Produktportfolio-Management Mit Data Analytics vom Bauchladen zum zukunftssicheren Sortiment
Die digitale Transformation schreitet mit Siebenmeilenstiefeln voran. Noch nie standen Herstellern und Dienstleistern mehr Kundendaten zur Verfügung. Doch viele Unternehmen versäumen es nach wie vor, diese Daten gewinnbringend zu analysieren und damit effizient zu nutzen.
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Für wertorientierte Unternehmen ist manchmal weniger mehr – das gilt ganz besonders, wenn es um das Produktportfolio geht. So manches Sortiment gleicht allerdings einem kunterbunten Bauchladen. Das wirkt auf die Kunden eher beliebig als strategisch aufgestellt. Doch die Bedürfnisse und Ansprüche der Kunden auch in diesem Punkt in den Fokus zu stellen und das eigene Angebot entsprechend zu schärfen, ist gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten eine Frage der Existenz. Ein Sortiment, das aus Kundensicht keine innovativen Produkte und attraktive Serviceleistungen beinhaltet – und so nicht die Wertpositionierung widerspiegelt, – gilt als sicherer Weg in die Beliebigkeit. Und damit häufig direkt in die Krise. Gleiches gilt für Fälle, in denen sich über die Jahre viele Altlasten in den Angeboten angesammelt haben. Ist das der Fall, sollten sich Unternehmen die Frage stellen, ob einst erfolgreiche Produkte das auch in Zukunft noch sein werden – und ob sie auch weiterhin zu den strategischen Zielen passen. Ansonsten gilt es, hier umfassend auszusortieren – und genau dabei kann Data Analytics helfen.
Auf dem Weg zum datengetriebenen Unternehmen
Die fortschreitende Digitalisierung und eine immer komplexere und dynamische VUKA-Welt führen dazu, dass gerade mittelständische Unternehmen Entscheidungen mehr und mehr zahlengetrieben und damit auch objektiver treffen – sie werden zunehmend datengetrieben. Das gilt auch für die laufende Portfoliooptimierung. Doch obwohl zahlreich Daten erhoben werden, fehlt der nächste und entscheidende Schritt: diese Daten zu analysieren und effizient für sich zu nutzen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Oft kämpfen Mittelständler in der Praxis mit einer heterogenen IT-Struktur, fehlenden Analyse-Tools oder einem Mangel an Data-Analytics-Expertise. In vielen Fällen fehlt ein ganzheitlicher, system- und unternehmensübergreifender Data-Analytics-Ansatz, der eine hochkomplexe Produktvielfalt beherrschbar, (kosten)effizienter und ressourcenschonender macht. Auch der dazugehörige Kulturwandel steht häufig am Anfang: Data Analytics ist oft noch Herrschaftswissen und die wenigen Experten arbeiten teils in abgeschotteten Silos. Das führt dazu, dass kaum jemand außerhalb der IT-Abteilungen sich Datenanalysen zunutze machen kann. Kurzum: Es fehlen vielerorts nicht nur die Tools und das Fachwissen, sondern auch die Unternehmenskultur einer Datendemokratisierung, um das riesige Potenzial von Daten nutzen zu können. Doch wie sieht der Weg zu einer effizienten Datennutzung und damit zu einem wertorientierten Produktportfolio aus?
Vom Wildwuchs zur klaren Linie: Der Weg zur Wertorientierung
Das Sortiment eines mittelständischen Unternehmens ist oftmals historisch statt systematisch gewachsen und bietet so in seiner großen Vielfalt nicht den erhofften Mehrwert für die Kunden. Dieser Wildwuchs verbraucht unnötig Ressourcen: Vielen Herstellern gelingt es mit gerade einmal 30 Prozent ihrer Produkte, wertorientiert zu wirtschaften – ein Weg, der mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Unternehmenskrise führt.
Empfehlenswert ist hingegen ein Portfolio, das zu mindestens 70 Prozent auf die Wertpositionierung des Unternehmens einzahlt und zugleich über die angestrebte Zielprofitabilität verfügt. Doch wie lassen sich diese 70 Prozent erzielen? Um eine Neuausrichtung hochkomplexer Sortimentsvarianzen effizient zu organisieren und die Profitabilität zu heben, ist ein ganzheitlicher und systemübergreifender Data-Analytics-Ansatz nötig, der in drei Schritten durchgeführt wird:
#1 360-Grad Kostenanalyse
Im ersten Schritt ist es unverzichtbar, die finanziellen Auswirkungen möglicher Portfolio-Entscheidungen mithilfe von Datenanalysen in ihrer Ganzheit zu betrachten. In mittelständischen Unternehmen arbeitet man meist auf Produktgruppen- oder Produktebene mit Deckungsbeitragsauswertungen, die bestenfalls alle direkt produktiven Kosten berücksichtigen. Die „versteckten“ Kosten lassen sich allerdings nur mit einer umfassenden Analyse der Aktivitäten im indirekten Bereich einbeziehen. Hier wird erkennbar, ob die Unternehmen mit ihren Ressourcen richtig haushalten. Häufig zeigt sich: Reduziert sich die Sortimentskomplexität, führt dies zu Effizienzverbesserung und Kostensenkung.
