Additive Fertigung Deep Learning in der additiven Fertigung

Autor / Redakteur: Jan Vollmuth / Nico Litzel |

Auch im 3D-Druck sind der Gestaltungsfreiheit geometrische Grenzen gesetzt. Ein Forschungsvorhaben der Universität Paderborn zeigt, wie neuronale Netze nahezu in Echtzeit beurteilen können, ob ein Bauteil additiv hergestellt werden kann – oder nicht.

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Mithilfe eines neuronalen Netzes kann anhand von 3D-Modellen frühzeitig festgestellt werden, ob ein Produkt additiv gefertig werden kann.
Mithilfe eines neuronalen Netzes kann anhand von 3D-Modellen frühzeitig festgestellt werden, ob ein Produkt additiv gefertig werden kann.
(Bild: Protiq)

Bei der additiven Fertigung (Additive Manufacturing – AM) handelt es sich um ein immer häufiger genutztes industrielles Produktionsverfahren, das sich grundsätzlich von vielen herkömmlichen Herstellungsmethoden unterscheidet. Das Hauptmerkmal der additiven Fertigung liegt in der hohen geometrischen Freiheit hinsichtlich der Produktion dreidimensionaler Bauteile. Da kein produktspezifisches Werkzeug notwendig ist und die Bauteile durch das fein aufgelöste additive Auftragen von Material entstehen, unterliegt die Gestaltung der Bauteile nur wenigen Restriktionen. Ein Nachteil ergibt sich jedoch daraus, dass sich die vorhandenen Einschränkungen schwer definieren lassen und daher keine klaren Regeln existieren.

Flexibilität erfordert Anpassungsfähigkeit

Ein weiterer Vorteil: die werkzeuglose Herstellung. Deshalb können die AM-Maschinen sehr flexibel eingesetzt werden. Sie sind nicht für ein spezielles Bauteil konstruiert, sondern eignen sich prinzipiell zur Produktion jedes beliebigen Bauteils. Damit können AM-Maschinen in vielfältigen Anwendungen zum Einsatz kommen, z. B. für flexible Dienstleistungen rund um den 3D-Druck. AM-Dienstleister wie die Protiq GmbH können ihren Kunden von Prototypen über Sonderanfertigungen bis zu Kleinserien fast jedes Bauteil herstellen.

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Die Flexibilität der Produktion erfordert allerdings eine entsprechende Anpassungsfähigkeit bei der Umsetzung von Kundenaufträgen. Da jede Anfrage individuell ist und jeder Anwender von den Vorteilen einer schnellen Fertigung profitieren möchte, müssen eingehende Bestellungen schnell bearbeitet werden. Wichtig ist dabei auch die Überprüfung der Produzierbarkeit eines angefragten Bauteils. Wie bereits aufgeführt, ist die Produzierbarkeit nicht in allen Aspekten klar definiert. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Universität Paderborn wurde deshalb eine potenzielle Lösung zur Produzierbarkeitsanalyse erarbeitet und getestet.

Geometrische Einschränkungen

In den letzten Jahren haben verschiedene Forscher daran gearbeitet, sogenannte Design Rules zu entwerfen, die geometrische Einschränkungen in Bezug auf die Bauteilherstellung festlegen. Design Rules beruhen auf Standardgeometrien, z. B. Zylindern oder Quadern, die sich auf Grundlage ihrer Eigenschaften wie Länge oder Durchmesser beschreiben lassen. Auf Basis dieser Standardgeometrien respektive der Kombination unterschiedlicher Geometrien definieren die Richtlinien dann geometrische Restriktionen. Für Konstrukteure neuer, additiv gefertigter Bauteile erweisen sich die Richtlinien als guter Anhaltspunkt. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass Design Rules nur bedingt zur Kontrolle schon bestehender Bauteile geeignet sind. Die Lösung der Problemstellung erfordert daher einen flexiblen Ansatz.

Anwendungen des sogenannten Deep Learning (DL) haben in jüngster Zeit immer öfter Einzug in industrielle Applikationen gehalten. Diese datengetriebenen Systeme können auf Grundlage vorhandener Daten erlernen, komplexe Aufgaben zu bewältigen. Weil die Produzierbarkeitsanalyse eine hohe Anpassungsfähigkeit erfordert, bieten sich Deep-Learning-Ansätze zu deren Realisierung an. Sogenannte Convolutional Neural Networks (CNN), die aus dem Bereich der Bildverarbeitung stammen, können selbständig entscheidende Kriterien (Features) zur Lösung einer Problemstellung erlernen. Für die Bearbeitung der Produzierbarkeitsanalyse haben die Forschenden der Universität Paderborn deshalb ein 3D-CNN gewählt, mit dem 3D-Modelle etwa in Form von Voxeln bewertet werden können. Bei einem Voxel handelt es sich um einen Bildpunkt in einem dreidimensionalen Gitter, vergleichbar mit einem Pixel in einem 2D-Bild.

