Trends in der Verbindungstechnik Steckverbinder für Industrie 4.0
Miteinander vernetzte Maschinen, die untereinander sowie mit den zu fertigenden Produkten kommunizieren und somit weitgehend selbstorganisiert arbeiten: so soll die Fabrik von morgen aussehen. Obwohl eher unscheinbar, spielen standardisierte Steckverbindungen in der Smart Factory eine Hauptrolle. Manfred Müller, der bei Multi-Contact verantwortlich für Fragen der Automation ist, wirft einen Blick in die Zukunft.
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Fragt man den Product Manager Manfred Müller beim Steckverbinder-Hersteller Multi-Contact nach seiner Meinung, wie sich die Welt der Verbindungstechnik in den nächsten Jahren verändern wird, kommt er schnell auf die Automobilindustrie zu sprechen. Denn hier vollziehen sich die Entwicklungen im Eiltempo, die mit einer gewissen Phasenverschiebung auch den Rest der Fertigungsindustrie erfassen.
Wie überall wird der Wettbewerb härter und die Kunden werden immer anspruchsvoller. In immer rascherer Folge werfen daher die Automobil-Hersteller neue Modelle auf den Markt. Noch vor kurzem hatten die Firmen bis zu 7 Jahre Zeit, eine neues Fahrzeugmodell sowie die dazu passende Fertigungslinie zu entwickeln und vorzubereiten. Ein solches Modell wurde dann viele Jahre lang auf dieser Linie gebaut.
Innerhalb der letzten 15 Jahre hat sich jedoch die Entwicklungszeit halbiert. Entsprechend verringerte sich auch die "Halbwertzeit" von Fahrzeugmodellen. Die Folge für die Hersteller: Immer mehr Modelle in ungeahnt vielen Varianten werden auf einer relativ kleinen Anzahl von Fertigungslinien gebaut.
Flexibler Austausch von Modulen fordert lösbare Verbindungen
Heute wird auf ein und derselben Fertigungslinie das "alte" Modell gebaut und gleichzeitig schon die neue Modellreihe, die es in ein paar Jahren ganz ablösen wird. Die Umbau- und Rüstvorgänge erfolgen oft schon vollkommen automatisch.
"Man muss sich eine Fertigungslinie als eine Verkettung vieler Einzelmodule vorstellen", beschreibt Manfred Müller anschaulich. Jedes Modul muss mit Energie versorgt werden und kommuniziert mit der Fertigungssteuerung. Außerdem kommunizieren sie untereinander. "Damit sich die Module bei einem Umbau flexibel tauschen lassen, müssen die Verbindungen lösbar sein", begründet der Product Manager. Steckverbinder sind demnach die beste Alternative zum Festanschluss und verkürzen die Rüstzeiten.
Es gibt zudem noch weitere wichtige Anforderungen, wie der Experte darstellt: "Weil jedes Modul aufgrund verschiedener Komponenten andere Anschlüsse benötigt, sollten die Steckverbinder individuell bestückbar sein. Sie müssen das Nebeneinander von Energieversorgung und Datenverkehr zuverlässig und störungsfrei bewältigen und auch nach tausenden von Steckvorgängen immer noch mechanisch stabil und elektrisch integer sein.
Gigabit-Ethernet ist im industriellen Umfeld angekommen
Bislang dienten zahllose Sensoren der Automatisierung als "Sinnesorgane". Hier vollzieht sich laut Müller derzeit ein dramatischer Wechsel: "Waren bislang bei der Türenmontage eine Vielzahl von Sensoren notwendig, erledigen das heute wenige 3D-Kameras oder 3D-Laserscanner. Eine Riesenvereinfachung für die Montage und Verdrahtung solcher Fertigungsmodule, aber eine große Herausforderung für die Steckverbinder."
Für die Auswertung der Kamerabilder müssen nämlich riesige Datenmengen transportiert werden und um echtzeitfähig zu sein, mit hohen Übertragungsraten. Damit rückt ein altbekannter Übertragungsstandard ins Zentrum des Interesses der Ingenieure: Ethernet. Genauer gesagt setzt sich Gigabit- Ethernet zur Erfassung der Bilddaten durch. Gegenwärtig reden wir noch von 1 Gbit/s Übertragungsrate, angepeilt sind 10 Gbit/s.
Manfred Müller: "Heute werden Türen und Klappen am bewegten Fahrzeug von Robotern montiert, in einer Positionierungsgenauigkeit, die bislang nahezu unerreicht war. Intelligente Bildverarbeitung macht es möglich."
Auch die Radmontage erfolgt am bewegten Fahrzeug, 3D-Laserscanner weisen dem Montageroboter den Weg. Gigabit-Ethernet war für die Fertigungsleute bislang ein Fremdwort. Jetzt sind Verkabelungssysteme und Steckverbinder gefragt, die auch in der rauen Fabrikumgebung einen störungsfreien Betrieb garantieren.
