Gadgets, Gigabits und Kühe MWC 2016 zeigt VR, IoT und 5G
Auf dem Mobile World Congress 2016 gab es atemberaubend schnelle Mobilfunkdemos und die besten derzeit erhältlichen Smartphones zu sehen. Noch wollen beide Welten aber nicht so recht zusammenpassen.
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Die erstmals über 100.000 Besucher des diesjährigen Mobile World Congress in Barcelona hätten sich zurecht fragen können, warum sie sich noch mit vergleichsweise steinzeitlichen Übertragungsgeschwindigkeiten herumärgern müssen. Denn ähnlich rekordverdächtig wie die Teilnehmerschar der viertägigen Mobilfunkmesse waren auch die präsentierten Demos des kommenden Funkstandards 5G.
5G: im Gigabit-Rausch
Ganze 70 Gigabit pro Sekunde übertrugen beispielsweise das Innovationslabor 5g:haus der Deutschen Telekom und Netzwerkausrüster Huawei im 73-GHz-Millimeter-Wellen-Frequenzband. Nokia gab am Vorabend der Messe bekannt, gemeinsam mit T-Mobile US im 28GHz-Band 5G-Komponenten testen zu wollen und präsentierte in Barcelona Aggregationstechnologien der mit Alcatel-Lucent übernommenen Bell Labs. Damit mögliche Datenübertragungsgeschwindigkeiten von 30 Gigabit/s, eine massive Zahl verbundener Endgeräte und geringe Latenzen von lediglich einer Millisekunde eröffnen laut Hersteller attraktive Anwendungsfelder – von autonomen Fahrzeugen über interaktive, virtuelle Realität bis zum Industrial Networking mit verbundenen Robotern.
Um das Potential derlei leistungsfähiger Funkverfahren abzurufen braucht es allerdings auch potente Netzwerke – meint Brocade und ächzte bereits im Vorfeld des MWC 2016: Eine „aufgemotzte, schnellere Luftschnittstelle“ allein werde nicht genügen, um riesige Datenmengen zunehmender Videodienste zu bewältigen oder zahlreiche IoT-Verbindungen abzuwickeln. Die passende Lösung hatte der Netzwerkexperte natürlich auch im Gepäck. Mit dem Brocade Virtual Core for Mobile (VCM) biete man die erste und einzige vollständig virtualisierte Evolved-Packet-Core-Produktfamilie (vEPC).
Auch Intel positionierte sich als Mitgestalter des kommenden 5G-Standards. Auf dem MWC kündigte der Chiphersteller eine 5G Mobile Trial Platform für die Entwicklung erster Prototypen an. „Die Zukunft findet schon heute statt“, kommentierte Aicha Evans, Intel Vice President and General Manager of the Communications and Devices Group – und lag damit zumindest aus Anwendersicht ein wenig falsch. Denn 5G wird nicht vor 2020 auf dem Markt erwartet.
Zwischenlösungen
Und so ging keiner der diesjährigen Glomo Awards an 5G. Ausgezeichnet wurde stattdessen IoT-Experte Sigfox („Best Mobile Innovation for ‘The Internet of Things’“). Ganz ohne Gigabitdurchsätze konnte sich auch Netzausrüster ZTE anno 2016 noch mit einer Pre5G-Massive-MIMO-Basisstation zwei Glomo Awards sichern – in den Kategorien „Best Mobile Technology Breakthrough“ und „Outstanding Overall Mobile Technology – The CTOs’ Choice“. Per SDMA-Technologie (Space Division Multiple Access) mit Mehrantennensystem könne die Lösung die Funkspektrumseffizienz in 4G-Netzen um das vier- bis sechsfache erhöhen, verspricht der Hersteller. In einem kommerziellen Netz liege der durchschnittliche Single-Carrier-Spitzenwert der Pre5G Massive MIMO bei über 400 Mbit/s.
Huawei setzt ebenfalls auf die evolutionäre Weiterentwicklung bestehender LTE-Netze – und bewarb die Vorzüge der vom 3GPP ab Release 13 als LTE-Advanced Pro standardisierten 4.5G-Verfahren so überzeugend, dass einige Pressevertreter sicherheitshalber einmal nachfragten, ob man man denn überhaupt noch an die Zukunft von 5G glaube. Glaubt man; will die Zeitspanne bis zur Einführung allerdings mit leistungsfähigen Funkverfahren verkürzen.
Endgeräte für den 4.5G-Boom noch Mangelware
Dank der bereits heute verfügbaren 4.5G-Technik könne man Datentransfers mit bis zu einem Gbit/s abwickeln, Videos und Ton in außergewöhnlich hoher Qualität mobil übertragen sowie VR-Anwendungen ermöglichen oder bis zu 100.000 IoT-Verbindungen pro Funkzelle bedienen. Was der Hersteller mit den Schlagworten „Gbps“, „Experience 4.0“ und „Connection+“ verkauft, setzt technisch auf 4x4 MIMO, 256-QAM-Modulationsverfahren und Carrier Aggregation. Noch in diesem Jahr sollen weltweit über 60 Mobilfunknetze mit der Technik ausgerüstet werden – hofft Huawei.
Mit 4.5G können zwar auch ältere Handsets im Idealfall zwischen 25 und 50 Prozent mehr Durchsatz erreichen, das volle Leistungspotential erschließt sich jedoch erst mit Endgeräten für LTE Cat. 15 (bis 800 Mbit/s) und Cat. 16 (bis 1 Gbit/s). Auch für IoT-Anwendungen braucht es übrigens neue und 4.5G-taugliche Chips.
