IDC-Studie zu Künstlicher Intelligenz KI wird selten für Innovationen eingesetzt

Autor Heidi Schuster |

Künstliche Intelligenz (KI) ist mittlerweile kein bloßer Hype mehr. Die Technologie findet immer häufiger den Weg in Unternehmen. Eine IDC-Studie hat unter anderem herausgefunden, dass Fachbereiche und IT-Abteilungen KI-Lösungen bevorzugt zur Optimierung und Automatisierung von Prozessen einsetzen.

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Für viele Unternehmen ist der Fachkräftemangel eine der größten Hürden bei der Umsetzung von KI-Projekten.
Für viele Unternehmen ist der Fachkräftemangel eine der größten Hürden bei der Umsetzung von KI-Projekten.
(Bild: peshkov - stock.adobe.com)

Künstliche Intelligenz kann nur so schlau sein, wie der Mensch, der sie programmiert. Denn dabei wird das Ziel der „Nachbildung“ menschlicher Intelligenz durch den Einsatz von Informationstechnologie verfolgt. Um Einblicke in die Umsetzungspläne, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren in puncto KI zu erhalten, hat IDC im April 2019 in Deutschland IT- und Fachentscheider aus 305 Organisationen mit mehr als 100 Mitarbeitern befragt. Für die Studie wurden ausschließlich Unternehmen berücksichtigt, die Künstliche Intelligenz evaluieren, pilotieren oder einsetzen.

KI hat in deutschen Unternehmen und Organisationen in den vergangenen 12 Monaten weiter Fuß gefasst. Die drei am häufigsten genannten Einsatzszenarien sind die Automatisierung von IT-Prozessen (34 Prozent), die Automatisierung von Sales- und Marketingprozessen (31 Prozent) sowie die Optimierung des Personaleinsatzes (30 Prozent).

Im Vergleich mit anderen westeuropäischen Ländern zeigt sich, dass Deutschland derzeit vielfältige Maßnahmen ergreift, um beispielsweise zu Großbritannien oder den skandinavischen Ländern aufzuschließen. Das wird sicherlich nicht von heute auf morgen gelingen, aber der Abstand zu den genannten Staaten wird sich nach Überzeugung von IDC verringern.

„Unternehmen in Deutschland werden in Sachen KI mittelfristig zu ihren europäischen Peers aufschließen“, sagt Matthias Zacher, Manager Research und Consulting bei IDC und Projektleiter der Studie. „Unsere Prognosen zeigen, dass KI-Software bis 2022 hierzulande jährlich durchschnittlich um 57 Prozent wächst und damit deutlich über dem westeuropäischen Wachstum von 49 Prozent liegt.“

Umsetzung von KI-Projekten

41 Prozent der von IDC befragten Unternehmen haben bereits KI-Projekte umgesetzt – 2018 waren dies lediglich 27 Prozent. Beeindruckende 88 Prozent der Befragten planen, in den nächsten 12 Monaten ein neues KI-Projekt zu starten – hier sieht IDC ganz deutlich die Ambitionen deutscher Firmen belegt. Unternehmen, die einmal mit KI begonnen haben, entscheiden sich für weitere Projekte. Das ist ein weiterer Beweis für die Attraktivität intelligenter Lösungen.

KI wird in der Öffentlichkeit stark aus einer Technologieperspektive diskutiert. Für Unternehmen und Organisationen steht der Studie zufolge allerdings ganz klar der Business-Nutzen im Vordergrund. Anhand der Studienergebnisse lässt sich jedoch eine interessante Akzentverschiebung feststellen. Während im vergangenen Jahr die Fachabteilungen bei der Planung von KI federführend waren, haben nun die IT-Abteilungen gemeinsam mit den Fachabteilungen diese Rolle übernommen. KI-Projekte sind nach IDC-Beobachtungen am erfolgreichsten, wenn Fachabteilungen und IT von Beginn an einem Strang ziehen – das haben die Unternehmen offenbar verstanden und umgesetzt. Ebenfalls ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: 32 Prozent der Unternehmen verfügen bereits über Innovationscenter beziehungsweise Labs für die Evaluierung und Entwicklung geeigneter Lösungen.

Anwendungsszenarien von KI

Künstliche Intelligenz basiert auf einer Vielzahl unterschiedlicher Anwendungsszenarien. Am häufigsten nutzen die Befragten Texterkennung (57 Prozent), Spracherkennung (47 Prozent), Bilderkennung/Bild-Klassifikation (43 Prozent), überwachtes Lernen (42 Prozent) sowie Extraktion von Wissen (41 Prozent).

