Nachbericht TechDays 2023 in München Start-ups präsentieren innovative KI-Produkte und suchen Investoren

Von lic.rer.publ. Ariane Rüdiger Lesedauer: 6 min

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Auf den diesjährigen TechDays in München stand das Thema Künstliche Intelligenz (KI) im Mittelpunkt. Es gab eine ganze Reihe pfiffiger Ideen und neue Produkte zu besichtigen. Die Gründer suchen häufig noch Kapitalgeber.

Über mangelnden Zuspruch konnten sich die Organisatoren der TechDays 2023 nicht beklagen.
Über mangelnden Zuspruch konnten sich die Organisatoren der TechDays 2023 nicht beklagen.
(Bild: Rüdiger)

KI wird die Wirtschaft und auch das Leben in den kommenden Jahren stärker umkrempeln als viele andere Technologien. Einen Vorgeschmack darauf gaben die Präsentationen diverser Start-ups während der TechDays 2023 in der Münchner Muffathalle.

Die neunte Veranstaltung dieser Reihe wurde unter anderem von der bayerischen Innovationsagentur Bayern Innovativ, appliedAI und UnternehmerTUM, der Gründungsagentur der TU München, ausgerichtet. appliedAI ist ebenfalls eine Ausgründung der TU und hilft Unternehmen, KI sinnvoll in ihre Abläufe zu integrieren.

Google-Sicherheitssystem schützt ukrainische ITK-Infrastruktur

Vor den Präsentationen der Jungfirmen referierte Dr. Wieland Holfelder, Vice President Engineering und Site Lead bei Googles Engineering-Center in München, über Googles Aktivitäten in Sachen Datenschutz und IT-Security.

Cloud Armor sei das bislang sicherste System zur Abwehr von Angriffen auf Cloud-Provider. So filtere man pro Jahr 15 Milliarden Spam-Nachrichten aus und habe im August 2022 den größten bisher gemessenen DDoS-Angriff überstanden, ohne dass die Nutzer irgendetwas davon gemerkt hätten. Dazu trage auch bei, dass das Backbone 1.000-mal so viel Netzkapazität bereithalte als der bisher größte DDoS-Angriff.

In der Ukraine schützt Google die nationale Kommunikationsinfrastruktur im Rahmen des „Project Shield“. Außerdem bastelt Google an einer Security IT Workbench, in die Lösungen wie die vom Aufkauf Mandiants und Googles Security-Variante von Palm (SecPaLM) einfließen sollen. Diese Lösung wird auf Vertex-AI-Infrastruktur laufen. Kunden können sie mit eigenen Daten trainieren. An seinem allgemein anwendbaren LLM Bard arbeitet Google noch. „Es kommt bald, aber noch nicht jetzt“, betonte Holfelder.

Waldbranderkennung aus dem Orbit

Welche Ideen sich mit KI realisieren lassen, zeigten exemplarisch eine Reihe von Start-ups. Beispielsweise OroraTech aus München: Das Unternehmen will ein Netzwerk von 100 Satelliten ins All senden, die mit Wärmebildkameras ausgerüstet sind. Sie sollen den gesamten Globus alle 30 Minuten ablichten. Die entstehenden Bilder werden mittels einer KI am Edge auf die vierfache Auflösung hochgerechnet. Zwei der hundert Satelliten sind schon oben.

Ziel ist, Klimawandelfolgen wie Waldbrände oder städtische Hitzeinseln besser zu erkennen und zu bekämpfen. Kunden lassen sich mit den OroraTech-Daten, die am Edge, also den Satelliten, analysiert werden, wegen der geringen Datenmenge und der Datenbeförderung von Satellit zu Satellit in Minuten statt Stunden warnen. So können sie etwa Brände bereits bekämpfen, bevor sie sich ausgebreitet haben. Auch Kunden hat OroraTech bereits. Sie kommen hauptsächlich aus Übersee, wo die Folgen des Klimawandels schon sehr viel deutlicher zu spüren sind.

Wenn die Maschine knirscht

Expert Analytics hat eine Lösung entwickelt, die die von Maschinen entwickelten Geräusche nutzt, um gegebenenfalls auftretende Schäden, Störungen oder Anomalien zu finden. Dafür wird am Edge ein Minicomputer (derzeit Lenovo Think Centre M625q) aufgestellt, der die Daten sammelt. Sie werden direkt am Edge mit einer vortrainierten KI-Applikation bewertet.

Der vorhandene KI-Algorithmus beruht auf Yolo, einem vortrainierten Algorithmus, der für Objekterkennung verwendet wird. Außerdem kommt das Transformer-Modell AST zum Einsatz. Expert Analytics sieht sich selbst als Dienstleister und führt beispielsweise die Feinanpassung der Systeme beim Kunden mithilfe dort generierter Geräusche durch. Die bisherigen Analysen beziehen sich meist auf die Turbinen von Wasserkraftwerken und Pumpen, also Systeme, die Flüssigkeiten bewegen.

Eine intelligente Mini-Box fürs Edge

Damit EdgeKI gut funktioniert, bedarf es entsprechender Hardware. PCB Arts fertigt minimalistische Systeme nach Kundenwunsch, sogenannte EdgeKits. Sie sammeln die Daten der über die von Kunden gewünschten Schnittstellen angeschlossenen Sensoren und analysieren sie mithilfe eines Nvidia Jetson mit 1.024 Rechenkernen. Er ist in der Box mit verbaut. Diese verbraucht je nach Design lediglich zwischen 15 und 25 Watt Energie, eignen sich also auch für Implementierungsorte, an denen Strom knapp ist.

