Kommentar von Frank Föge, Nitrobox Servitization als Chance für die Industrie 4.0

Von Frank Föge Lesedauer: 5 min |

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Mit dem Aufkommen neuer, digitaler Geschäftsmodelle rückt verstärkt der Service-Aspekt in den Vordergrund. Bei diesem kundenzentrierten Ansatz blicken Unternehmen über rein physische Industrieprodukte wie Anlagen, Geräte und Maschinen hinaus und lenken den Fokus auch auf die zusätzliche Serviceleistung. Dieser Beitrag erklärt, welche Vorteile dieser Ansatz hat, und welche Rolle eine moderne Daten-Infrastruktur hierbei spielt.

Der Autor: Frank Föge ist Head of Sales bei Nitrobox
Der Autor: Frank Föge ist Head of Sales bei Nitrobox
(Bild: Nitrobox)

Smarte Anlagen sind heute fast schon Normalität in der Industrie 4.0. Dabei wird das mögliche Wertschöpfungspotenzial jedoch nicht voll ausgeschöpft, denn angesichts intelligenter IoT-Technologie, die zum Beispiel aussagekräftige Nutzungsdaten sammelt, ist vor allem der Mittelstand immer noch nicht in der Lage, zusätzliche Einnahmequellen daraus zu erschließen und Wachstum zu erzeugen. Für dauerhaft mehr Wettbewerbsfähigkeit ist hier schnelles Handeln gefragt: Gerade bei industriespezifischen Geschäftsmodellen wie Equipment-as-a-Service lässt sich dadurch nicht nur die Monetarisierung von Anlagen bis in den After-Sales-Bereich hinein erweitern, sondern auch die Gesamtanlageneffektivität optimieren sowie die Kundenbindung durch maßgeschneiderte Services verbessern.

Immer noch klassische Monetarisierungs- und Wachstumsmodelle

Aktuell herrschen aber oft noch klassische Monetarisierungsmodelle vor. Danach lässt sich Wachstum nur durch zusätzlich verkaufte Einheiten erzielen. Anders bei der sogenannten Servitization: Gerade im Servicegedanken verbirgt sich das größte Innovations- und Wachstumspotenzial, weil er die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden in den Mittelpunkt unternehmerischen Handelns stellt und auch Geschäftsbereiche monetarisiert, die bisher außer Acht gelassen wurden, beispielsweise das lukrative After-Sales-Geschäft.

Gute Voraussetzungen für Servitization in der Industrie 4.0

Gute Voraussetzungen dafür sind bereits gegeben. Denn so gut wie alle Erzeugnisse aus der Fertigungsindustrie sind im Sinne der Industrie 4.0, die miteinander vernetzte Maschinen und Anlagen anstrebt, mittlerweile IoT-fähig. Dadurch sind OEMs in der Lage, Nutzungsdaten von Maschinen, Geräten und Anlagen direkt von ihren Kunden einzusammeln. Die liefern unter anderem auch Informationen zur Häufigkeit und Intensität der Nutzung.

Ein Beispiel hierfür wäre ein Automobilhersteller, der auf diese Weise seine IoT-fähige Produktionstechnologie überwachen könnte. Denn die Anlagen sammeln Daten darüber, wie oft jede Maschine genutzt wird, aber auch, wie lange, wann und wie sie arbeitet. Auf Basis dieser Insights optimieren zahlreiche Unternehmen bereits ihre Prozesse, indem sie die Notwendigkeit menschlichen Eingreifens etwa durch vorausschauende Wartung reduzieren. Aber: Darüber hinaus könnten dieselben Daten in Abhängigkeit der Maschinentaktung präzise bestimmen, wie viel ein Kunde, der diese Maschinen einsetzt, für die Nutzung zahlen müsste.

Kunde rückt in den Mittelpunkt

Durch die Verwendung solcher Daten für ein nutzungs- und servicebasiertes Abrechnungsmodell heben sich Unternehmen vom Wettbewerb ab. Denn es steht für ein ganz wesentliches Unterscheidungskriterium: dass Unternehmen dazu bereit sind, ihr Geschäftsmodell auch zugunsten der Kunden weiterzuentwickeln. Denn in diesem Szenario geben Kunden den Ausschlag, wie viel für einen bestimmten Service letztlich gezahlt wird. Das sorgt für eine fundamental neue Beziehungen zwischen Kunden und Herstellern. Ein Beispiel: Beim Kauf einer Kaffeemaschine, für die eine einmalige Gebühr anfällt, endet die Beziehung recht zügig. Für Hersteller, die jedoch regelmäßig eine verbrauchsabhängige Rechnung stellen, bleibt die Beziehung zu den Kunden bestehen. Das führt zu einer höheren Loyalität und, damit verbunden, weiteren Upselling-Möglichkeiten.

Pay per Use? Digitale Pioniere machen es vor

Geht es um den Nutzen von Pay-per-Use im industriellen Bereich, lohnt ein Blick auf digitale Pioniere wie Netflix, Dropbox Amazon Cloud Services (AWS) und andere. Mittlerweile ist deren Abonnement-Idee auch aus vielen anderen Branchen nicht mehr wegzudenken. Aus gutem Grund: Denn im Gegensatz zu herkömmlichen Geschäftsmodellen bringen Abonnements sowohl den Verbrauchern als auch den Unternehmen viele Vorteile.