Lösungen und Services für KI entwickeln sich rasant weiter. Heute ist eine Vielzahl an KI-Plattformen, -Services und -Anbietern am Markt verfügbar, cloudbasierte KI-Services sind für 60 Prozent der befragten IT-Entscheider dabei die bevorzugte Bereitstellungsform. Die Unternehmen nutzen sowohl KI-Services und KI-Lösungen Dritter, entwickeln aber zugleich eigene Algorithmen. In diesem Zusammenhang ist für 42 Prozent der IT-Entscheider Open Source eine Option zur Entwicklung eigener KI-Services.

Das große Interesse an Künstlicher Intelligenz ist branchenübergreifend. Allerdings sind KI-Lösungen noch nicht in allen Industriezweigen gleichermaßen im Einsatz. Vorreiterbranchen der Umsetzung von KI-Projekten sind Versorger, Telekommunikationsunternehmen sowie die Financial-Services-Branche. Die Schlusslichter sind die öffentliche Verwaltung und Dienstleistungsunternehmen.

„Wir sehen, dass immer mehr Referenzen zur Verfügung stehen“, so Zacher. „Anwender und Anbieter profitieren dabei gleichermaßen von Cases aus der eigenen Branche, aber auch branchenübergreifend eröffnen sich zahlreiche neue Einsatzmöglichkeiten. Der Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand ist gerade bei diesem Thema mehr als wichtig.“

Wenig überraschend: Die meisten Unternehmen nutzen das Potenzial von KI noch nicht umfassend. Einerseits betonen 60 Prozent, dass eine Digitale Transformation ohne Künstliche Intelligenz nicht erfolgreich sein wird, andererseits nennen lediglich 30 Prozent Innovation als eines der drei wichtigsten Business-Ziele. Künstliche Intelligenz wird also offenbar vorrangig zur Prozessoptimierung eingesetzt. Hier stehen laut IDC vor allem die Anbieter in der Pflicht, die Chancen und Möglichkeiten besser zu kommunizieren.

Fachkräftemangel

Fehlende Fachkräfte bremsen der Studie zufolge die KI-Aktivitäten in vielen Unternehmen aus. 38 Prozent der Firmen gaben den Mangel an Experten als die größte Hürde für die Umsetzung von Projekten an. Sie können ihren Bedarf an KI-Spezialisten weiterhin nicht ausreichend decken. IDC geht davon aus, dass sich die Situation kurzfristig auch nicht entspannen wird, faktisch hat sich seit der letzten Bestandsaufnahme nicht viel getan.

Vorbehalte

Sowohl in IT-Abteilungen als auch Fachabteilungen bestehen nach wie vor Vorbehalte gegenüber KI. Insbesondere das Argument der „Unreife“ hat zwar in einer generalistischen Diskussion seine Berechtigung, lässt sich aber aus Sicht von IDC in der Evaluierung von Business Cases und Projekten recht schnell widerlegen. Denn schließlich geht es dort um reale Businessanforderungen und existierende Lösungsszenarien.

Fazit von IDC

Unternehmen setzen ihre KI-Projekte bereits gewinnbringend für die Organisation ein. Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz wird die IT- und Fachabteilungen in den nächsten zwei bis drei Jahren umfassend beschäftigen. Für deutsche Unternehmen ist es wichtig, KI nicht auf operative Einsatzszenarien zu beschränken, sondern stärker im Kontext der Digitalisierung anzuwenden. Das wird helfen, den Rückstand gegenüber anderen europäischen Firmen und Organisationen aufzuholen. Erste Schritte in diese Richtung werden bereits sichtbar.

IDC ist davon überzeugt, dass mittelfristig alle Unternehmen und Organisationen KI in den verschiedensten Ausprägungen nutzen werden. Die Unternehmen stehen jetzt vor der Herausforderung, umfassendes Knowhow aufzubauen, um einen höheren Mehrwert aus KI zu generieren. Dafür muss KI vorrangig als Business-Thema begriffen werden. Zudem sollten IT- und Fachabteilungen KI-Projekte Hand in Hand vorantreiben, das haben die Firmen zwischenzeitlich verstanden. KI setzt der Kreativität mit Blick auf die Fach- und Geschäftsbereiche nur wenige Grenzen, das Potenzial ist so groß wie facettenreich.

Auch wenn das volle Potenzial von KI erst in den nächsten Jahren aufgrund von höherer Rechenleistung und besseren Algorithmen umfassend ausgeschöpft werden wird, betrachten immer mehr Organisationen in Deutschland Künstliche Intelligenz als sinnvollen und praktikablen Ansatz sowie starken Enabler zur Verbesserung ihrer Geschäftsprozesse. Das wird aber mittelfristig nicht ausreichen, denn Künstliche Intelligenz ermöglicht viel mehr: das Freisetzen von Kreativität, das Modellieren von Ideen und das Beschleunigen von Innovationen.

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