Automobilindustrie Künstliche Intelligenz soll Additive Fertigung unterstützen

Eine Künstliche Intelligenz bietet viel Potential, um die Additive Fertigung für einen qualitativ hochwertigen Druckprozess zu unterstützen. Doch der größte Knackpunkt liegt aktuell darin, ausreichend gute Trainingsdaten zu sammeln.

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Additive Fertigung: Künstliche Intelligenz soll künftig den 3D-Druck überwachen. Der Knackpunkt ist akuell, ausreichend gute Trainingsdaten zu sammeln.
Additive Fertigung: Künstliche Intelligenz soll künftig den 3D-Druck überwachen. Der Knackpunkt ist akuell, ausreichend gute Trainingsdaten zu sammeln.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay )

Jede Fertigungstechnik wird von einer Vielzahl an Einflussgrößen und deren Wechselwirkungen untereinander beeinflusst. Nur wenn ein Anwender der jeweiligen Technik ein möglichst umfassendes Wissen über diese Größen besitzt, lässt sich der Fertigungsprozess erfolgreich umsetzen. Allerdings ist oft ein langer Lernprozess notwendig, um sich das notwendige Wissen anzueignen. Nicht zu vergessen die vielen Fehler auf dem Weg.

Genau diesen Lernprozess versuchen die Wissenschaftler um Prof. Dr.-Ing. Tobias Laumer von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg mit Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) nachzubilden. Mithilfe einer ausreichend großen Datenbasis soll ein trainiertes künstliches neuronales Netz (KNN) den additiven Fertigungsprozesse selbstständig überwachen und unerfahrene Anwender bei ihrer Arbeit unterstützen.

Künstliche Intelligenz und Additive Fertigung

Doch wie lernt die KI vom Druckprozess? Das lässt sich am Beispiel des Fused-Layer-Modeling- (FLM-)Prozesses erklären. Dabei wird das Filament in einen Druckkopf geführt und anschließend vom Extruder geschmolzen, der nun das Material Schicht für Schicht auf einer Druckplatte ablegt.

Die für die KI notwendigen Trainingsdaten sammeln Kameras, Beschleunigungs- und Temperatursensoren oder spezielle Thermokameras. Dabei ist es wichtig neben erfolgreichen Druckjobs, auch genug Beispiele für nicht erfolgreiche Druckjobs zu haben. Für den eingesetzten überwachten Lernprozess müssen die Trainingsdaten gelabelt werden. Sie werden in OK- und NOK-Bauteile klassifiziert. Also ob sie in Ordnung sind (OK) oder nicht (not OK). Damit ist der KI-Algorithmus selbstständig in der Lage, Muster in den Trainingsdaten zu erkennen und diese den unterschiedlichen Bauteilqualitäten zuzuordnen.

Die größte zeitliche Herausforderung für einen erfolgreichen Einsatz von KI-Methoden ist nicht die Implementierung des KNNs, sondern die Beschaffung und Aufbereitung der notwendigen Daten für das KNN.

Einsatzmöglichkeiten der KI im Automobilbau

Wie sieht eine Anwendung einer KI für die Additive Fertigung im Automobilbau aus? Für die klassische Serienfertigung mit hohen Stückzahlen verwenden die Automobilbauer bisher noch kaum additiv gefertigte Bauteile. Ganz anders sieht es bei kleinen Stückzahlen oder im Premiumsegment aus. Hier setzen nach den Worten Laumers Hersteller wie Rolls-Royce oder BMW bereits seit längerem auf die Additive Fertigung mit ihren typischen Vorteilen im Vergleich zu konventionellen Fertigungstechniken. Auch im Prototyping, der Vorserienentwicklung und im Werkzeugbau hat sich die Additive Fertigung bereits etabliert.

Daten sind der Schlüssel zum Erfolg

„Wichtig ist eine Unterscheidung zwischen geometrieunabhängigen und -abhängigen Prozessdaten“, sagt Prof. Laumer. Beispiele für geometrieunabhängige Daten wären die Luftfeuchtigkeit und -temperatur. Starke Schwankungen können sich je nach Werkstoff bei nicht darauf angepassten Prozessparametern negativ auf den Bauprozess und die Bauteilqualität auswirken.

Gerade bei internationalen Unternehmen mit weltweiten Fertigungsstandorten in unterschiedlichen Klimazonen müssen solche Faktoren berücksichtigt werden, um standortübergreifend die Druckqualität kontinuierlich hoch zu halten.

Weitere detektierbare, geometrieunabhängige Prozessdaten sind fehlendes Material und Fehlstellen innerhalb einzelner Schichten. Die Festigkeit sinkt lokal und das zu druckende Bauteil wird geschwächt. Ein mit ausreichend vielen Daten trainiertes KNN erkennt solche Fehlstellen und kann bei einer kritischen Größe des Fehlers den Baujob selbstständig abbrechen.

Bevor der Baujob erneut gestartet wird, kann man notwendige Anpassungen vornehmen und der Fehler muss nicht erst nach erfolgtem Durchlaufen des gesamten Druckes mit großem Aufwand detektiert werden.

Im Gegensatz zu den geometrieunabhängigen Prozessdaten sind geometrieabhängige Prozessdaten Abweichungen in Form und Maß. Hat eine KI die Außenkontur erkannt, werden die geometrischen Daten über Streifenlichtsensoren erfasst und mit den Sollwerten der Bauteildatei verglichen. Fehler in Druckjobs oder fehlerhafte Bauteile sollen schnellstmöglich erkannt werden. So lässt sich Material und Zeit einsparen.

Mit der KI den Prozess prädiktiv bewerten

Langfristig soll das angelernte KNN dazu in der Lage sein, bereits prädiktiv, also vor Baubeginn, eine Erfolgswahrscheinlichkeit des zu startenden Drucks zu ermitteln. Das hilft sowohl Konstrukteuren als auch Anwendern des 3D-Drucks.

Noch vor Beginn des Druckprozesses soll das künstlich neuronale Netz wichtige Bauteil- und Prozessdaten kontrollieren und entscheiden, ob sich der Baujob starten lässt. Zu den Bauteil- und Prozessdaten gehören unter anderem Beschaffenheit der Stützstrukturen, die Orientierung des Bauteils im Bauraum und eingestellte Prozessparameter.

Problematisch ist, ausreichend viele Daten in Bezug auf die Bauteilegeometrie bereitzustellen. Da in der Additiven Fertigung oftmals Prototypen oder Klein- und Kleinstserien-Bauteile mit sehr komplexen Geometrien erstellt werden, ist das Ableiten von allgemeinen Mustern aus der Vielzahl an möglichen Geometrien nicht trivial. Deshalb wird das KNN anfangs sicherlich noch eine gewisse Ungenauigkeit besitzen. Erst mit einer ausreichend großen Datenbasis lässt sich die Ungenauigkeit beseitigen. Daher sind die Wissenschaftler der OTH an Kooperationen mit Firmen und anderen Hochschulen interessiert, die ebenfalls Additive Fertigungsverfahren einsetzen und möglichst ihre Prozessdaten bereitstellen.

„Eine intelligente und prädiktive Prozesskontrolle für additive Fertigungsprozesse bietet auch in der Automobilindustrie eine große Chance für stabilere Prozesse mit weniger Fehldrucken“, sagt Prof. Laumer abschließend.

Dieser Artikel stammt von unserem Partnerportal Industry of Things.

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