Kommentar von Dr. Michael Zimmer, Zurich Gruppe Deutschland Datensouveränität und KI-Automatisierung in der Versicherungsbranche
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Versicherer erheben und verarbeiten seit jeher enorme Datenmengen in ihren Geschäftsprozessen. Auch regulatorische und datenschutzrechtliche Anforderungen sind elementare Bestandteile, von der Risikobewertung bis hin zur Schadenbearbeitung. Datensouveränität als Basis für Automatisierung mittels KI trifft auf historisch gewachsene Strukturen. Datenmanagement bei Versicherern ist daher zuerst eine kulturelle und erst im zweiten Schritt eine technologische Aufgabe.

Datengetriebene Automatisierung mithilfe Künstlicher Intelligenz birgt großes Potenzial für Effizienzgewinne und die Entwicklung neuer Services. Darin liegen für Versicherer Chance und Herausforderung zugleich. Den unterschiedlichen Versicherungsprodukten liegen ähnliche Prozesse zugrunde, die sich gleichzeitig in zentralen Aspekten unterscheiden. So fallen grundsätzliche Schritte im Underwriting, Vertragsschluss oder der Schadenprüfung immer an, unabhängig ob ein Haus, ein Auto oder die persönliche Arbeitskraft abgesichert wird.
Spezialisierte Lösungen für einzelne Prozesse
Per E-Mail, auf dem Postweg, über Fotos, als PDF-Dokument oder per Spracherkennung: Daten erreichen Versicherungen über vielfältige Wege in verschiedensten Formen. Zudem variiert die Datenqualität enorm, beispielsweise von Bildaufnahmen oder auch bei der Vollständigkeit von ausgefüllten Formularen. Privat- und Unternehmenskunden unterscheiden sich nicht zuletzt in Umfang und Komplexität der zu verarbeitenden Daten. Im Ergebnis wurden für viele Prozesse je eigene Lösungen entwickelt. So ist es in der Versicherungsbranche keine Seltenheit, dass an einem einzelnen Antragsprozess eine Vielzahl Dienstleister beteiligt sind, die jeweils eine passgenaue Funktionalität einbringen. Im Ergebnis sind unzählige interne und externe Datensilos entstanden, die Automatisierung mittels KI zur Mammut-Aufgabe machen.
Von der Datenhoheit zur Datensouveränität
In den letzten drei bis fünf Jahren wurden in den Daten-Architekturen der KI auch mit der Cloud große Fortschritte erzielt. Diese ermöglichen eine sukzessive Reduktion der Komplexität in den Prozessketten. Leitendes Ziel ist es, die Hoheit über die wichtigsten Daten (wieder) zu erlangen. Wenn beispielsweise ein Dienstleister für die Datenextraktion und Analyse von Rechnungen beauftragt wurde, kommt es darauf an, nicht nur das Endergebnis zu erhalten. Um Herr über die Gestaltung der eigenen Prozesse zu werden, sind die Ergebnisse der Zwischenschritte oft von gleichwertiger Relevanz. Insbesondere vor dem Hintergrund der großen Bedeutung von gelabelten Rohdaten für das Training eigener KI-Lösungen.
Schnittstellen zu Partnern aufbrechen, die richtigen Daten sammeln und bestimmte Tätigkeiten selbst ausführen: Welches Mittel gewählt wird, ist vom übergeordneten Ziel abzuleiten, die Hoheit über die eigenen Daten und Prozesse aktiv zu gestalten.
Daten sind keine Macht des Einzelnen
Nur geteilt entfalten Daten ihr ganzes Potenzial. Von der Datenhoheit zur Datensouveränität gelangt nur, wem es gelingt auch die Silos im eigenen Unternehmen aufzubrechen. In der Vergangenheit wurden in der Versicherungsbranche zahlreiche KI-Labore gegründet und Experten eingekauft. Woran es vielfach mangelte, war die Integration mit den Fachabteilungen, wo letztlich der Mehrwert entsteht. Daten und KI müssen Hand in Hand mit den Fachabteilungen arbeiten. Eine solche Haltung in Verbindung mit Datenarchitekturen, bewusster Kanalisierung, Komplexitätsreduktion und der Auswahl der richtigen Cases hat großes Potenzial.
Data Warehouse und Data Lake bei Zurich Deutschland
Die Zurich Gruppe Deutschland hat das Datenmanagement sowohl über ein Cloud-basiertes Datawarehouse als auch einen Cloud-basierten Data Lake aufgesetzt. Aktuell werden Datenquellen angebunden, um die Analytics, KI sowie die Kernprozesse zu verbessern. Diese dispositiven Systeme sind die zentrale Quelle, um Informationen zusammenzufügen und nutzbar zu machen. Die Basis dafür sind saubere Mandantentrennung, Security-Konzepte sowie die Einbindung von Datenschutz und Betriebsrat.
