Kommentar von Florian Lauck-Wunderlich, Pegasystems Wie kann KI die Probleme des 21. Jahrhunderts lösen?

Von Florian Lauck-Wunderlich

Anbieter zum Thema

Das 21. Jahrhundert ist voll von Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, um den Planeten lebenswert zu erhalten. Dabei gilt Künstliche Intelligenz (KI) gilt als eines der wichtigsten Werkzeuge. Aber sie ist kein Allheilmittel, sondern muss gezielt und sinnvoll eingesetzt werden.

Der Autor: Florian Lauck-Wunderlich ist Senior Project Delivery Leader bei Pegasystems
Der Autor: Florian Lauck-Wunderlich ist Senior Project Delivery Leader bei Pegasystems
(Bild: Pegasystems)

Im Mittelalter standen die vier apokalyptischen Reiter als biblische Symbole für die wichtigsten latenten Bedrohungen, mit denen sich die Menschen auseinandersetzen mussten. Sie fürchteten sich vor Machtmissbrauch, Krieg, Hunger und Krankheiten. Dieses Szenario sah zwar schreckenerregend aus, gegenüber den Problemen der Neuzeit aber war es vergleichsweise überschaubar.

Zu den altbekannten Problemen von Seuchen, Hunger, Herrschaft und kriegerischen Konflikten sind im 21. Jahrhundert neue, komplexe Bedrohungsszenarien dazugekommen: Klimawandel, Umweltverschmutzung, Massenvernichtungswaffen, Flucht und Vertreibung sowie die Angst vor Wohlstandsverlusten und wachsender Ungleichheit.

KI: Teil des Problems oder Teil der Therapie?

Dazwischen liegt eine Reihe von industriellen Revolutionen, die durch enorme technologische Fortschritte Rahmenbedingungen verändert, Chancen und Risiken geschaffen und die Komplexität massiv erhöht haben. Manche Zeitgenossen sehen in der aktuellen vierten industriellen Revolution und der damit einhergehenden Nutzung neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz ebenfalls eine Bedrohung, die in ihren Konsequenzen zu wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen mit größerer Ungleichheit, sozialen Verwerfungen, neuen Abhängigkeiten und massiven Arbeitsplatzverlusten führen könnte.

Entsprechende Prognosen haben sich bislang allerdings (noch?) nicht bewahrheitet. Im Artikel „The Future of Employment: How Suscepticle are Jobs to Computerization?“ prognostizierten beispielsweise die Oxford-Forscher Frey und Osborne 2013, dass 47 Prozent der US-Jobs in über 700 untersuchten Berufsgruppen durch Automatisierung und KI bedroht seien. Nach knapp zehn Jahren ist dies jedoch nicht eingetreten. Trotzdem müssen solche Vorbehalte ernst genommen werden.

Gleichzeitig bietet KI ein immenses Potenzial für die Bewältigung der geschilderten Herausforderungen. Es liegt an uns, ob wir es nutzen und wie sinnvoll wir damit umgehen. Ohne eine breite gesellschaftliche Akzeptanz wird das nicht gehen. Daher ist es wichtig, sich klarzumachen, an welchen Stellen KI bei der Therapie der Probleme des 21. Jahrhunderts unterstützen kann, ohne selbst Konfliktpotenziale zu schüren.

KI ersetzt nicht (mehr) vorhandene Arbeitskraft

Das vielleicht beste, weil plakativste Beispiel dafür, wie sehr Automatisierung und KI uns bei der Bewältigung dringender Probleme helfen kann, ist die Automatisierung von Tätigkeiten, für die nicht mehr genügend Arbeits- und Fachkräfte gefunden werden. Handwerkskammern, Ausbildungsbetriebe und IHKs klagen unisono über den immer problematischeren strukturellen Mangel an Nachwuchs, der viele Branchen bedroht.

Das sind die Konsequenzen einer Demografie-Entwicklung, die die Alterspyramide quasi auf den Kopf gestellt hat – mit den entsprechenden Konsequenzen. Auf dem Arbeitsmarkt fehlen in den nächsten Jahren Millionen von Menschen. Viele Jobs bleiben damit offen und dies betrifft nicht nur Fachkräfte und ganz bestimmte Branchen. Das hat fatale Konsequenzen für Wertschöpfungsketten und Sozialsysteme.