#2 Produktanalyse
Im zweiten Schritt wird eine Bewertung der im Portfolio enthaltenen Produkte durchgeführt. Ziel ist es, Produkte herauszufiltern, die aus Endkundensicht nicht hinreichend relevant für die Wertpositionierung des Unternehmens und interne Komplexitätstreiber sind. Dafür werden oft mehrere Gigabyte an Kassen-, CRM-, Artikelstamm- und Finanzbuchhaltungsdaten gesammelt, anhand von BI- und Analytics-Software zusammengeführt und aufbereitet. So werden redundante oder nicht wertschöpfende Artikel ermittelt und ihre finanziellen Auswirkungen verständlich und nachvollziehbar sichtbar gemacht. Ein weiteres Plus von BI-Tools: die Möglichkeit für permanente Live-Auswertungen und Daten-Visualisierungen anhand unterschiedlichster Fragestellungen, bei denen ein hoher Grad der Granularität erreicht wird. Die Vorteile liegen auf der Hand: Einerseits wird ein Gesamtüberblick über die erhobenen Daten dargestellt, andererseits ist es möglich, einzelne Artikel „mit der Lupe“ zu betrachten. So kann ein Händler beispielsweise seine Filialstruktur im Zusammenspiel mit der Wettbewerbssituation betrachten oder die Drehgeschwindigkeit seiner NOS- (never out of stock) und Saisonartikel je Standort überprüfen. Der ganzheitliche, systemübergreifende Ansatz geht somit über altbekannte Analysen von Verkaufsstatistiken hinaus.
#3 Disziplinierte Umsetzung
Schließlich gilt es, die definierte Reduktion des Sortiments in der Praxis umzusetzen. Wichtig: Führungskräfte und Mitarbeiter müssen an einem Strang ziehen. Nur wenn allen das Ziel der neuen Sortimentspolitik klar ist, können sie es im operativen Geschäft positiv beeinflussen und Kundenwünsche besser einschätzen. Eine klare und zielgerichtete Kommunikation ist entscheidend für den Projekterfolg und verhindert ein Zurückfallen in alte Verhaltensmuster – eine Gefahr, die besonders dann besteht, wenn eine seit Jahren oder gar Jahrzehnten gelebte Sortimentspolitik revidiert wird. Interdisziplinäre Teams aus Einkauf, Vertrieb und Controlling sowie indirekt betroffenen Führungskräften stellen sicher, dass sowohl die Endkundensicht als auch die Umsatzziele berücksichtigt werden. Darüber hinaus lässt sich so garantieren, dass auch die über Datenauswertungen identifizierten Potenziale in der Prozesslandschaft konsequent gehoben werden.
KI-Pioniere haben die Nase im Wettbewerb vorn
Weiter vorangetrieben werden kann das Thema durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Hat man damit begonnen, seine Daten sauber zu strukturieren, kann man mithilfe von KI daraus geschäftswirksame Handlungen oder zumindest Handlungsempfehlungen automatisiert generieren. Der Einsatz von KI erlaubt beispielsweise Händlern, aus dem Kundenverhalten der Vorperiode zu lernen, daraus die Wahrscheinlichkeiten für die weitere Entwicklung der Nachfrage nach Artikeln abzuleiten und die eigene Warenverfügbarkeit und Preislage gegen diese Prognosen zu spiegeln. Mit der KI ist es so in Echtzeit möglich, Veränderungen der Kundenbedürfnisse auf Artikel- beziehungsweise EAN-Ebene zu analysieren und kurzfristig darauf zu reagieren, zum Beispiel im Bereich Dynamic Pricing.
Bislang nehmen nur sehr wenige Marktteilnehmer diese Chance wahr. Deutschlandweit testet gerade einmal eine Handvoll Textileinzelhändler die neue Technologie. Die Resultate dieser KI-Pioniere sprechen allerdings für sich. Praxisbeispiele von Händlern mit einem Jahresumsatz zwischen 300 Millionen und 1,2 Milliarden Euro, die sich derzeit in der Testphase befinden, verdeutlichen den enormen Wettbewerbsvorteil: So konnten die Vorreiter neben dem Umsatzwachstum Steigerungen im Rohertrag von drei bis zehn Prozentpunkten und gleichzeitig Reduzierungen der Abschriftenquote von -2 bis -9 Prozentpunkten durch die optimierte „Time to Market“ erzielen.
Mit Data Analytics wettbewerbsfähig bleiben
Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen, wird der deutsche Mittelstand in den kommenden Jahren nicht umhinkommen, die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von Data Analytics und KI auszuschöpfen. Nur so können die Unternehmen ihre sich im Wettbewerb behaupten. Wer wenige zentrale Kennzahlen entwickelt, die regelmäßig erhoben und kommuniziert werden sowie die entsprechenden automatisierten Handlungsempfehlungen mit einbezieht, überprüft stetig seinen Zielerreichungsgrad. Darüber hinaus werden auch die Erfolge der Projektteams mess- und sichtbar. Eines ist klar: Moderne Technologien unterstützen maßgeblich dabei, den Überblick in der komplexen und dynamischen VUCA-Welt zu bewahren, die Marktposition des Unternehmens zu definieren und zu festigen und dabei stets die eigenen Ziele fest im Auge zu behalten.
Dieser Artikel stammt von unserem Partnerportal Industry of Things.
* Benjamin Klenk arbeitet als Partner bei Struktur Management Partner.
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