Die Roboter holen sich je nach Montageaufgabe ihre Werkzeuge von einer Docking-Station. Steckverbinder in schwimmender Bauform sind hier vonnöten, damit sich Stecker und Buchse automatisch finden. Beim Wechsel geht es bisweilen auch mal ruppig zu. Die Steckverbinder müssen das aushalten und dürfen auch nach tausenden von Wechseln nicht an elektrischen Eigenschaften nachlassen.
Minituarisierung schreitet voran
Computer-Intelligenz wandert mehr und mehr aus den Schaltschränken an die Peripherie. Der Roboterarm trägt heute nicht nur das Werkzeug sondern auch die erforderlichen Messsysteme. Die bewegten Massen klein zu halten, ist stetiges Ziel der Automatisierer. Auch das fördert den nächsten Trend bei den Steckverbindern: sie werden immer kleiner.
"In der Vergangenheit konnte eine üppige Material- und Dimensionsreserve eingerechnet werden, was teilweise auch Mehrgewicht sowie eine gewisse Überdimensionierung mit sich brachte und im Betrieb einen Mehrverbrauch an Energie nach sich zog. Das kann sich heute kein Betrieb mehr leisten", macht der Fachmann deutlich.
Zuverlässige Übertragung von Datensignalen unter allen Bedingungen
Außerdem sind empfindliche Datensignale heute an Orte zu übertragen, wo es bis vor kurzem nur um Hunderte von Ampere ging. Dieser Trend betrifft Baumaschinen aller Art, die Landwirtschaft, die Logistik und beispielsweise auch die Marine. Es werden Steckverbinder für Datensignale verlangt, die auch in rauer Umgebung zuverlässig arbeiten. Hier geht es einerseits um Umwelteinflüsse, wie Feuchte, wechselnde Temperaturen, Vibration, Schock oder extrem raue Bedingungen wie in der Nukleartechnik und andererseits um den Stress durch elektromagnetische Einflüsse.
Montagefreundlichkeit spielt eine zunehmend wichtige Rolle
Mit zunehmender Miniaturisierung stellt sich die Frage der Konfektionierbarkeit. Bei der Montage vor Ort werden Steckverbinder oft von Hilfskräften montiert. Daher ist es wichtig zu gewährleisten, dass auch Leute ohne Fachausbildung Kabel konfektionieren können, ohne dass die elektrische Qualität leidet.
"Die gute alte Crimpzange aus dem Werkzeughandel könnte bald ausgedient haben", prognostiziert Müller. Wer heute einen Steckverbinder liefere, müsse sich schon früh Gedanken um die Montagefreundlichkeit machen und die entsprechenden Werkzeuge für Konfektionierung und Endmontage bereitstellen.
Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung
Inzwischen interessiert sich die Industrie auch dafür, welche Materialien in den Steckverbindern verwendet werden. Die Schonung der Ressourcen, die Sicherheit des Personals und die gefahrlose Entsorgung sind Themen, die bei Beschaffungsprozessen immer mehr in den Mittelpunkt rücken. "So befürwortet Multi-Contact den Trend, bei Neuentwicklungen zum Beispiel auf Beryllium zu verzichten, wo immer dies technisch vertretbar ist", untermauert Müller.
Die Intelligenz wandert in die Steckverbinder
Auch wenn der Kunde eines Steckverbinder-Herstellers in der Nachbarschaft angesiedelt ist, ist bei der Produktgestaltung die Internationalisierung zu beachten. Die Kunden nehmen ihren Lieferanten mit um den Globus. Das wirft nicht nur Fragen der unterschiedlichen Klimabelastungen auf, sondern auch die der unterschiedlichen Kulturen. Neue Produkte werden heute nicht mehr für den überschaubaren, regionalen Einsatz konstruiert und gefertigt, sondern nahezu ausschließlich für den globalen Einsatz, in allen Kontinenten verfügbar und einsetzbar.
"Der Steckverbinder muss für seinen Einsatz gut vorbereitet sein und nahezu selbsterklärend zu seinem Einsatz kommen. Das sind große Herausforderungen für den Steckverbinder-Hersteller in der Produktentwicklung, Zertifizierung, Logistik, Dokumentation sowie im Vertrieb und Service", erklärt der Product Manager.
Dieser Gedanke mündet schließlich in einen weiteren Trend, der große Veränderungen nach sich ziehen wird. Es geht um intelligente Steckverbinder, neudeutsch Smart Connectors. Im Steckverbinder eingebaute Elektronik soll helfen, flexibel auf die angeschlossenen Komponenten zu reagieren und steckbare Verbindungen sicherer zu machen. "Denkbar ist sehr vieles, und in den Entwicklungsabteilungen wird intensiv an diesem Thema gearbeitet", deutet Müller abschließend an.
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