Kommentar von Ingo Meironke, Campana & Schott KI – die Datenflut in die richtigen Bahnen lenken
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Immer mehr vernetzte Geräte von Computer über 5G- und Edge-Devices bis zu industriellen Maschinen: Die Datenflut wird steigen! Eine geeignete Datenstrategie hilft Unternehmen, diese Informationen intelligent zu nutzen.

Ein Hersteller von Bohrmaschinen bemerkt in der Endkontrolle, dass eine ganze Produktionsserie erhebliche Mängel aufweist. Dabei hätte schon mit der Eingangsprüfung der gelieferten Einzelteile auffallen können, ja müssen, dass diese in bestimmten Parametern nicht die benötigte Qualität besitzen. Die Folgen: unnötiger, hoher Fertigungsaufwand für überflüssigen Ausschuss.
Solche Fehler geschehen immer wieder – in allen Branchen. Das hat mehrere Gründe. Häufig sprechen Produktions- und Testabteilung zu wenig miteinander, um geeignete Kriterien und Abläufe festzulegen. Vor allem die notwendigen Daten für Eingangs- und Zwischenkontrollen werden nicht ausgetauscht und im Zusammenhang analysiert. Oder es mangelt gar an der Harmonisierung der Daten, da sie aus unterschiedlichen Quellen wie Excel-Tabellen, PDF-Prüfprotokollen und Papierformularen stammen.
Beim genannten Beispiel wurden die gelieferten Teile zwar geprüft, aber nicht ausreichend auf die Eigenschaften hin, die letztlich in der fertigen Bohrmaschine wichtig sind. So haben Größe und Leistung gestimmt, jedoch nicht die Belastbarkeit unter großen Drehmomenten.
Hälfte der Use Cases produktiv eingesetzt
Solche Probleme mit den Daten sind tatsächlich eher die Regel als die Ausnahme. So hat der aktuelle Praxisreport Künstliche Intelligenz von der Technischen Universität Darmstadt und Campana & Schott festgestellt, dass derzeit nur jeder zweite Use Case produktiv eingesetzt wird. Demnach verfügen viele Unternehmen zwar über ausreichend Daten, diese weisen aber häufig eine mangelhafte Qualität auf.
Hochwertige Daten bilden jedoch die Basis für KI-Anwendungen und die frühzeitige, automatische Erkennung von Problemen. Daher sollten Unternehmen von Beginn an Standards bei der Datenerhebung und -pflege definieren und für eine entsprechende Anbindung sorgen. Hier hilft ein Prozess zum automatisierten Sammeln und Zusammenführen der Datenquellen. Zusätzlich sind die dafür benötigten Fachkräfte, organisationalen Prozesse und Verantwortlichkeiten im Umgang mit den Daten festzulegen.
Dazu ist im ersten Schritt eine umfassende Datenstrategie nötig. Sie sorgt für die erforderliche Verbindung der Geschäftsziele des Unternehmens mit der Organisation, vor allem der IT und deren Ausrichtung. Das unterstützt den Aufbau der notwendigen Fähigkeiten innerhalb der Organisation und trägt zur Klärung der Verantwortlichkeiten bei.
Voraussetzungen für die Datenstrategie
Zur Entwicklung einer solchen Datenstrategie muss jedes Unternehmen klären, welche Geschäftsziele es verfolgt und wie Daten hierbei helfen können. Zum Beispiel lassen sich auf Basis einer Datenanalyse bestehende Prozesse vereinfachen, die Produktionsqualität und -effizienz erhöhen oder neue Einnahmequellen und Geschäftsmodelle erschließen. Zusätzlich ist festzulegen, wie es zu datenbasierten Use Cases kommt und wer diese priorisiert.
Ein weiteres wichtiges Thema beim Festlegen einer Datenstrategie bildet die Auswahl der richtigen technischen Plattformen und Tools. Diese sollten mit möglichst allen eingesetzten Systemen kompatibel sein und sich flexibel an individuelle Bedürfnisse sowie künftige Anforderungen anpassen lassen.
Bei den organisationalen Prozessen und Verantwortlichkeiten ist zu bestimmen, welche Aufgaben das Unternehmen selbst übernimmt und welche sie externen Partnern übergibt. Hier sind einheitliche Regeln nötig, die alle Beteiligten klar nachvollziehen können. Außerdem muss im Rahmen der Datenstrategie geklärt werden, wer die Compliance mit gesetzlichen Vorgaben und Datensicherheit überwacht. Nicht zuletzt sind auch mögliche ethische Grenzen bei Use Cases zu beachten.