Das Erreichen von Datensouveränität ist ein Marathon. Langfristige Investitionen in strategische Ressourcen, um Unabhängigkeit zu erreichen, zahlen sich nun aus. Im Ergebnis ist es möglich nach Mustern geprägt vorzugehen, also IT based pattern. Dadurch können Datenquellen standardisiert an den Lake angeschlossen und bspw. auch Host basierte Systeme durch Pattern angebunden oder neue Echtzeit-APIs mit Partnern realisiert werden.
Automatisierung auf solider Datenbasis
Eine solide Datenbasis im Unternehmen dient als Fundament für eine Automatisierungsplattform, die im Bausteinprinzip auf einzelne Geschäftsprozesse angepasst werden kann. Wir bei der Zurich Gruppe Deutschland sind aktuell dabei, ausgewählte Kompetenzen wieder bewusst zu integrieren und Partner sowie Systeme zusammenzuführen. Ziel sind wiederverwendbare Services, die auf den jeweiligen Einsatzzweck angepasst und optimiert werden. Unabhängig ob Anwaltsgutachten, Paragrafen, Rechnungen oder Makler-Wordings ausgelesen werden, steckt eine grundlegende Funktionalität dahinter. Ein solcher Baustein-Ansatz in Verbindung mit einer Orchestrierungsplattform, die zwischen den Systemen vermittelt, bildet ein Fundament für ein Datenmanagement bei Versicherungen auf der Höhe der Zeit.
Kompetenzen inhouse zusammenzuziehen, darf jedoch niemals Selbstzweck sein. Handlungsleitend ist die Verbesserung eigener KI-Fähigkeiten. Daher steht am Anfang die Bestandsaufnahme der vorhandenen Daten, gefolgt von einem Zielbild der gewünschten Einsatzzwecke. Darauf folgt die Prüfung, welche der Funktionalitäten, für die es bisher einen Dienstleister brauchte, durch den technologischen Wandel mittelfristig integriert werden können. Sind Anforderungen und Zielbild klar definiert, werden die notwendigen Trainingsdaten für die KI zusammengestellt. Grundsätzlich sind repetitive Vorgänge mit jeweils niedrigen finanziellen Summen hierfür besser geeignet, während spezialisierte Dienstleister bei komplexeren Fällen ihre Stärken ausspielen.
Datenkultur und Innovationsgeist wecken
Datennutzung kann niemals als rein technische Angelegenheit begriffen werden, sondern ist als erstes eine kulturelle Aufgabe. Um Daten aus unterschiedlichen Bereichen zu nutzen, müssen Data Warehouse, IT und die jeweiligen Fachbereiche zusammengeführt und etwaige Bereichsegoismen überwunden werden. Um die nötige Begeisterung und Unterstützung in den Fachbereichen zu bekommen, sind schnelle Erfolge der beste Hebel. Ist durch erste KI-Anwendungen ein konkreter Nutzen mess- und spürbar, folgen daraus oft automatisch weitere Projektideen.
Ein gesunder Innovationsgeist erfordert nicht zuletzt den Mut loszulegen. Die perfekte und voll integrierte Lösung existiert meist nur auf dem Papier. Jedes Unternehmen mit einem Data Lake und einer KI-Lösung verfügt über ausreichend Funktionalität, um mittelfristig Erfolge erzielen zu können. Entscheidend dafür ist es, statt einer großen Transformation, die Verbesserung konkreter Prozesse und Komponenten anzustreben, mittels derer sich Erfolge als Best Cases einstellen.
Ethik, Datenschutz und Compliance sind unverzichtbare Leitplanken
Die Grenzen im Umgang mit Daten sind in der Versicherungsbranche so vielfältig, wie die unterschiedlichen Sparten und Kundensegmente. In der Industrieversicherung gelten naturgemäß andere Regeln als in der Krankenversicherung. Diese gilt es bei der Entwicklung von Automatisierungslösungen zu berücksichtigen. Dokumente müssen korrekt gepflegt und abgelegt sowie die Löschfristen eingehalten werden. Freigaben der verantwortlichen Stellen für Datenschutz, Ethik und Compliance sollten daher fester Bestandteil im Projektplan sein. Letztlich muss sich der Einsatz von KI am Nutzen für Kunden und Individuen orientieren.
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