Kommentar von Ryan Chaves, Mollie Fernab des Hypes – wie Fintechs KI sinnvoll implementieren
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Generative Künstliche Intelligenz (KI) hat einen enormen Hype ausgelöst und revolutioniert seitdem die Tech-Welt auf vielfältige Weise. Generative Chatbots wie ChatGPT von OpenAI, Google Bard und Microsoft Bing haben eine Welle losgetreten, die inzwischen nicht nur die großen Tech-Unternehmen erfasst hat. Während generative KI derzeit im Rampenlicht des medialen Interesses steht, bleiben andere Bereiche der Künstlichen Intelligenz, wie z. B. Machine Learning (ML), trotz ihrer bedeutenden Rolle im aktuellen Hype-Zyklus oft übersehen und erhalten nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.

Bevor wir auf die Potenziale von ML eingehen, müssen zunächst die verschiedenen Begriffe klar differenziert werden: Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Oberbegriff, der eine breite Palette von Techniken und Anwendungen umfasst. Es handelt sich um ein multidisziplinäres Forschungsgebiet, das sich mit der Entwicklung von Systemen befasst, die menschenähnliche Intelligenz aufweisen können. Machine Learning ist ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz, das sich auf den Prozess bezieht, bei dem Maschinen aus Daten lernen, Muster erkennen und Vorhersagen in Form von Algorithmen treffen können, ohne explizit programmiert zu werden.
Kurz gesagt, ML-Lösungen sind darauf ausgelegt, große Datenmengen zu verarbeiten und sinnvolle Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen Unternehmen, ihre Prozesse besser zu optimieren und datenbasierte Entscheidungen zu treffen. Auch generative KI ist ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz, die sich jedoch auf die Erstellung von beispielsweise Texten, Audiodateien und animierten Bildern konzentriert.
Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Basierend auf dem State of AI Report von McKinsey hat sich der weltweite Einsatz von KI im Unternehmenskontext in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt: So gaben im Jahr 2017 lediglich 20 Prozent der Befragten an, KI in mindestens einem Geschäftsfeld einzusetzen. Heute hingegen beträgt dieser Anteil 50 Prozent.
Dennoch bleibt vor allem das Potenzial von ML im Unternehmenskontext noch weitgehend ungenutzt. Laut einer Studie von McKinsey haben bisher weltweit lediglich 15 Prozent der Unternehmen erfolgreich ML-Projekte umgesetzt. Werfen wir einen Blick auf Deutschland ist der Anteil der Unternehmen, die tatsächlich KI-Technologien einsetzen, noch geringer. Laut einer Studie des Digitalverbandes Bitkom nutzen bisher lediglich neun Prozent der hiesigen Unternehmen KI in ihren Betriebsabläufen.
Die Bitkom-Studie zeigt außerdem: Die größten Hemmnisse für den KI-Einsatz sind derzeit fehlende personelle Ressourcen, fehlende Daten, die Verunsicherung durch rechtliche Hürden sowie fehlendes technisches Know-how. Dennoch fühlen sich Unternehmen von der anhaltenden KI-Euphorie angetrieben und springen teilweise unvorbereitet auf den fahrenden Zug auf, ohne über ausreichende Erfahrung oder Kenntnisse in diesem Bereichen zu verfügen. Deshalb ist es umso wichtiger, nicht nur aus einem reinen Wettbewerbsdruck heraus eine wegweisende und vor allem kostspielige sowie Ressourcen schluckende Entscheidung zu treffen, sondern als allererstes eine klare Strategie zu entwickeln.
Gerade wenn ein Unternehmen eine bestimmte Größe erreicht hat und mit großen Datenmengen arbeitet und Modelle entwickelt, die skaliert werden müssen, ist eine Machine-Learning-Plattform unerlässlich. Mithilfe einer ML-Plattform wie wir sie in Mollie implementiert haben, können Unternehmen Modelle einsetzen, um beispielsweise verdächtige Aktivitäten und potenziellen Betrug frühzeitig zu erkennen. Die Implementierung von KI und die Nutzung komplexer Machine-Learning-Modelle erfordern eine solide technische Infrastruktur, um diese Modelle in großem Maßstab entwickeln und effektiv einsetzen zu können. Eine leistungsstarke Infrastruktur ist dabei ein entscheidender Bestandteil, um den Erfolg von KI-gesteuerten Prozessen und Anwendungen zu gewährleisten. Ich empfehle daher folgende Maßnahmen, die Unternehmen bei der Umsetzung berücksichtigen sollten:
1. Zielgerichteter Einsatz neuer Technologien
Es ist für Unternehmen empfehlenswert, zunächst klare Ziele und Mehrwerte festzulegen, die sie mit der Implementierung von ML erreichen möchten. Es sollte festgelegt werden, welche Geschäftsprobleme gelöst werden sollen, wie ML dabei bestmöglich unterstützen kann und welche Geschäftsbereiche am meisten von der Implementierung profitieren. Wenn wir Fintech-Unternehmen als Beispiel nehmen, können sie aus dem Einsatz von Machine Learning in den Bereichen Kundenservice, Risikomanagement und Betrugserkennung erhebliche Vorteile ziehen. Durch die Anwendung von Machine-Learning-Modellen können diese Unternehmen effizientere und präzisere Lösungen entwickeln, um ihre Kunden optimal zu betreuen, Risiken zu minimieren und betrügerische Aktivitäten aufzudecken.