KI kann natürlich nicht den Heizungsmonteur, die Pflegekraft oder den Dachdecker vor Ort ersetzen. Aber sie kann beispielsweise in der Produktion, in der Logistik oder im Service an vielen Stellen Aufgaben übernehmen, die personelle Freiräume schafft. Häufig trifft das auf Stellenbeschreibungen zu, die für Beschäftigte wenig attraktiv sind. So wird aus dem „Arbeitsplatzvernichter“ KI ein dringend benötigter Ersatz für gar nicht mehr vorhandene Arbeitskräfte.

KI hilft in Medizin und Pflege

Apropos Pflegekraft. Auch Kliniken sind ein Hotspot für den hilfreichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die Liste der möglichen Anwendungen ist lang und wird ständig länger. In der Pharmaforschung etwa unterstützen Digital-Twin-Modelle bei der Entwicklung von neuen Therapien. KI hilft bei der klinischen Entscheidungsfindung, der Optimierung medizinischer Bildverarbeitung und Diagnostik oder bei Roboter-assistierten chirurgischen Eingriffen.

Und im Klinikbetrieb kann KI unter anderem bei der Überwachung von Patienten und Krankheiten sowie dem Management von Patientendaten eingesetzt werden. Auch hier tritt KI an die Stelle eines mittlerweile grassierenden Personaldefizits. Ganz abgesehen davon, dass sinnvoll eingesetzte KI den verbleibenden Fachkräften den stressigen Alltag erleichtern kann.

Noch mehr Arbeit für KI

Nicht weniger wichtig ist der Einsatz von KI bei der Eindämmung von Machtmissbrauch und Straftaten sowie der Beseitigung von Ungleichheiten und Vorurteilen. So kann KI bei der Erkennung und Dokumentation von Straftaten eingesetzt werden. Sie schafft neue Möglichkeiten in Forensik und Beweiserhebung bei der Strafverfolgung. Entsprechend trainierte KI-Systeme besitzen Bias-Fähigkeiten, um Vorurteile bei Entscheidungen vermeiden und so sowohl einen Beitrag zur Gleichbehandlung leisten als auch die Konformität zu Compliance-Vorgaben sicherzustellen.

Jetzt Newsletter abonnieren

Täglich die wichtigsten Infos zu Big Data, Analytics & AI

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Bei dem Problemkomplex von Naturkatastrophen und den Folgen des Klimawandel kann KI für das frühzeitige Erkennen von Gefahrenlagen und bei der Modellierung von Szenarien zur Schaffung von mehr Transparenz eingesetzt werden. Und durch die Logistikoptimierung und die Vermeidung von Überproduktion und Fehlverteilung ist KI auch in der Lage, den Hunger in der Welt zwar nicht zu beseitigen, aber doch zu mindern. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass die KI eine vergleichsweise junge Disziplin ist. Die möglichen Einsatzszenarien für positive Zwecke sind noch nicht annähernd ausgeschöpft.

KI braucht klare Regeln

Wir sollten uns aber davor hüten, KI als eine Art Wunder- oder Allheilmittel zu sehen. Sie kann nicht alle Probleme lösen. Aber bevor wir voreilig in Abwehrhaltung gehen, sollten wir ihren Einsatz dort vorurteilsfrei prüfen, wo wir sie gezielt für die Problemlösung einsetzen können. Dafür müssen verbindliche Handlungsrahmen und Nutzungsgrenzen festgelegt, Ziele, Chancen und Risiken abgewogen und in Einklang gebracht werden. Dies ist Aufgabe von Politik und Gesellschaft.

Fundament dafür könnten die drei berühmten Asimovschen Robotergesetze sein. Sie wurden bereits 1942 beschrieben und gelten heute als „Grundregeln des Roboterdienstes“. Das erste Gesetz besagt, dass ein Roboter kein menschliches Wesen wissentlich verletzen oder durch Untätigkeit zulassen darf, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. Es besteht also aus zwei Komponenten: dem Verbot, Schaden zuzufügen und dem Gebot zu helfen. Das zweite Gesetz legt fest, dass ein Roboter einem vom Menschen gegebenen Befehl gehorchen muss – solange dieser nicht mit Regel eins kollidiert. Und das dritte Gesetz besagt, dass ein Roboter seine Existenz beschützen muss, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.

Mit diesem hierarchisch aufgebauten Wertekanon im Rücken bieten Automatisierung und Künstliche Intelligenz viele Ansatzpunkte und Potenziale, um nicht nur die vier apokalyptischen Reiter, sondern auch die komplexen Herausforderungen der Gegenwart zu zähmen.

(ID:48572248)