Digitaler Zwilling Digital Twin – wo das Industriegelände der Zukunft schon begonnen hat
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Industriegelände sollten eins ganz sicher nicht sein – und das ist eine Wundertüte voller Überraschungen. Der österreichische Stahl- und Technologiekonzern Voestalpine macht vor, wie sich genau dieses Problem mithilfe eines Digital Twins vermeiden lässt.

Um den Ansprüchen des Marktes gerecht zu werden, ist das Erweitern, Umbauen und Erneuern von Maschinen und den dazugehörigen Gebäuden für produzierende Unternehmen unvermeidlich. Tatsächlich ist der Aufbau eines Industriegeländes nie ganz abgeschlossen. Stattdessen befindet es sich in einem ständigen Wandel, bei dem Baustellen zur Tagesordnung gehören. Diese mit den unterschiedlichen Flächennutzungen und bestehenden Leitungsnetzen in Einklang zu bringen, ist jedoch nicht immer ganz einfach – und kann im schlimmsten Fall sogar zur Verschwendung knapper Ressourcen führen.
Ein Industriestandort, der genau für diese Problematik bereits eine passende Lösung gefunden hat, ist der österreichische Stahl- und Technologiekonzern Voestalpine. Bereits seit 2007 wurde hier daran gearbeitet, einen Digital Twin des Geländes zu erstellen. Heute hilft dieses Modell dem Unternehmen dabei, alles Wichtige im Blick zu behalten, um zum Beispiel bei Bauarbeiten keine Rohrleitung zu übersehen. Es bietet den Verantwortlichen außerdem die Chance, die Instandhaltung sowie Umbau- und Abrisspläne besser zu organisieren und dadurch nicht nur Zeit, sondern auch Geld zu sparen.
Location Intelligence als Grundlage des Digital Twin
Heute erstreckt sich das Gelände von Voestalpine über fünf Quadratkilometer und bildet damit die größte Produktionsstätte Österreichs. Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – gab es die ein oder andere Herausforderung, die für die Erstellung des Digital Twins überwunden werden musste. Einige Teile des Industriestandorts sind nämlich bereits mehr als 80 Jahre alt, weshalb nicht alle Daten in aufbereiteter Form vorlagen. Auch was den weiteren Ausbau betrifft, sind die Räumlichkeiten stark begrenzt, da im Osten die Donau und im Süden der Fluss Traun verlaufen. Auch der im Norden gelegene Chemiepark sowie die Stadt Linz im Westen lassen keine weitere Ausdehnung in die Breite zu. Ein Wachstum in die Höhe ist ebenfalls mit zahlreichen Einschränkungen verbunden. Hier gibt es viele Sonderanforderungen, weshalb jeder Um- und Ausbau bis ins Detail geplant werden muss.
An dieser Stelle kommt Location Intelligence ins Spiel: Denn wenn ein produzierendes Unternehmen sich nicht im Klaren über die teilweisen sehr kleinteiligen Elemente seines Geländes ist, fällt es ihm äußerst schwer, alle Ebenen und deren Wechselbeziehungen im Auge zu behalten und gleichzeitig stets die sicherheitsrelevanten und rechtlich geltenden Bestimmungen zu erfüllen. Um auch in Zukunft innovativ und planungsfähig und damit letztlich auch konkurrenzfähig bleiben zu können, ist aber genau das unverzichtbar.
Ein Legacy-Gelände wird digital
Damit dies in der Praxis reibungslos funktionieren kann, hat sich der Stahl- und Technologiekonzern dazu entschieden, ein 3D-Modell seines gesamten Geländes zu erstellen. Innerhalb verschiedener virtueller Layer gehörte hierzu unter anderem die visuelle Abbildung der 130 Kilometer langen Schienennetze ebenso wie die der über eine Gesamtlänge von etwa 500 Kilometer verlegten Rohrleitungen. Wie auf jedem anderen Industriegelände handelt es sich bei Letzterem jedoch nicht etwa um kleine Wasser- oder Gasleitungen. Stattdessen haben die Rohre einen Durchmesser von bis zu vier Metern, transportieren über 30 verschiedene Medien von A nach B und bilden dadurch die Lebensader für viele der Anlagen. Bei der Planung einer Baustelle nicht genau zu wissen, wo diese verlaufen, könnte fatale Folgen haben. Wird eine solche Leitung zum Beispiel angebohrt, zieht das nicht nur eine zusätzlich notwendige Reparatur nach sich, sondern könnte sogar zu einer Verschmutzung durch giftige Stoffe führen. Im Digital Twin des Voestalpine-Geländes werden all diese Rohrleitungen deshalb sowohl unter- als auch oberirdisch erfasst und können bei jedem Planungsprozess im notwendigen Maß berücksichtigt werden.
Die Informationen, die vor Ort generiert und nahezu in Echtzeit in dem 3D-Modell visualisiert werden, können darüber hinaus dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen, wenn es um die Investition in neue Transportfahrzeuge geht. Da sich die betreffenden Produktions- und Transportwege hier modellieren lassen, kann bereits im Vorfeld geprüft werden, ob beispielsweise die Höhe des Hallentors ausreichend ist und, ob innerhalb dieser genug Platz zum Wenden bleibt. Ähnliches gilt für die Wartung und Instandhaltung, was sich am Beispiel der Laiendefibrillatoren gut nachvollziehen lässt. Diese müssen einerseits laut Vorschrift auf dem Gelände verteilt zugänglich sein. Andererseits ist es wichtig, diese regelmäßig zu testen, damit sie im Notfall einwandfrei funktionieren. Mithilfe des Digital Twin wird dem Werksrettungsdienst beides deutlich erleichtert, da er hier einsehen kann, für welche Laiendefibrillatoren bald eine Wartung fällig wird und wo sich der genaue Standort befindet. Über eine Schnittstelle haben die zuständigen Mitarbeitenden außerdem die Möglichkeit, direkt auf die richtige Dokumentation für jedes Gerät zuzugreifen. So kann diese einfach ergänzt oder erneuert werden.
Eine Investition in die Zukunft
Das, was der Digital Twin vor Ort für den Stahl- und Technologiekonzern Voestalpine leistet, geht aber noch ein ganzes Stück darüber hinaus: Während mit ihm auch externe Dienstleister die Chance haben, sich auf dem riesigen Gelände zu orientieren, wird diese Funktion schon jetzt von etwa 4.000 Mitarbeitenden genutzt – unter anderem, um in ihm die Lage sowie die aktuellen Öffnungszeiten von Kantinen und Shops einzusehen.
Für die Zukunft ist der nächste Schritt schon geplant: Bald sollen zusätzlich Sensordaten in das Modell aufgenommen werden und noch mehr Transparenz über die aktuelle Situation auf dem Gelände schaffen. Dadurch ist Österreichs größtes Industriegelände bereits jetzt gerüstet, um den Anforderungen, mit denen es zukünftig umgehen muss, gerecht zu werden.
Dieser Artikel stammt von unserem Partnerportal MaschinenMarkt.
* Thomas Kijftenbelt ist Director Sales bei Esri DECH.
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