Einerseits erhalten Kunden Zugang zu notwendigen, aber auch innovativen Services, ohne dafür viel Geld ausgeben zu müssen. Stattdessen zahlen sie nur eine Reihe kleiner monatlicher Beträge. Damit das funktioniert, müssen die monatlichen Gebühren niedrig genug sein, um die fehlenden Eigentumsvorteile zu rechtfertigen.

Andererseits erschließen Abonnements aus Unternehmenssicht vorhersehbare Einnahmequellen und ermöglichen aus diesem Grund präzisere Umsatzprognosen. Und: Sie stärken die Kundenbindung, schaffen einen höheren Customer-Lifetime-Value und liefern wertvolle Daten über das Kundenverhalten. Diese fördern wiederum die Entwicklung neuer Service-Produkte, was mit Blick auf strategisch kluges Upselling in mehr Wachstum resultiert.

Die Herausforderungen nutzungsbasierter Preismodelle

Trotz der vielen Vorteile, die vor diesem Hintergrund auch nutzungsbasierte Preismodelle auf der Grundlage von IoT-Daten mit sich bringen, gibt es bei deren Implementierung einige Hürden zu überwinden. Dabei gilt es, die drei folgenden Voraussetzungen zu erfüllen:

1. IoT-Konnektivität

Die IoT-Konnektivität stellt für viele Unternehmen noch immer eine Preishürde dar. Denn um ein servicebasiertes Geschäftsmodell, welches sich über die Nutzungsfrequenz einer Maschine monetarisiert, zu installieren, müssen die Maschinen, die ein Hersteller baut und vermietet oder verkauft, IoT-fähig sein. Erst dann sind sie in der Lage, Daten zu liefern, auf deren Basis sich ein nutzungsbasiertes Preismodell installieren lässt.

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2. Preisgestaltung

Die nutzungsabhängige Preisgestaltung muss sorgfältig ausgearbeitet werden. Dabei sollten die Interessen der Nutzer respektive Kunden im Vordergrund stehen.

Hersteller, die Anwender vom Nutzen des Modells nicht überzeugen, laufen Gefahr, Kunden zu verlieren. Das lässt sich durch eine transparente Marketing-Strategie, die zentrale Verkaufsargumente herausarbeitet und kommuniziert, verhindern. Besonders wichtig ist dabei dieser Punkt: Bei nutzungsbasierten Modellen handelt es sich nicht mehr um große Investitionsentscheidungen, die eine entsprechende Kapitalbindung verursachen (Capex), sondern um einen deutlich kleineren, regelmäßigen Betriebsaufwand (Opex).

3. Monetarisierungs- und Abrechnungsprozess

Nutzungsbasierte Monetarisierungsmodelle erfordern einen wiederkehrenden Abrechnungsprozess. Gerade in der Industrie, in der Handels- und Kundenbeziehungen zunehmend international werden, gerät die Fakturierung unter der Voraussetzung der Servitization sehr schnell unter Druck, wenn zum Beispiel Rechnungen in unterschiedlichen Währungen, Sprachen und für unterschiedliche Länder ausgestellt werden müssen. Dabei gibt es Lösungen, die IoT-fähige Maschinendaten nicht nur in fakturierbare Informationen umwandeln, sondern dabei auch noch unterschiedlichste Abrechnungszyklen beachten und sich außerdem beliebig skalieren lassen, sodass sie gleichzeitig Millionen von Transaktionen automatisiert verarbeiten können.

Nutzungsbasierte Preismodelle und kapitalintensive Produkte

Gerade für kapitalintensive Produkte, wie sie die Industrie herstellt, ist es lohnenswert, über nutzungsbasierte Preismodelle nachzudenken. Dabei gilt es, vor allem auch das After-Sales-Geschäft in Form von zusätzlichen Services in die Monetarisierung einzubeziehen. Die Grundvoraussetzung dafür erfüllen viele Unternehmen bereits. Deren Produkte – Maschinen, Geräte und Anlagen – erzeugen während des Betriebs längst Daten, aus denen sich die Nutzungsfrequenz ohnehin schon ablesen lässt. Woran es fehlt, sind konkrete Strategien, dieses Monetarisierungspotenzial auch tatsächlich abzuschöpfen.

Fazit: Nutzungsabhängige Preisgestaltung ist die Zukunft

Die nutzungsabhängige Preisgestaltung auf der Grundlage von IoT-Daten ist auf dem Vormarsch – langsam, aber sicher. Dies liegt insbesondere an der zunehmenden Verbreitung von IoT-Geräten. Andererseits erwarten Kunden mittlerweile, nur noch für das zu bezahlen, was sie auch wirklich nutzen. Sie versprechen sich davon eine spürbare Optimierung des eigenen Geschäfts. Industrie-Unternehmen, die sich zeitnah für eine nutzungsbasierte Monetarisierung auf der Grundlage von IoT-Daten entscheiden, heben sich von der Konkurrenz ab und beweisen, dass sie kundenorientiert und innovativ sind. Das ist eine Win-win-Situation für Unternehmen und Kunden zugleich.

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