blog.electronica.de Wenn Autos mit Ampeln reden

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Moderne Automobile sind fahrende Computer, die ständig Daten erheben, speichern und senden. Mit neuen Technologien zur Echtzeitkommunikation öffnen sich die Fahrzeuge immer mehr dem Datenaustausch mit der Infrastruktur, anderen Autos und Passanten.

Bis 2020 sollen jährlich fünf Prozent mehr an Embedded-Funktionen für Informationsverarbeitung in Neufahrzeugen stecken.
Bis 2020 sollen jährlich fünf Prozent mehr an Embedded-Funktionen für Informationsverarbeitung in Neufahrzeugen stecken.
(Bild: Bild: Messe München)

Rund 250 Millionen vernetzte Fahrzeuge werden im Jahr 2020 auf den Straßen weltweit unterwegs sein, schätzen die Analysten von Gartner. Jedes fünfte Fahrzeug soll dann mit dem Internet vernetzt sein. Während 2016 um die 12 Millionen Neufahrzeuge mit Konnektivitätsfunktionen vom Band rollen werden, sollen es 2020 bereits fünf mal so viele sein, nämlich 61 Millionen, prognostizieren die US-Marktforscher. Dabei sollen jährlich fünf Prozent mehr Embedded-Funktionen für Informationsverarbeitung in Neufahrzeugen stecken.

Um das voll vernetzte Auto zu realisieren, das die Straße per Radar abtastet, die Umgebung mit 360-Grad-Kamera scannt und mit Ampeln und Fahrzeugen drahtlos Informationen austauscht, ist Kommunikation in Echtzeit die Voraussetzung. Aktuell verfügbare Netze reichen dafür nicht aus. Der heutige 4G-LTE-Mobilfunk ist auf maximal 300 MBit/s ausgelegt und hat zu lange Latenzzeiten.

Der neue Mobilfunkstandard 5G

Ab 2020 sollen sich mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G Daten mit 10 GBit/s übertragen lassen – also 33 mal schneller als mit LTE. Die Latenzzeiten sollen mit unter einer Millisekunde extrem niedrig sein. Der Energieverbrauch pro übertragenem Bit soll um den Faktor 1.000 sinken und der Stromverbrauch je Mobildienst um 90 Prozent. Die für 5G zusätzlich freigemachten Funkfrequenzen bis 6 GHz bedeuten schnelle Datenübertragung, allerdings auch weniger Leistung für die Sender. Deshalb entwickelte das Institut für Angewandte Festkörperphysik der Fraunhofer Gesellschaft (Halle A4 Stand 113) einen Leistungsverstärker aus Galliumnitrid, der mehr Daten schneller und energieeffizienter überträgt.

5G Automotive Association

Letzte Woche haben sich die großen deutsche Autobauer Audi, BMW und Daimler und die Netzwerkbetreiber Ericsson, Huawei und Nokia sowie die Chiphersteller Intel und Qualcomm zur „5G Automotive Association“ zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie die Technik für vernetzte und selbst fahrende Autos vorantreiben. Weitere Partner sind bereits im Gespräch. Auf der diesjährigen electronica können Sie Qualcomm (Halle A6 Stand 175), Intel (Halle A5 Stand 507) und Ericsson (Halle A4 Stand 260) ebenfalls finden.

Kurzstrecken-Kommunikation mit DSRC und WLAN 802.11p

Die funkbasierte Kommunikation von Fahrzeug-zu-Fahrzeug (C2C) und von Fahrzeug zu Straße (C2I) lässt sich über Dedicated Short Range Communication (DSRC) realisieren, die gezielte Kurzstrecken-Kommunikation. Die Dienste lassen sich von mobilen Stationen ausführen. Für DSRC ist der Frequenzbereich des neuen WLAN-Standards 802.11p zwischen 5,850 GHz und 5,925 GHz festgelegt. Er arbeitet mit sieben 10-MHz-Kanälen: sechs Dienstkanälen und einem Kanal für Steuerungsaufgaben. Seine Priorität besteht im Aufbau zuverlässiger Verbindungen mit geringer Latenz, um Informationen zu Position, Tempo und Bewegungsrichtung senden zu können. Mit DSRC sind Brutto-Datenraten bis 27 MBit/s über eine Distanz von einem Kilometer möglich.

Audis kommunizieren mit Ampeln

Noch in diesem Jahr gehen die ersten Car2X-Dienste von Audi an den Start: In Europa will der Ingolstädter Autobauer die „Verkehrszeicheninformation“ und „Gefahreninformation“ einführen, in den USA die „Ampelinformation“. Audi nutzt dazu künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Schwarmintelligenz. In Washington und Las Vegas sollen Autos von Audi demnächst mit Ampeln kommunizieren. Gegen Aufpreis wird in neuen Q7, A4 und A5 Audi Connect SIM verbaut, der die Übertragung von Ampelsignalen ermöglicht. Das Fahrzeug erfährt, wann die Ampel umspringt und kann seine Geschwindigkeit idealerweise so anpassen, dass es die Kreuzung ohne Abbremsen und Beschleunigung passiert.

In Deutschland wird es die Grüne Welle als Sonderausstattung vorerst nicht geben – aufgrund uneinheitlicher Standards, wie Audi sagt. Andere Experten sehen die Hürde eher darin, dass die Ampelsteuerung in Deutschland intelligenter ist als in den USA: Viele Kreuzungen verfügen über adaptive Steuerungen, die das Verkehrsaufkommen berücksichtigen. In Boston soll in Zusammenarbeit mit Audi zudem ein Parkhaus entstehen, in dem sich Autos fahrerlos in Zentimeterabstand selbst einparken.

