Big Data Scientist Hype oder Hilferuf?

Autor / Redakteur: Caroline Anselm und Dr. Peter Rohrbach / Nico Litzel |

Ehrenamtler werden zu Non-Profit Managern, Tankwarte zu Petroleum Transfer Engineers und Rezeptionisten zu Masters of Welcome. Abstrakte Bezeichnungen für altbewährte Dinge. Solche Job-Titel tauchen immer wieder auf. Seit Kurzem ist auch von sogenannten Big Data Scientists die Rede. Ein vielversprechend klingender Name, doch wer soll das eigentlich sein?

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(Big) Data Scientists sollen Big Data von einer Gefahr in einen Segen für Unternehmen verwandeln. Gibt es so jemanden schon längst oder müssen wir ihn erst erfinden?
(Big) Data Scientists sollen Big Data von einer Gefahr in einen Segen für Unternehmen verwandeln. Gibt es so jemanden schon längst oder müssen wir ihn erst erfinden?
(Bild: © Pressmaster – Shutterstock.com)

Big Data ist eines der Brennthemen 2014 und wird in den nächsten Jahren noch weitaus mehr an Bedeutung gewinnen. Oftmals wird nur auf die Gefahren aufmerksam gemacht: drohende Datenflut und wachsender Datenberg – können Unternehmen sich noch über Wasser halten oder wird die Luft am Gipfel knapp? Panikmache geht schnell, doch was ist eigentlich mit den vielen Vorteilen, die Unternehmen aus Big Data ziehen können?

Big Data – eine Wissenschaft für sich

Und hier kommt der „Wissenschaftler“, der Big Data Scientist, ins Spiel. Denn dieser soll genau das schaffen: Big Data von der Gefahr in einen Segen für Unternehmen verwandeln. Da stellt sich wieder die Frage von zu Beginn: gibt es so jemanden schon längst oder müssen wir ihn erst erfinden?

Prinzipiell ist das Berufsbild des „Datenwissenschaftlers“ kein neues. Datenbankspezialisten gibt es nicht erst seit gestern. Jahrelang wurden Unternehmensdaten mithilfe von BI- und CRM-Systemen strukturiert gesammelt und ausgewertet und jedes noch so kleine Detail unter die Lupe genommen.

Deduktiv versuchten Abteilungen dann, aus den gesammelten Daten für das Unternehmen wertvolle Informationen zu ziehen. Klassisches Beispiel: der Versicherungsmathematiker. Dieser nutzt eine Vielzahl an Informationsquellen – von Wettervorhersagen über Inflationsraten bis hin zur Feinstaubbelastung. Dabei hat der Versicherungsmathematiker immer ein festes Ziel vor Augen: Wahrscheinlichkeitsmodelle bauen und Prognosen erstellen. Daten analysiert er immer in Hinblick auf bereits bestehende Hypothesen.

Andere Branche, gleicher Fall: ein Jeanshersteller beabsichtigt bei der Sammlung seiner Verkaufsdaten genau eines: seine Produktion mithilfe der Verkaufsdaten hinsichtlich Kriterien wie Größe oder Farbe zu optimieren. Die zusammengetragenen Informationen dienen von Anfang an einem bestimmten Zweck: rauf mit Umsatz und Marge!

Erweiterte Datenbasis

Ein Big Data Scientist jedoch rollt das Feld von hinten auf. Er sammelt Daten aus unterschiedlichsten, oft vollkommen unstrukturierten Quellen und mit verschiedenen Formaten – von ERP bis Facebook. Schließlich trifft man „Influencer“ nicht nur am Point of Sales. Diese tummeln sich in den sozialen Medien haufenweise und prägen auf Blogs, Twitter & Co. die Reputation eines Unternehmens maßgeblich mit. Nicht selten informieren sich potenzielle Käufer zunächst im Netz über Produkte. Denn abgesehen von Werbung findet man dort auch echte Erfahrungsberichte. Krux und Vorteil für Unternehmen: Social-Media-Daten sind nicht nur „big“, sondern vor allem auch vielfältiger und schnelllebiger als herkömmliche Unternehmensdaten. Die Kunst ist es, aus diesem Wust für das Unternehmen wertvolle Informationen zu ziehen.