Qualcomm, Samsung und Huawei haben dem Vernehmen nach schon entsprechende Lösungen für mobile Endgeräte in der Pipeline, die auf dem MWC angekündigten Smartphone-Flaggschiffe unterstützen die Vorteile von 4.5G bislang jedoch bestenfalls unzureichend. So berherrscht das aktuell in Barcelona gezeigte Samsung Galaxy S7 laut derzeitiger Spezifikation lediglich „LTE Cat.9(450/50Mbps)“.
Gadgets als Trendsetter
Nichtsdestotrotz haben die auf dem MWC gezeigten Smartphones und Devices erstarkende Trends aufgezeigt. Ganz klar in Richtung Virtual Reality (VR) orientieren sich die als Zubehör erhältlichen Sphärenkameras Samsung Gear 360 respektive LG 360 CAM. Fujitsu hat das Thema VR in die reale Geschäftswelt übertragen und präsentierte neben einem „Hypervernetzten Van” auch eine „Augmented Reality“-Lösung für den Außendienst.
Mit dem G5 hat LG zudem ein teilweise modular aufgebautes Smartphone entwickelt – an das sich Kameragriff CAM Plus oder das Soundmodul HiFi Plus andocken lassen. Als „neuer, modularer Smartphone-Typus“ vorgestellt, schaut das LG 5 damit zwar deutlich eleganter aus als ein zur Jahrtausendwende verfügbares Siemens S55 mit angeflanschter Digitalkamera; die Flexibilität von Googles schon länger bekannter, experimenteller und komplett modularer Studie „Project Ara“, bei dem sich nahezu alle wesentlichen Komponenten tauschen lassen, erreicht das Smartphone jedoch nicht .
Zu sehen waren in Barcelona zudem die Samsung Gear S2 classic 3G – eine Smartwatch mit fest eingebauter SIM-Karte. Laut Hersteller ist das Wearable damit das erste Gerät auf dem Markt, das mit einer eingebauten SIM-Karte (eSIM) ausgestattet wurde, die der GSMA Consumer Remote SIM Provisioning (RSP) Architecture entspricht.
Während sich das von Cat Phone S69 mit eingebauter Wärmebildkamera eher an ein spezielleres Publikum richtet, könnten potente Smartphones und Tablets einen generelle Entwicklung andeuten: Mobile und klassische Systeme wachsen weiter zu konvergenten Lösungen zusammen. Das mit dem Glomo Award ausgezeichnete „Best Mobile Tablet“ heißt Micrsoft Surface Pro 4 – ein Gerät mit PC-Genen. BQ hat derweil mit dem Aquaris M10 Ubuntu Edition das erste konvergente Gerät mit Ubuntu PC-Erfahrung vorgestellt.
IoT allenthalben
Das bereits im Kontext der Luftschnittstelle angesprochene Internet der Dinge dürfte auch für sich selbst genommen als Schwerpunkt des diesjährigen MWC gelten. Eine von Amdocs gezeigte IoT Platform erlaube es Service Providern beispielsweise, in das Internet der Dinge einzusteigen und neue Unternehmen und OEM-Hersteller als Partner zu gewinnen. Sierra Wireless stellte Cloud- und Vernetzungsdienste vor, darunter die IoT Acceleration Platform, die Cloud- und Managed-Connectivity-Dienste sowie Hardware-Dienste für das Internet der Dinge vereine – und so die weltweite Entwicklung von neuen IoT-Lösungen fördere.
Für Fujitsu erschöpfte sich das Thema IoT längst nicht mit der plakativen „Connected Cow“ als Sinnbild smarter Landwirtschaft. Der „Cattle Breeding Support Service (GYUHO SaaS)“ überwacht weibliche Rindviecher per Schrittzähler, um den idealen Zeitpunkt für eine künstliche Befruchtung zu erkennen.
Smart Manufacturing steigere derweil Transparenz in der Supply Chain, die Effizienz von Produktionsanlagen und die Sicherheit für Mitarbeiter. Unter dem Oberbegriff Smart Healthcare fasst der Anbieter schließlich Cloud- und RFID-Lösungen für Krankenhäuser zusammen, darunter: Digitalisierte Bettbezüge oder Uniformen für das Personal.
Smart mit Cloud, Funk und Big Data
Ähnlich Fujitsu präsentierte auch Huawei, wie Mobility und Big Data für Smart Cities sorgen. Huawei skizzierte dabei ein besonders umfangreiches Anwendungsszenario mit zentral gesteuerten Sicherheitskräften und Überwachungskameras. Die sollen neuralgische Punkte effizient überwachen. Automatisierte Analyselösungen könnten derweil helfen, Aufzeichnungen aufs Wesentliche einzudampfen und per Abfrage nach Fahrzeugmodellen mit bestimmten Kennzeichen zu fahnden. All das könne für sicherere Städte sorgen. Huaweis „Smart City“-Lösungen werden aktuell übrigens schon in 100 Städten weltweit genutzt.
Auf ein Neues
Naturgemäß kann dieser Nachbericht nur einen winzigen Ausschnitt eines viertägigen Kongresses mit zwölf Keynote-Sessions und 2.200 Ausstellern abdecken. Wem das zu wenig ist, der hat kommendes Jahr wieder Gelegenheit selbst tief in die aktuellsten Entwicklungen der Branche einzutauchen: Der kommende Mobile World Congress läuft vom 27. Februar bis zum 2. März 2017; Ort: Fira Gran Via.
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