Schnellere Entscheidungen, entlastete Gerichte KI macht Richtern in Dieselabgasverfahren das Leben leichter

Von Martin Hensel Lesedauer: 2 min |

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Das Oberlandesgericht Stuttgart hat erstmals einen IBM-Massenverfahrensassistenten zur Fallbearbeitung in Dieselabgasverfahren im Einsatz. Das KI-gestützte System wird zur Dokumentenbearbeitung eingesetzt und soll alle Beteiligten entlasten.

Ein KI-gestütztes Assistenzsystem von IBM entlastet die Richter am OLG Stuttgart.
Ein KI-gestütztes Assistenzsystem von IBM entlastet die Richter am OLG Stuttgart.
(Bild: Edward Lich / Pixabay)

Das von IBM entwickelte Assistenzsystem kam zunächst zur Bearbeitung von Massenverfahren im Fluggastrecht zum Einsatz und wurde in juristischen Kreisen positiv aufgenommen. Auf Initiative des Justizministeriums Baden-Württemberg entstand am OLG Stuttgart ein ähnliches Projekt, allerdings zur Bearbeitung anhängiger Dieselabgasverfahren.

Massive Arbeitslast

Am OLG Stuttgart sind vier Senate mit der Bearbeitung von Berufungsverfahren im Rahmen des „Abgasskandals“ beschäftigt. Durch die individuelle Bearbeitung der Verfahren entsteht für die Richter enormer Leseaufwand der oft langen Schriftsätze in den elektronischen Akten. Kapazitäten werden dabei auf Jahre gebunden. Zudem sorgt die nicht abreißende Flut an eingehenden Berufungen in gleichgelagerten Fällen für Unzufriedenheit und Frust bei den Bearbeitern.

„Die entscheidenden Eckdaten verstecken sich in anwaltlichen Schriftsätzen, die häufig mehr als 100 Seiten lang sind – und lassen sich schon bei geringfügigen Abweichungen im Text nicht mehr an derselben Stelle auffinden“, verdeutlicht Jan Spoenle, Präsidialrichter am OLG Stuttgart. Hochqualifizierte Juristen müssen sich laut Spoenle damit befassen, aus unstrukturierten Schriftstücken Informationen wie Fahrzeug- und Motortyp, Abgasnorm oder vorliegende Rückrufe herauszusuchen und die Fälle zu kategorisieren. Dieses Vorgehen würde das Gericht noch auf Jahre hinaus beschäftigen.

KI soll Vorarbeit leisten

Auf Anregung des Justizministeriums Baden-Württemberg wurde IBMs Massenverfahrensassistent für die Bearbeitung der „Dieselgate“-Klagen hinzugezogen. Aufgaben, wie die Extraktion von Parametern oder das automatische Befüllen definierter Kategorien, sind für die KI-gestützte IBM-Suchplattform Watson Discovery prädestiniert. Sie fördert Daten aus unstrukturierten Dokumenten zutage und reduziert den Zeitaufwand gegenüber manueller Suche um mehr als 75 Prozent.

Innerhalb von nur fünf Wochen entstand ein Prototyp, der für eine solide Datenbasis, minimale Fehleranfälligkeit und hohe Nutzerakzeptanz sorgen sollte. Gleichzeitig sind hohe Zuverlässigkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit gefragt. Datenschutz, Verfügbarkeit und Skalierbarkeit müssen ebenfalls gegeben sein.

Erfolgreiche Testphase

Die Schlussvalidierung nach der Testphase des Prototyps ist vielversprechend: Die KI-Lösung überzeugte in Sachen erfolgreicher Fallkategorisierung, Nachvollziehbarkeit und Transparenz sowie Bedienbarkeit durch juristisches Fachpersonal und Zeitersparnis. Auch die Anpassbarkeit an einen geänderten Rechtsrahmen ist gegeben.

Sowohl Richter als auch IBM-Entwickler sind deshalb zuversichtlich, was den künftigen Einsatz der Lösung angeht: „Ziel ist es, die Anwendung in der Pilotphase zunächst allen vier Diesel-Senaten des OLG Stuttgart zur Verfügung zu stellen“, erklärt Björn Beck vom Justizministerium Baden-Württemberg. Mittelfristig soll laut Beck ein einheitliches KI-gestütztes Kategorisierungssystem für alle Gerichte in Baden-Württemberg aufgesetzt werden. Langfristig könne die Technologie bundesweit in Massenverfahren aus anderen Rechtsbereichen zur Kategorisierung und Parameterextraktion zum Einsatz kommen. Die Chancen dafür stehen gut: Andere Bundesländer haben diesbezüglich bereits aktiv angefragt.

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