Omni- und Cross-Channel-Konzepte Stationärer Handel: Aufschwung dank Beacons und Big Data?

Autor Sylvia Lösel |

Je erfolgreicher der E-Commerce wurde, desto düsterer wurden die Prognosen für den stationären Einzelhandel. Doch neue Technologien könnten für Impulse sorgen. Das Problem: Es gibt so viele davon, dass man genau prüfen sollte, auf welchen Zug man aufspringt.

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Der stationäre Handel ist im Aufwind. Digitale Konzepte könnten ihn weiter beflügeln.
Der stationäre Handel ist im Aufwind. Digitale Konzepte könnten ihn weiter beflügeln.
(Bild: vlights_Fotolia.com)

Das Schlagwort Omni-Channel ist in aller Munde. Darunter versteht man landläufig die Verzahnung unterschiedlicher Vertriebskanäle und Technologien: Websites, Ladengeschäfte, Apps und E-Mails. Auch in Deutschland haben einige Händler in den vergangenen Jahren mit Beacons experimentiert und hier wertvolle Erfahrungen gesammelt. Darüber hinaus nutzen Händler ihre Kundendatenbank, um Werbe-Mails zu verschicken, das Warenwirtschaftssystem zeigt, was nachbestellt werden muss und Push-Mail-Systeme sollen den Kunden im Laden zu Angeboten locken. An Kreativität und Technologie-Affinität liegt es also nicht, wenn es im stationären Handel nicht so ganz rund läuft. Doch all diese Aktionen und Technologien haben in den meisten Fällen noch einen Haken: Sie sind nicht miteinander verknüpft.

Zu wenig experimentierfreudig

So findet auch eine Studie von Strategy&, einer Tochter der Marktforscher von PwC: „Während Deutschland sich hinsichtlich der Anzahl von E-Commerce-Transaktionen auf Augenhöhe mit den USA befindet, setzen bisher noch zu wenige Einzelhändler auf eine konsequente Verzahnung von Online- und Offline-Kanälen.“

„Naturgemäß finden wir im Elektroeinzelhandel die größte Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Innovationen auf beiden Seiten der Ladentheke. Hinzu kommt, dass diese Innovationen sich mit relativ geringem Aufwand auch vergleichen und bewerten lassen. Doch auch im Bereich Consumer Electronics ist der Ausbau des Omni-Channel-Vertriebs kein Selbstläufer“, sagt Benedikt Schmaus, Strategy&-Partner und Co-Autor der Studie.

„Händler müssen sich voll auf das neue Geschäftsmodell einlassen. Das betrifft die organisatorische Struktur, die Unternehmenskultur und die Allokation von Investitionen. Jede strategische Entscheidung muss alle Kanäle und deren Verknüpfung mitbedenken“, so Schmaus weiter.

Goldgräberstimmung

Gerade Unternehmen aus dem Bereich Business Intelligence (BI) und Analytics sehen im Moment eine Riesenchance, ihre Lösungen hier zu platzieren. „Vor wenigen Jahren galt der stationäre Handel als Auslaufmodell. Auch aufgrund der Verfügbarkeit von Daten erwarten wir ihn jedoch 2016 mit neuer Stärke zurück", frohlockt Nathan Jagoda, Country Manager Deutschland beim BI-Spezialisten Information Builders. Das Unternehmen nennt drei Bereiche, in denen „Einzelhändler eine gute Chance hätten, sich durch Technologien in Verbindung mit Big-Data-Lösungen optimal zu positionieren“:

Beacons in Verbindung mit Analytics-Software ermöglichten so beispielsweise die Bestimmung von Position, Verweildauer und Bewegung eines Kunden, angereichert um die Information, welches Budget ihm zur Verfügung steht. Darauf basierend könnten individuelle Rabatte eingeräumt oder die Ware für den Käufer attraktiver positioniert werden.

Echtzeitdaten könnten Händler dafür nutzen, ad hoc die Preise zu ändern, zum Beispiel, wenn eine Kundin zum wiederholten Mal an einem Kleid vorbeiläuft, das sie schon einmal anprobiert hatte.

Als drittes Beispiel nennt er Push-Nachrichten, die dem Kunden beim Kauf eines Fernsehers zum Beispiel daran erinnern, dass er an Batterien für die Fernbedienung denken soll.

Dennoch bleibt bislang das Problem, dass all die Daten in unterschiedlichen Systemen vorgehalten wurden.

Plattformübergreifende Systeme

Erkannt haben das beispielsweise BT, Intel, Nexgen Packaging, Retailnext und Sato Global Solutions. Sie haben zusammen die Acuitas Digital Alliance gegründet. Hier arbeiten Spezialisten aus den Bereichen Netzwerk, Hardware, Software, Analytics, Content-Management, IT-Sicherheit und Cloud-Services daran, Sensoren, Software und Analyseverfahren für das IoT in eine einzige Lösung zu integrieren. In einer Pressemitteilung heißt es: „Der Handel war daher bislang gezwungen, mit einem Flickwerk verschiedener Technologien zu arbeiten – mit der Folge, dass die Performance litt und Daten, die von den einzelnen Geräten entlang der Lieferkette und am Point-of-Sale erfasst wurden, isoliert in separaten Datensilos liegen. Händler erhalten so nur begrenzte Einblicke in das Kundenverhalten und erfahren nur wenig darüber, wie sie die Angebote und die betrieblichen Abläufe in den Läden verbessern können.“

Auch die Software AG hat die Zeichen der Zeit erkannt, und eine Plattform vorgestellt, mit der Kunden Echtzeit-Analysen und Prognosen erhalten, die aus den Daten von Sensoren und Apps gewonnen werden. Oliver Guy, Retail Industry Director, erläutert: „Gestützt auf solche Echtzeitdaten können zum Beispiel Filialleiter bei hoher punktueller Nachfrage Personal in ,heiße Bereiche‘ dirigieren.“ Und weiter: „Die Ladengeschäfte wandeln sich von reinen Verkaufsstellen zu zentralen Knotenpunkten, an denen alle Vertriebskanäle zusammenlaufen.“

Analog dazu „verknotet“ auch die Software so einiges:

  • Anbindung sämtlicher Datenquellen: Sensoren und Feeds, Prognosemodell, lokale Lagerbestandsverwaltung, PoS, externe Daten und beliebige weitere Quellen
  • Echtzeitinformationen über das Geschehen im Laden
  • Automatische Anpassung verkaufsfördernder Maßnahmen
  • Prognosen z.B. in Hinblick auf mehr Personal oder Regal-Auffüllung
  • Automatisierung von Abläufen

Kommentar

Auch wenn diese Zusammenführung von Informationen ein weiterer Schritt hin zu einer Vereinfachung digitaler Prozesse im Ladengeschäft sein mag, ist es noch ein weiter Weg, bis sich diese Modelle flächendeckend durchsetzen werden. Und bei all der Digitalisierung sollte doch eines nicht vergessen werden: der persönliche Kontakt zum Verkäufer. Ein guter Verkäufer weist den Kunden eben auch darauf hin, dass er Batterien für die Fernbedienung braucht – dafür muss nicht in digitale Technik investiert werden, sondern in Personal.

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