Infrastrukturen Was steckt hinter dem Internet der Dinge?
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Das Internet der Dinge ist derzeit das Trendthema schlechthin. Doch was steckt dahinter? Geht es nur um netzwerkfähige Embedded-Systeme? Dieser Artikel vermittelt die wichtigsten Grundlagen.

Der Begriff „Internet der Dinge“ wurde erstmals 1999 von dem Briten Kevin Ashton im Zusammenhang mit RFID (Funktechnologie zur berührungslosen Identifikation von Objekten) dokumentiert. Die Idee lautete, physikalische Objekte mit einem RFID-Transponder zu versehen, um sie so eindeutig elektronisch identifizierbar zu machen. Jedes physikalische Objekt sollte praktisch ein Gegenstück im „Cyberspace“ haben, wobei die Verbindung zwischen realer und virtueller Instanz über eine eindeutige Identifizierung, etwa in Form einer URL, erfolgt.
Nachdem der anfängliche Hype um RFID bald wieder abflaute, verschwand der Begriff „Internet der Dinge“ für einige Zeit in der Versenkung, bis er Anfang dieses Jahrzehnts in neuer Bedeutung wieder auftauchte.
Dinge, Kommunikation und Computer
Was steckt nun hinter dem Internet der Dinge? Zunächst einmal braucht man die Dinge selbst. Darunter versteht man vernetzte „smarte Produkte“ und andere Gegenstände, die ein Computersystem (Microcontroller), Sensoren und Software mit Kommunikationstechnik kombinieren. Darüber hinaus benötigt man eine Kommunikationsinfrastruktur, welche die Dinge mit dem Internet verbindet.
Das umfasst energiesparende drahtlose PANs (Personal Area Networks) wie ZigBee oder Bluetooth, lokale Netzwerke (WLAN, Ethernet), bis hin zu weitläufigen Breitbandnetzwerken (ADSL, UMTS, 4G).
Zuletzt benötigt man eine leistungsfähige Computerinfrastruktur, um alle angebundenen Dinge zu verwalten sowie um die anfallenden Daten zu verarbeiten. Gerade erst durch die Verarbeitung aller in massiver Form anfallenden Daten – Stichwort „Big Data“ – durch neuartige Datenerfassungs- und Analyse-Software ergeben sich neue Arten der Wertschöpfung beziehungsweise neue Geschäftsideen.
Das Internet der Dinge ist die logische Fortführung einer Entwicklung, die mit der weitläufigen Verbreitung des Internets Mitte der 1990er Jahre begann. Mit der Verfügbarkeit des iPhone und anderer Smartphones ab 2007 sowie entsprechender Entwicklungen im Mobilfunkbereich machte das Internet den Schritt von örtlich gebundener Verfügbarkeit (PC) hin zu ständiger mobiler Verfügbarkeit, allerdings immer noch beschränkt auf spezielle Endgeräte (Smartphones, Tablets). Das Internet der Dinge integriert letztlich das Internet in Dinge beziehungsweise in Geräte und Maschinen des alltäglichen Gebrauchs und macht es somit unabhängig von speziellen Endgeräten.
Exkurs: Industrial Internet und Industrie 4.0
Das Industrial Internet bezeichnet die Anwendung von IoT-Techniken im Bereich der Industrie, wobei mit Industrie in diesem Zusammenhang nicht nur die industrielle Fertigung gemeint ist, sondern alles was nicht in den Konsumbereich fällt. Somit fallen neben herkömmlicher Automatisierungstechnik auch die Bereiche Medizintechnik, Gebäudetechnik, Smart Grid, Logistik und dergleichen unter Industrial Internet.
Der Begriff ist somit nicht direkt mit dem in Deutschland geprägten Terminus „Industrie 4.0“ vergleichbar, der einen wesentlich engeren Bezug zur industriellen Produktion, insbesondere der Optimierung des Fertigungsprozesses bis zur theoretischen Losgröße 1 mit Hilfe von neuen Technologien, hat, quasi die vierte Industrielle Revolution.
Generell leidet der Begriff Industrie 4.0 darunter, stark politisch vereinnahmt zu sein und hauptsächlich Arbeitsgruppen und viel Papier zu produzieren. Einen pragmatischeren Weg geht das US-lastige, aber mittlerweile international besetzte Industrial Internet Consortium, welches konkret an sogenannten Testbeds und Quasi-Standards arbeitet. In letzter Zeit ist allerdings eine Annäherung zwischen den Industrie 4.0 und IIC-Arbeitsgruppen wahrnehmbar.