Car2X-Studien von Mercedes, Volkswagen und Nissan

In Europa und den USA sind in der E-, C- und S-Klasse von Mercedes-Benz die Off-Street-Parking-Services von Inrix integriert. Die Dienste umfassen dynamische Echtzeitinformationen über öffentliche Parkplätze, die Lage von Parkhäusern, Stellplatzanzahl, aktuelle Belegung und Gebühreninfos. Wie der Personennahverkehr künftig aussehen könnte, demonstriert der Future Bus von Mercedes-Benz. Dank GPS-, Kamera- und Radardaten fährt er teilautomatisiert.

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Die Omnibus-Studie kommuniziert mit Ampeln, erkennt Fußgänger, Radfahrer und Hindernisse und bremst selbstständig. Volkswagen und LG entwickeln eine Cross-Over-Plattform für vernetzte Autos, die Connected-Car- und Smart-Home-Funktionen zusammenfasst, damit Fahrer intelligente Geräte wie Hausbeleuchtung oder Sicherheitssysteme von unterwegs steuern können.

Nissan beschäftigt sich mit der Frage, wie autonome Fahrzeuge ihr Handeln ankündigen können. Mit Hilfe von Leuchten und Anzeigen vermittelt das IDS Concept Car Fußgängern und Fahrzeugen, dass sie wahrgenommen werden. Ein LED-Band an der Seite des Autos leuchtet rot, wenn sich Fußgänger oder Radfahrer nähern. Ein Display vermittelt Passanten Botschaften.

Car2Car: Mehr Sicherheit und Effizienz durch Platooning

Bei der Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation (Car2Car) treten die Autos direkt über drahtlose Ad-hoc-Netzwerke in Kontakt. Sobald etwa der Konzept-Lkw VisionX von Bosch die Autobahn erreicht, gliedert sich der Lkw in den nächsten Platoon ein, verbindet sich per Funk mit den anderen Lastzügen und kann dann autonom fahren. Neben koordiniertem Bremsen, Gasgeben und Lenken ermöglicht das Windschattenfahren Kraftstoffersparnisse bis zu zehn Prozent.

Daimler Trucks will ab 2017 in allen Daimler-Lkws standardisierte Connectivity Hardware verbauen. Das Modul fungiert als Router, der Daten von den Fahrzeugsensoren und -kameras empfängt. Per Bluetooth, WLAN, 4G oder GPS soll das Bauteil mit der Infrastruktur, Fahrzeugen, Spediteuren und Werkstätten kommunizieren. Jaguar Land Rover arbeitet an autonom fahrenden Geländewagen, die sich drahtlos zu Off-Road-Kolonnen zusammenschließen. Ultraschall-, Radar- und LiDAR-Sensoren mit 360-Grad-Kameras erkennen die Oberflächenbeschaffenheit des Untergrunds. Per DSRC vernetzte Range Rover Sport teilen sich gegenseitig Position, Radschlupf und Achsverschränkung mit. So erfahren die anderen Fahrer zum Beispiel sofort, wenn ein Fahrzeug an einem Felsblock ins Rutschen kommt.

Echtzeitkarten und eCall

Kartendienst Here hat angekündigt, ab 2017 markenübergreifend Echtzeitinformationen zum Straßenverkehr zu liefern, die auf Fahrzeugsensorendaten basieren. Zunächst sollen nur die Autos von Daimler, BMW und Audi an den Service angeschlossen werden. Die Hersteller hatten Here im Dezember für 2,8 Milliarden Euro übernommen.

Als erste Straße in Deutschland wird die A9 in Bayern komplett mit Radarsensorik ausgerüstet. Unternehmen aus aller Welt können hier Technologien im Realbetrieb erproben. Die ersten Sensorikanlagen sollen 2017 in Betrieb gehen. Ein weiterer Schritt in Richtung voll vernetzes Auto ist eCall (emergency call): Ab 31. März 2018 soll das automatische Notrufsystem verpflichtend in alle neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge eingebaut werden. Im Auto montierte Geräte sollen Verkehrsunfälle dann an die europäische Notrufnummer 112 melden.

Datenkrake Pkw

Das vernetzte Auto sammelt jede Menge Daten zu Fahrer, Fahrzeug und Umgebung. Hersteller nutzen sie, um Autos zu verbessern sowie Upgrades und digitale Dienste zu verkaufen. Pannendienst und Werkstätten können Kunden gezielter und schneller betreuen. Natürlich besteht auch die technische Möglichkeit, dass Versicherungen Informationen über den Fahrstil des Autofahrers erhalten.

Welche Daten erhoben werden, wissen meist nur die Hersteller. Der ADAC hat deshalb anhand verbreiteter Fahrzeugmodelle untersucht, welche Daten gesammelt werden: Die Mercedes B-Klasse übermittelt laut ADAC alle zwei Minuten die GPS-Position sowie Kilometerstand, Kraftstoffverbrauch und Reifendruck an den Hersteller. Ebenso würde die Anzahl der Gurtstraffungen gespeichert. Beim Renault Zoe hätten sich per Mobilfunk beliebige Informationen auslesen lassen.

Zudem könne der Hersteller das Laden der Batterie verhindern, etwa bei nicht bezahlten Leasing-Rechnungen. Bei BMWs hätten sich 2015 unter anderem die Anzahl eingelegter CDs (320d) und die 100 letzten Abstellpositionen des Autos (i3) auslesen lassen. Der Automobilclub fordert, dass die Verbraucher detailliert Kenntnis über den Datenaustausch erhalten und ihm aktiv zustimmen müssen. Zudem sollen sie auch anderen als herstellereigenen Anbietern Zugang zu den Daten erteilen können.

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Dieser Artikel stammt von unserem Partnerportal Elektronikpraxis. Verantwortlicher Redakteur: Johann Wiesböck

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