Produzierbar oder nicht?

Die Forschenden der Universität Paderborn wollen nun ein Modell entwerfen, das auf Basis eines entsprechend gelabelten Datensatzes erlernen kann, 3D-Modelle hinsichtlich eines ausgesuchten Kriteriums als produzierbar oder nicht produzierbar zu beurteilen. Zudem soll es kritische Bereiche durch ein visuelles Feedback markieren. Aus diesem Grund wurde ein zweistufiges System entwickelt.

Ob ein Objekt produzierbar ist, hängt von vielen verschiedenen Aspekten ab. Daher muss ein System zur Einschätzung der Produzierbarkeit sowohl Einzelheiten als auch die wesentlichen Zusammenhänge erfassen können. Das für eine hohe Auflösung optimierte 3D-CNN Spatial Hashing-Based CNN (HCNN) erlaubt unter Verwendung aktueller Grafikkarten die Verarbeitung von 3D-Modellen mit einer Auflösung bis 5123 Voxeln. Dies stellt die erste Stufe der Lösung der Universität Paderborn dar. Das HCNN kann mit Hilfe eines geeigneten Datensatzes lernen, die Produzierbarkeit von 3D-Modellen zu bewerten. Da es einen entsprechenden Datensatz, der sich aus realen Fertigungsdaten zusammensetzt, noch nicht gibt, ist die Funktionalität zunächst auf der Grundlage künstlich generierter Daten getestet worden.

Mit hoher Erfolgsrate analysiert

Der zu diesem Zweck nachgebildete Datensatz enthält etwa 5.000 3D-Modelle, die aus der öffentlich zugänglichen Thingi10K-Datenbank stammen. Diese Modelle wurden hinsichtlich des Kriteriums der minimal produzierbaren Wanddicke markiert und das neuronale Netz anschließend auf Basis dieser Daten trainiert. Als Eingangsinformation erhielt das Netz lediglich die 3D-Modelle selbst sowie jeweils die Information, ob ein 3D-Modell Bereiche unterhalb des Schwellenwerts für die Wanddicke umfasst oder nicht. Mit diesen Daten hat das neuronale Netz gelernt, die 3D-Modelle in Bezug auf die minimale Wanddicke zu beurteilen – und das mit einer Erfolgsrate von 84,25 Prozent.

Heatmap visualisiert die Analyse

Zur Generierung einer Visualisierung haben die Forschenden der Universität Paderborn in der zweiten Stufe den Layer-wise-Relevance-Propagation-Ansatz (LRP) in die Lösung integriert. Auf diese Weise lassen sich Rückschlüsse über kritische Bereiche im betrachteten 3D-Modell ziehen, sodass es entsprechend überarbeitet werden kann. Die LRP-Methode propagiert die für die Entscheidung des HCNN-Modells entscheidenden Features vom Ausgang des neuronalen Netzes bis zu den Eingangsdaten – den Voxeln – zurück. So wird eine Heatmap der für das Urteil des HCNN wesentlichen Bereiche im 3D-Modell erzeugt. Unter Heatmap ist die Visualisierung von Daten zu verstehen, die durch die Farben einer Wärmebildkamera dargestellt werden.

Die Versuche an der Universität Paderborn haben gezeigt, dass sich filigrane Features, die für die Produzierbarkeit eines 3D-Modells entscheidend sind, mithilfe eines hochauflösenden 3D-CNN erkennen lassen. Das neuronale Netz kann die 3D-Modelle nach dem Training nahezu in Echtzeit analysieren. Es handelt sich somit um einen vielversprechenden Ansatz für eine im realen Workflow eines 3D-Dienstleisters anwendbare Lösung. Die Testergebnisse bilden die Grundlage für zusätzliche Versuche mit tatsächlichen Fertigungsdaten und komplexeren Produzierbarkeitskriterien. Daraus können wiederum weitere Schlüsse bezüglich der Leistungsfähigkeit des neuronalen Netzes gezogen werden.

Dieser Artikel stammt von unserem Partnerportal KonstruktionsPraxis.

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