Um ein mögliches Missverständnis auszuräumen: Industrial Internet oder Industrie 4.0 bedeutet nicht, die gesamte Fertigung ans Internet zu hängen. Vielmehr ist die Nutzung von Internet-Techniken gemeint, die sehr wohl auch in einem vom offenen Internet möglichst gut abgesicherten Firmennetz erfolgen kann. Ziel ist dabei eine verbesserte Integration der Automatisierungsebene und des entstehenden Produktes untereinander, sowie mit den IT-Systemen (etwa ERP und CRM) des Unternehmens über den gesamten Lebenszyklus des Produktes.
Hohe Erwartungen, große Herausforderungen
Betrachtet man diverse Marktstudien zum Thema IoT, so wird man mit gigantischen Fantasiezahlen überschüttet. Je nach Studie erwartet man für 2020 zwischen 5 und 50 Milliarden „connected devices“. Inwieweit sich diese Prognosen bewahrheiten werden, sei dahingestellt. Mit Sicherheit kann jedoch gesagt werden, dass die Konzepte hinter IoT bleiben werden, auch wenn der Begriff IoT in ein paar Jahren vielleicht durch einen neuen Marketingbegriff abgelöst werden wird.
Aus technischer Sicht ist zu erwähnen, dass alle für das IoT notwendigen Technologien bereits verfügbar sind. Das IoT ist somit kein vornehmlich technisches Problem mehr. Die eigentliche Herausforderung ist die vollständige Umstrukturierung von Geschäftsmodellen und Geschäftsprozessen, die die Unternehmen meistern müssen.
Der Blick auf das IoT von der technischen Seite
Betrachten wir das Internet der Dinge von der technischen Seite. In den letzten Jahren entstand eine Vielzahl von Techniken, die verschiedene Aspekte oder Ebenen des IoT abdecken. Eine typische Referenzarchitektur für ein IoT-System besteht aus folgenden Komponenten: Sensoren beziehungsweise Aktoren, die etwa über ein drahtloses Sensornetzwerk mit einem IoT-Gateway (auch Basisstation genannt) verbunden sind.
Dieses Gateway hat die Aufgabe, mit den angeschlossenen Sensoren oder Aktoren zu kommunizieren und in weiterer Folge die Verbindung zur nächsthöheren Ebene, oft als Cloud bezeichnet, herzustellen. In der Cloud wiederum laufen all jene Applikationen, die die anfallenden Daten auswerten und in die Geschäftsprozesse des Unternehmens integrieren. Ob diese Applikationen jetzt auf einem öffentlichen („public“) Cloud-Service im Internet laufen, oder im privaten Rechenzentrum („private“ Cloud) eines Unternehmens, ist hier zweitrangig, da die Kommunikation in beiden Fällen gleich abläuft.
Security-Aspekte, insbesondere verschlüsselte Kommunikation und Datenschutz, sind aber unbedingt zu berücksichtigen. Diese Architektur ist natürlich nicht in Stein gemeißelt. So können die Rollen von IoT-Gateway und Sensor/Aktor vom selben Gerät übernommen werden. Der Kommunikationsfluss ist in beide Richtungen möglich. Dinge können Informationen aus der Cloud beziehen und auch lokal untereinander, ohne Umweg über die Cloud, kommunizieren.
Beginnen wir bei den kleinsten Geräten wie Sensoren oder Aktoren, die über ein Sensornetzwerk untereinander sowie mit einem IoT-Gateway (Basisstation), verbunden sind. Diese Devices basieren üblicherweise auf einem kleinen 8, 16 oder 32-Bit-Microcontroller wie einem Atmel AVR oder einem ARM Cortex M. Zur Vernetzung kommt ein typischerweise ein auf IEEE 802.15.4-basiertes Funknetzwerk zum Einsatz.
Für diese Devices wurden eine Reihe von kleinen, spezialisierten Betriebssystemen entwickelt, wie etwa Contiki, Tiny OS, RIOT oder mbed. Diesen Systemen ist gemein, dass sie von Grund auf für Vernetzung, als auch Energieeffizienz ausgelegt sind.
6LoWPAN und CoAP dürften sich hier als Standard-Netzwerkprotokolle etablieren, da diese Protokolle offen und frei verfügbar sind. Techniken wie ZigBee, Z-Wave, Bluetooth, Enocean, Thread, aber auch Wi-Fi, kommen hier ebenfalls zum Einsatz. Im Industriebereich sind auch Feldbussysteme anzutreffen, OPC-UA und DDS sind ebenso von Bedeutung.