2. Datenqualität und -verfügbarkeit sicherstellen
Vor der Implementierung ist es ratsam, vorhandene Datenquellen zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie qualitativ hochwertig, vollständig und relevant sind. Außerdem sollten Unternehmen Lücken in den Daten erkennen und Maßnahmen ergreifen, um diese – falls notwendig – zu beheben. Die Integration von ML-Modellen in Unternehmen erfordert einen modernen Tech Stack, der Funktionen für die Speicherung und Verwaltung von Daten, einschließlich ihrer Schematik, Herkunft, Katalogisierung und Governance umfasst. Durch den Aufbau solcher Datengrundlagen können hochwertige ML-Modelle entwickelt werden. Es sollte unbedingt der Fehler vermieden werden, ältere Daten zu löschen, weil sie nicht mehr als relevant betrachtet werden. Unternehmen sollten diese Daten vielmehr so früh wie möglich dauerhaft und GDPR-konform speichern, um zukünftige Modellentwicklungen zu ermöglichen.
3. Datenethik und Datenschutz berücksichtigen
Vor dem Hintergrund bevorstehender KI-Verordnungen im EU-Raum wird ein verantwortungsbewusster Umgang mit KI-Technologien entscheidend sein. Unternehmen sollten ethische Aspekte von Anfang an berücksichtigen und sicherstellen, dass sie für vollständige Transparenz sowie Datenschutz und Datensicherheit sorgen. Dabei sollten sie die Herkunft, Funktionen und Speicherung von Daten genau betrachten. Zudem ist es wichtig sicherzustellen, dass die Datenverarbeitung den geltenden Datenschutzrichtlinien entspricht und die Privatsphäre der Kunden gewahrt wird.
Außerdem sollten Unternehmen sicherstellen, dass ihre ML-Plattformen Mechanismen zur Erklärbarkeit und Interpretation der Modellvorhersagen bieten. Das ermöglicht nicht nur eine verbesserte Entscheidungsfindung, sondern erleichtert auch die Kommunikation mit Kunden, Regulierungsbehörden und anderen Stakeholdern. Gerade im Hinblick auf Verordnungen und Richtlinien zur KI-Nutzung ist es wichtig, dass Unternehmen in der Lage sind, die Entscheidungen und Vorhersagen ihrer ML-Modelle nachvollziehbar zu erklären. Die Fähigkeit, zu verstehen, wie ein KI-Modell zu einer bestimmten Vorhersage gelangt, ermöglicht es Unternehmen, mögliche Bias-Effekte zu erkennen und ethische Implikationen zu berücksichtigen. Das ist ein lösbares Problem für die meisten herkömmlichen ML-Modelle, aber im Vergleich dazu haben GenAI-Modelle Schwierigkeiten in diesem Bereich.
4. Ressourcen und Kompetenzen auf- und ausbauen
Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie über das erforderliche Fachwissen und die Ressourcen verfügen, um die ML-Plattform erfolgreich zu implementieren und dann auch operativ zu betreiben. Hierbei ist die Zusammenarbeit zwischen dem Team der Datenspezialisten, ML-Ingenieuren und anderen Abteilungen innerhalb des Unternehmens entscheidend. Fachübergreifende Projektteams mit Experten aus verschiedenen Bereichen ermöglichen eine ganzheitliche Herangehensweise und eröffnen neue Perspektiven für innovative Lösungen. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen können unterschiedliche Fachkenntnisse und Erfahrungen kombiniert werden, was zu umfassenderen und effektiveren Ergebnissen führt. Damit diese Kooperationen in der Praxis realisiert werden, müssen neue Arbeitsweisen aufeinander abgestimmt werden, um eine stringente Struktur zu schaffen. Zusätzlich ist es ratsam, Schulungen und Weiterbildungen anzubieten, um das Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachbereichen zu verbessern. Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen kann es schwierig werden, da sie häufig nicht über ein vollständiges Team an Datenwissenschaftlern und ML-Ingenieuren verfügen. Die Zusammenarbeit mit einer IT-Consultancy-Agentur kann deshalb gerade am Anfang sinnvoll sein.
5. Maximales Potenzial für langfristige Skalierung
Wenn Unternehmen in Zukunft einen umfangreichen Einsatz und eine Erweiterung von ML und KI planen, empfiehlt es sich, moderne Best Practices wie MLOps und eine skalierbare ML-Plattform einzusetzen, die den wachsenden operativen Anforderungen des Unternehmens gerecht werden kann. Der Aufbau einer Cloud-basierten Daten- und ML-Plattform ermöglicht eine elastische Skalierung für wachsende Unternehmen. Durch die Nutzung von Cloud-Ressourcen können Unternehmen ihre Daten- und ML-Workloads flexibel anpassen. Das Resultat: eine effiziente Nutzung von Ressourcen und eine optimale Leistung. Die elastische Skalierung hilft Unternehmen dabei, mit steigenden Datenmengen und wachsenden Anforderungen Schritt zu halten, während gleichzeitig die Betriebskosten optimiert werden.
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