Die Datenstrategie erarbeiten
Für die Erstellung der Datenstrategie und des Target Operating Models (TOM) für Daten eignet sich ein Data Strategy Framework. Es integriert die Datenstrategie in die bestehende Digitalstrategie, um ein einheitliches Lösungskonzept zu erarbeiten. Das gelingt in sechs Phasen (s. Abbildung):
- 1. Eine ausführliche Analysephase ermittelt den angestrebten Reifegrad und leitet die dafür nötigen organisationalen Fähigkeiten ab, um mögliche Problembereiche zu identifizieren.
- 2. Die Datenstrategie dient zur Definition eines Zielbildes sowie konkreter Maßnahmen für dessen Umsetzung im Kontext der Geschäftsstrategie, die sich wiederum aus den Geschäftsanforderungen ableitet. Anhand der hier priorisierten Use Cases ...
- 3. ... werden die Anforderungen an Bereitstellung, Verarbeitung und Nutzung der Daten zum konzeptionellen Aufbau einer geeigneten technischen Plattform genutzt.
- 4. Es folgt die Entwicklung der notwendigen Strukturen und Prozesse im Bereich Data Management und Data Governance.
- 5. Nach der Freigabe der Entscheider ...
- 6. ... werden die Maßnahmen anhand einer Roadmap inklusive Change Management umgesetzt.
Damit ist das Projekt aber noch nicht abgeschlossen. Denn die Datenstrategie muss regelmäßig überprüft und kontinuierlich an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. So erfolgt nach der Realisierung die nächste Entwicklungsschleife, beginnend mit der IST-Analyse.
Die richtige technische Plattform
Theoretisch sollte nach der Entwicklung der Datenstrategie bereits feststehen, welche Technologie ideal ist. Doch gerade hier sollten Unternehmen einen zusätzlichen Praxis-Check durchführen. Dazu zählt eine Bestandsaufnahme, welche Tools und Lizenzen vorhanden sind und inwieweit sie bereits die Anforderungen erfüllen. So können Unternehmen Kosten sparen, indem sie nicht eine komplett neue Architektur aufbauen, sondern die bestehende Basis gezielt durch neue Lösungen und Provider ergänzen und optimieren.
Dabei ist vor allem auf die Integrationsfähigkeit der Tools untereinander sowie mit der bestehenden Applikations-Infrastruktur zu achten. Zudem sollten genügend Mitarbeitende im Unternehmen damit umgehen können oder entsprechend weitergebildet werden.
Anschließend sind Governance-Regeln und Best Practices zu etablieren. Dann können auch Fachabteilungen die Tools bis zu einem gewissen Grad ohne direkten IT-Support nutzen. Eine Wissensdatenbank sowie offene Kommunikation über die verfügbaren Tools helfen dabei. Zudem fördern Communities den interdisziplinären Austausch zur Stärkung der Kompetenzen.
Erfolg durch Künstliche Intelligenz
Ein Self-Service-Ansatz ist eine weitere wichtige Voraussetzung für erfolgreiche, effiziente KI-Projekte. Denn schließlich wissen die Mitarbeitenden in den Fachabteilungen selbst am besten, bei welchen Aufgaben im Alltag ihnen KI helfen kann. Das gewährleistet, dass Automatisierung und Verschlankung konkrete Vorteile bringen.
Entsprechend könnte im Beispiel der Bohrmaschinen-Herstellung ein Modell die kritischen Parameter automatisiert beim Eingangstests bewerten. Eine App kann dann dem Mitarbeitenden der Qualitätsabteilung Hinweise zum weiteren Produktionsverlauf in der aktuellen Charge geben. So ließe sich feststellen, dass die kritische Prüfung fehlschlägt oder keine ausreichenden Ergebnisse liefert. Zudem würde eine KI-basierte Lösung Abweichungen bei den Materialien oder in der Produktion aufzeigen, sodass der Bohrmaschinen-Hersteller schnell reagieren kann. Dann ließe sich die Produktion abbrechen, lange bevor die komplette Bohrmaschinenserie mangelhaft fertig gestellt wird.
Fazit
KI kann Unternehmen in konkreten Einsatzszenarien unterstützen. Doch dazu sind das Erzeugen relevanter Datenpunkte, das Beherrschen der Datenmenge, eine hervorragende Datenqualität, eine klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten, eindeutige Richtlinien und Best Practices nötig. Eine gute Datenstrategie umfasst alle Punkte. Mit ihrer Erstellung sollten Unternehmen heute beginnen, wenn sie morgen von KI profitieren möchten.
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