Aufgabe des Big Data Scientist dabei: Daten sammeln, erkennen (nicht alle Daten sind betriebswirtschaftlich relevant), modellieren und unter Anwendung eines passenden Algorithmus die Ergebnisse für die Managementebene visuell aufbereiten. Eine induktive Vorgehensweise, denn das Ergebnis der Analyse ist zu Beginn noch eine große Unbekannte. Kurzum: Ein Big Data Scientist muss Daten zum Sprechen bringen. Und daraus einen Marktvorteil generieren.

Der Statistiker im Business-Outfit

Bis vor einigen Jahren sanken sowohl der Storchenbestand als auch die Geburtenrate in Deutschland. Man könnte hier eine Korrelation vermuten – doch macht das Sinn? Echte kausale Zusammenhänge aufzudecken und qualitative Schlüsse zu ziehen, ist eine Kunst. Dieser Grundsatz gilt insbesondere auch für Big Data. Daten müssen nicht nur zum Sprechen gebracht werden, sie müssen auch einen Mehrwehrt generieren. Ein Big Data Scientist benötigt deshalb Fachwissen aus vielen Bereichen. Ein Mathematiker oder Statistiker mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund und technologischem Know-how wäre das Ideal.

Suchen wir hier nach einer eierlegenden Wollmilchsau? Schließlich beherrschen nicht viele ITler SPSS oder Programmiersprachen wie R und können gleichzeitig Daten unter strategischen Schwerpunkten auswerten. Dass ein Big Data Scientist jedoch beides beherrschen muss, ist entscheidend. So soll er nicht nur Daten liefern, sondern vielmehr mithilfe der gewonnen Informationen Handlungsanweisungen für das Management erstellen und die Strategie des Unternehmens vorantreiben. Eine Rolle, die idealerweise in einem abteilungsübergreifenden Bereich, wie Business Development oder Business Intelligence, angesiedelt sein sollte.

Ein Beruf mit Zukunft

Bis dato stochern Unternehmen in Sachen Big Data noch im Nebel. Die meisten Organisationen haben sich noch nicht intensiv genug damit beschäftigt, welche Chancen mit Big Data verbunden sind. Was vor allem fehlt, ist das Wissen über die Existenz und deren Auswertungsmöglichkeit von gewissen Daten. Bisher arbeitet jeder Bereich für sich und wertet seine strukturierten Business Daten aus. In Zukunft müssen sich diese jedoch verzahnen, um das volle Potenzial von Daten aus unterschiedlichsten Quellen und in unterschiedlichster Form voll ausschöpfen zu können.

Dann wird es auch um die Frage gehen: Brauche ich einen eigenen Big Data Scientist oder kann ich mir diesen je nach Bedarf ins Haus holen? Hier muss man klar trennen zwischen Unternehmen, deren Kerngeschäft aus der Informationsverarbeitung besteht und Unternehmen, die mithilfe von Big Data Trends erkennen wollen. Im Banken- und Versicherungsumfeld macht es sicherlich keinen Sinn, einen Dienstleister zur Big-Data-Analyse einzubeziehen. Hier sind eigene Spezialisten am Werk, die einen genauen Einblick haben, was datenschutztechnisch ausgewertet werden darf und was nicht.

Bei Konsumgüterherstellern hingegen ist Outsourcing absolut ratsam. Big Data spielt sich für B2C vor allem in der Social-Media-Welt ab. Was im Netz diskutiert wird, kann für zukünftige Entscheidungen des Managements ausschlaggebend sein. Ein externer Berater besitzt das nötige Know-how, um systematisch den Wust an Daten anzupacken, nach Relevanz zu filtern, Schlüsse zu ziehen und entsprechend visuell aufzubereiten. Weiterer Vorteil: ausgelagerte Big Data Scientists sind frei von Betriebsblindheit. Der Umgang mit Social-Media-Daten erfolgt objektiver, Risiken oder Trends werden ohne Scheuklappen schneller erkannt, Handlungsanweisungen an das Management erfolgen frei von betriebsinternen Fesseln.

In den nächsten zwei Jahren wird sich die Wahrnehmung von Big Data massiv ändern. Und zwar nicht nur dann, wenn die ersten Unternehmen nach Hilfe bei der Bewältigung der Datenberge rufen. Sondern insbesondere dann, wenn das erste große B2C-Unternehmen, egal Turnschuh- oder Kettensägenhersteller, durch Big-Data-Analysen eine echte Wertschöpfung für sein Unternehmen generiert. Und dann wird er zum „Most wanted“ und in Ausschreibungen von Unternehmen werden wir lesen: Big Data Scientist dringend gesucht …

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