IoT-Gateways kommt eine Vermittlungsfunktion zu
Das IoT-Gateway stellt das Bindeglied zwischen den kleinen Geräten, den Sensornetzwerken und der Internet-Welt dar. IoT-Gateways sind oft Linux-basierte Geräte mit leistungsfähigen ARM Cortex-A- oder Intel Quark/Atom-CPUs. Diverse Netzwerkschnittstellen sorgen für Konnektivität, ein UMTS/4-G-Modul für mobilen Internetzugang kann integriert sein.
Neben ihrer Funktion als Übersetzer und Vermittler zwischen Sensor und Cloud/IT-Welt können Gateways auch komplexere Applikationen ausführen. Beispiele sind die Filterung, Vorverarbeitung und Protokollierung von Sensordaten, (unkritische) Steuerungsaufgaben, Alarmierungen per SMS oder E-Mail, Visualisierungen von Anlagenzuständen über eine Webseite und so fort.
Der sichere Fernzugriff über VPN oder Relay-Services wie my-devices.net ist ebenso hier angesiedelt. Letztlich ist es jedoch meistens das Ziel, die erfassten Daten an einen Server weiterzusenden, wo sie in einer Datenbank gespeichert, mit anderen Daten kombiniert und analysiert werden.
Zur Kommunikation zwischen Gateway und Server haben sich zwei Protokolle etabliert. Zunächst einmal werden HTTP/REST-Webservices verwendet, die sich im Internet-Bereich weitgehend als Standard etabliert haben. Ausgezeichnet für das IoT eignet sich allerdings das MQTT-Protokoll.
Obwohl bereits seit 1999 entwickelt, erfreut es sich erst seit kurzer Zeit großer Beliebtheit. Ein Grund dafür ist einerseits die Effizienz, speziell im Vergleich zu HTTP. Andererseits ist MQTT sehr robust, was gerade im Fall schlechter Verbindungen ein Vorteil ist. MQTT ist auf die Übertragung von Telemetriedaten optimiert, was sich auch im Namen – Message Queueing Telemetry Transport – widerspiegelt.
Eine spezielle Eigenschaft von MQTT ist, dass Sender und Empfänger einer Nachricht nicht direkt miteinander kommunizieren. Die Kommunikation läuft immer über einen sogenannten Broker, nach dem Publish-Subscribe-Verfahren. Das heißt, ein Gerät oder eine Applikation, die Nachrichten senden möchte, sendet diese unter einem sogenannten „Topic“, einem hierarchisch aufgebauten Namen.
Geräte oder Applikationen, die Daten empfangen möchten, geben jene Topics an, zu denen sie Nachrichten empfangen möchten. Aufgabe des Brokers ist es, alle Nachrichten den interessierten Empfängern zuzustellen. Jeder Teilnehmer (im MQTT-Jargon „Client“) kann gleichzeitig Sender und Empfänger sein. Der MQTT-Broker ist für die Authentifizierung und Autorisierung der Clients verantwortlich.
Die Kommunikation erfolgt üblicherweise verschlüsselt (SSL/TLS), so dass ein hohes Maß an Datensicherheit erreicht werden kann. Ein wichtiger Grund für die Beliebtheit von MQTT ist die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Open-Source-Implementierungen für viele Plattformen.
Schneller Einstieg ins Internet der Dinge
Dank preiswerter Hardware und frei verfügbarer Open-Source-Software ist für experimentierfreudige Techniker der Einstieg recht schnell möglich. So bietet das deutsche Unternehmen Tinkerforge diverse Sensoren und Aktoren an, die per USB einfach mit einem PC oder Kleincomputer wie einem Raspberry Pi oder BeagleBone, der als IoT-Gateway dient, verbunden werden können.
Als Software für den IoT-Gateway bietet sich das Open-Source-Projekt macchina.io an. Damit kann eine Applikation für Linux-basierte IoT-Gateways in JavaScript und/oder C++ entwickelt werden. Programmierschnittstellen zum Zugriff auf diverse Sensoren als auch Cloud-Dienste ermöglichen rasche Erfolgserlebnisse.
* Günter Obiltschnig ist Initiator von Open-Source-Projekten wie POCO C++ Libraries, IoT-Berater und Gründer des Unternehmens Applied Informatics.
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