)?

Wie können Unternehmen etwas optimieren, was sie nicht sehen?

Genau hier kommt Process Mining ins Spiel. Wenn beispielsweise ein BI-Tool für einen Prozess eine durchschnittliche Durchlaufzeit (KPI) von 14 Tagen errechnet hat, wo genau sollte nun angesetzt werden, um zu verstehen, warum diese Zeit benötigt wurde und wie genau eine Optimierung möglich wäre? Wie könnte zum Beispiel die Durchlaufzeit auf zwölf Tage reduziert werden? Mit der reinen Angabe der Durchlaufzeit, ohne jeglichen Bezug auf die konkret durchgeführten Prozessschritte, ist das nicht möglich.

Vergleich Analyseresultate – konkrete und nachvollziehbare Ursachenanalyse mit Process Mining
Vergleich Analyseresultate – konkrete und nachvollziehbare Ursachenanalyse mit Process Mining
(Bild: Celonis)

Oder, ganz generell gefragt, können aktuell eingesetzte Analyse-Tools Folgendes leisten?

  • Welche Prozessschritte werden/wurden konkret durchgeführt und welchen Anteil (zeitlich/mengenmäßig) am Gesamtprozess hatten die einzelnen Schritte (Aktivitäten)?
  • Sind aktuelle IST-Prozesse wirklich bekannt? Wo genau sind Abweichungen in einem Prozess und wie groß sind die Abweichungen zwischen SOLL- und IST-Prozessen?
  • Wie groß wäre der Aufwand, diese Abweichungen zu eruieren? Kann dies mit vertretbarem Aufwand überhaupt geleistet werden?
  • Können Prozesse automatisch auf Compliance überprüft werden? Welche Risiken geht ein Unternehmen ein, wenn es nur manuelle Stichproben macht?
  • Gibt es eine vollständige Transparenz über alle Prozessvarianten hinweg? Ist überhaupt bekannt, wie viele Varianten tagtäglich durchgeführt werden? Ist dies wirklich notwendig oder nur fehleranfällig und ineffizient?
  • Kann fundiert und faktenbasiert über eine mögliche Automatisierung von Prozessschritten entschieden werden? Ist bekannt, wo und warum RPA (Robotic Process Automation) eingesetzt werden sollte – in welchem Einsatzbereich gibt es den größten Nutzen (Vermutung oder Fakten)?

Process Mining – Datenbasierte und faktenbasierte Prozessanalyse

Process Mining nutzt die in IT-Systemen eines Unternehmens anfallenden Daten, um Geschäftsprozesse in Echtzeit zu analysieren, zu rekonstruieren und zu visualisieren. Diese können so Schritt-für-Schritt (das heißt, auf Prozessschritt-/Aktivitätsebene) nachvollzogen werden und daraus resultierende Schwachstellen erkannt und sofort behoben werden.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden der Geschäftsprozessoptimierung, in denen IST-Prozesse im Laufe mühsamer (und oft fehlerhafter) Erhebungen durch Interviews, Dokumente und Stichproben erhoben und dann mit SOLL-Prozessen verglichen werden, erkennt Process Mining automatisch die tatsächlichen IST-Prozesse auf Basis der im täglichen Geschäft generierten Daten. Diese Daten können durch Process Mining kontinuierlich ausgewertet werden und Process Mining bietet so einen immer aktuellen Blick auf das tatsächliche Unternehmensgeschehen und sorgt für maximal mögliche Transparenz.

Wie funktioniert das im Detail?

Viele Unternehmen nutzen für das Management und die Kontrolle ihrer Geschäftsprozesse IT-Systeme, die verschiedene interne Teilbereiche in ihren Aufgaben unterstützen. Wird nun ein Geschäftsprozess mithilfe eines dieser IT-Systeme abgewickelt, hinterlegt dieses zu jedem einzelnen Prozessschritt verschiedene Informationen, die als Basis für die Auswertung mit Process Mining Tools dienen können. Wichtig dabei ist, dass in diesen (Quell-)Systemen keine zusätzlichen oder spezifischen Daten für diese Auswertung angelegt oder vorgesehen werden müssen. Die für Process Mining benötigten Daten werden vielmehr aus den vorhandenen Systemen extrahiert, wobei entweder bestehende Konnektoren oder individuelle ETL-Anbindungen verwendet werden können.