Kunden können sich die gewünschten Schnittstellen und weitere Eigenschaften in einem Online-Konfigurator selbst zusammenklicken. Nach Angaben des Managements verringert sich so der Engineering-Aufwand von Edge-Lösungen auf ein Zehntel, das Design wird 72 Prozent billiger als andere, vergleichbare Lösungen und ein bestelltes Kit ist innerhalb von drei Wochen fertig.

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Aufgeständert steht diese Box mit dem an einer Hutschiene befestigten EdgeKit und der Solarzelle am oberen Ende auf dem Boden einer Lagune auf den Malediven, um das Leben der Korallen und der Riffbewohner zu analysieren.
Aufgeständert steht diese Box mit dem an einer Hutschiene befestigten EdgeKit und der Solarzelle am oberen Ende auf dem Boden einer Lagune auf den Malediven, um das Leben der Korallen und der Riffbewohner zu analysieren.
(Bild: Rüdiger)

Eine Beispielimplementierung läuft auf den Malediven, wo das Gerät zur Riffbeobachtung in einem wasserdichten Kasten unter Wasser an einer Hutschiene befestigt ist. Dazu kommen Unterwasser-Kameras und Sensoren, das Ganze hängt an einer etwa vier Meter hohen Säule aus Metall, die auf dem Boden der Lagune steht. Das obere Ende ragt aus dem Wasser und trägt eine Solarzelle, die die ganze Installation speist.

Software, die Software schreibt

Bits will die Softwaregenerierung mithilfe von KI voranbringen und hat mit mybits AI eine Entwicklungsumgebung auf den Markt gebracht, in der sich beliebige KI-Komponenten mit spezifischen Rollen in Softwareprojekten versehen lassen. Beispiele sind das Generieren oder die Qualitätssicherung von Code.

Anwender entscheiden selbst, welche KI-Produkte sie an das System anschließen und welche Aufgaben sie KI anvertrauen. So bleibe der Mensch im System, erklärt das Management. Zu Demonstrationszwecken wurde vor den staunenden Augen des Publikums innerhalb von fünf Minuten ein einfaches Online-Spiel entwickelt.

Sitzungsprotokoll auf Knopfdruck

Spezialisiert auf Sprachverarbeitungsaufgaben ist Lengoo. Die Full-Stack-AI-Plattform Halos des Unternehmens beherrscht 50 Sprachen. Sie liefert diverse vorkonfigurierte Anwendungen wie Knowledge Discovery, also das Finden von im Unternehmen vorhandenem Wissen, die automatische Generierung von Sitzungsprotokollen inklusive Korrektur und Zusammenfassung, die Generierung von Standard-Daten wie Testdaten für Sicherheitstests oder die Dokumentation für neue Produkte.

Dabei lässt sich das System mit unternehmensspezifischem Wissen feinanpassen, wofür Human Reinforcement Learning verwendet wird. Lengoo hat ein Lab aufgebaut (Halos Labs), wo neue Anwendungsfälle entwickelt werden.

Zerstörungsfreie Materialtests

Ein neues, zerstörungsfreies Verfahren zur Messung von Materialeigenschaften leitender Festkörper stellte das ukrainische Start-up Aleistyn mit dem Structurescope vor. Dabei wird Strom an die Materialien angelegt und das entstehende Magnetfeld gemessen. Aus dem mittels Stromfluss veränderten Magnetfeld lassen sich Rückschlüsse auf Materialeigenschaften ziehen, die sonst nur mit invasiven Verfahren möglich sind. Eine KI übersetzt die Ergebnisse der Messungen in für Menschen verständliche Aussagen. Vorteile: es werden weniger Ressourcen verbraucht, die Tests sind einfach und automatisiert und sparen Kosten. Pro metallurgischem Test werden nur noch fünf Euro fällig, heute sind es durchaus noch Tausende.

Maßgeschneiderte betriebliche Weiterbildung

Den Folgen des Fachkräftemangels will platform 3L mit ungewöhnlichen Mitteln zu Leibe rücken. Die Lösung ist imstande, jedes Video, Audio und jeden Text in einer Vielzahl von Sprachen in mundgerechte Lektionen für die innerbetriebliche Weiterbildung umzusetzen. Außerdem liefert es die Lernhäppchen in einem an die Lernenden angepassten Schwierigkeitsgrad und Sprachniveau. Beides steigert sich im Lauf des Lernfortgangs schrittweise, sodass die weiterzubildenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert bleiben.

Ziel ist es, die rund 90 Prozent in Unternehmen nicht dokumentierten Wissens vor dem Abschied der älteren Arbeitnehmergeneration in den Ruhestand zugänglich zu machen. Und zwar so, dass damit auch An- und Ungelernte aus fremden Sprachräumen schnell eingearbeitet werden können.

Diagnose in Sekunden

Caire nimmt sich eines ähnlichen Problems an: dem Mangel an Pflegekräften. Nur mehr Effizienz kann hier durchgreifend helfen. Die Firma hat eine Applikation entwickelt, die mithilfe des optischen Sensors von Smartphone, Laptop oder ähnlichen Geräts das Gesicht der jeweiligen Patienten scannt und daraus Daten wie Puls, Temperatur, Durchblutung, Sauerstoffsättigung des Blutes etc. ermitteln kann. Das Ganze soll die Aufteilung von Patienten in sofort zu behandelnde und weniger dringliche Fälle auf einen Patienten pro Minute beschleunigen. Bislang reicht ein Tag für nur 48 Patienten.

Fazit

Die Beispiele zeigen, dass KI viele mühselige Abläufe beschleunigen und vereinfachen, Material sparen und Schäden verhindern kann. Wer mit solchen Technologien unbefangen umgeht, dürfte auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft im Vorteil sein.

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