Interessant dabei ist, dass aktuelle Process Mining Tools grundsätzlich minimal drei Attribute benötigen, um einen Prozessverlauf rekonstruieren zu können. Konkret sind dies Informationen über den aktuell bearbeiteten Fall (eine sog. Case-ID, also zum Beispiel eine Bestellnummer, Incident-ID oder ein beliebiges anderes eindeutig identifizierbares Merkmal), den genauen Zeitpunkt (Timestamp) sowie den durchgeführten Prozessschritt (Aktivität) – für detailliertere Auswertung und Drill-Downs in Dash Boards können natürlich optional noch weitere Attribute extrahiert werden.

Process Mining – Digitale Datenspuren (digital footprints) als Basis für die Rekonstruktion des Prozessverlaufs
Process Mining – Digitale Datenspuren (digital footprints) als Basis für die Rekonstruktion des Prozessverlaufs
(Bild: Celonis)

Aufgrund dieser prinzipiell sehr minimalen Anforderungen, die grundsätzlich in jedem IT-System gegeben sind, kann nun Process Mining eingesetzt werden, um auch sehr große Mengen an gespeicherten Informationen kontinuierlich zu durchsuchen, einzelne Prozessschritte (Aktivitäten) eines Gesamtprozesses zu identifizieren und den ursprünglich abgelaufenen Prozess zu rekonstruieren und darzustellen.

Anwendungsbeispiele und Nutzen

Ausgehend vom eingangs erwähnten Beispiel (Order-to-Cash) kann nun dank Process Mining eruiert werden, warum die Durchlaufzeit des Prozesses 14 Tage beträgt und was die eigentliche Ursache dahinter ist (root cause analysis).

Process Mining – Ursachenanalyse und faktenbasierte Prozessoptimierung
Process Mining – Ursachenanalyse und faktenbasierte Prozessoptimierung
(Bild: Celonis)

In diesem konkreten Anwendungsfall müssen zwei zusätzliche Prozessschritte (die Aktivitäten „Price Change“ und „Approve Credit Check“) durchgeführt werden, da einerseits Preisänderungen beim Hilfsmaterial sowie zusätzliche Bonitätsprüfungen für die Firmen A & B nötig sind.

Aufgrund der durch Process Mining erreichten Prozesstransparenz können diese Probleme nun zielgerichtet angegangen und gelöst werden. Durch diese Maßnahmen erzielt das Unternehmen eine Senkung der durchschnittlichen Durchlaufzeit auf zwölf Tage und profitiert von weiteren positiven Nebeneffekten wie die Verringerung/Elimination von unerwünschten Aktivitäten und Ineffizienzen.

Dieses Beispiel illustriert lediglich einen einzigen möglichen Einsatzbereich (Discovery) von Process Mining. Es können grundsätzlich drei Haupttypen von Process Mining eingesetzt werden:

  • Discovery (Entdeckung/Rekonstruktion): Process Mining erlaubt eine realitätsnahe Aufnahme der Prozesse
  • Conformance (Konformität/Übereinstimmung): Die rekonstruierten Prozesse werden mit existierenden Richtlinien (wie BPMN-Prozess-Modelle) verglichen und die gefundenen Abweichungen werden automatisch ausgewiesen
  • Enhancement (Optimierung/Erweiterung): Verbesserungsmöglichkeiten innerhalb der Prozesse werden identifiziert und quantifiziert

Außerdem ist die Process-Mining-Technologie System- und Branchen-agnostisch. Das bedeutet, überall wo digitale Datenspuren (digital footprints) in Systemen entstehen, kann Process Mining eingesetzt werden. Es ist also ein äußerst breites Anwendungsgebiet.

Fazit

Process Mining – Prozess-Explorer und kontextbezogene Dashboards
Process Mining – Prozess-Explorer und kontextbezogene Dashboards
(Bild: Adesso)

Process Mining ermöglicht es, IST-Prozesse auf Basis von realen Daten aus IT-Systemen wie SAP, ServiceNow oder CRM- & ERP-Systemen in Echtzeit zu analysieren und so größtmögliche Transparenz zu erreichen. Durch die Verwendung der originalen/realen Transaktionsdaten können Entscheidungen faktenbasiert und objektiv getroffen werden – die Prozesse werden automatisch so rekonstruiert, wie sie effektiv abgelaufen sind. Damit erreichen Unternehmen 100 Prozent Prozesstransparenz und optimierte Geschäftsprozesse.

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