Stand der Digitalisierung KI-Hype im Krankenhaus? Fehlanzeige!

Die Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI) finden im Gesundheitswesen nur schleppend Akzeptanz. Überzeugende Nachweise von Mehrwerten in relevanten Szenarien sind daher unabdingbar. Mit welchen Widerständen ist zu rechnen? Wie lassen sich diese Hürden überwinden?

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Angesichts der großen Zahl von KI-Start-ups und umfangreichen Finanzierungen mit Venture Capital bleibt der KI-Einsatz in Krankenhäusern weit hinter den Erwartungen zurück.
Angesichts der großen Zahl von KI-Start-ups und umfangreichen Finanzierungen mit Venture Capital bleibt der KI-Einsatz in Krankenhäusern weit hinter den Erwartungen zurück.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay )

Im Gesundheitswesen gelten KI-Technologien in den Bereichen der Diagnostik, Computer Vision und einigen administrativen bzw. datenmanagementbezogenen Aufgaben als besonders vielversprechend. Trotzdem ist das Interesse vergleichsweise gering. Das rührt unter anderem daher, dass die Nutzer häufig nicht vom Return on Investment (ROI) der Anwendungen überzeugt sind, die KI-Lösungen sich meist in einer „kryptischen Black Box“ verbergen und obendrein zu wenig Ressourcen bzw. qualifiziertes Personal für die Implementierung von KI zur Verfügung stehen.

ROI kaum messbar

Das Problem liegt offenbar darin, dass der ROI einer KI-Technologie im Gesundheitswesen nicht nur schwer zu bestimmen ist, sondern auch von verschiedenen Interessengruppen sehr unterschiedlich gemessen wird. So kann eine KI-gestützte Diagnosesoftware dem CEO eines Krankenhauses zwar helfen, die Kosten zu senken, aber die Ärzte und das Pflegepersonal müssen grundsätzlich bereit sein, die Gerätschaften zu nutzen. Im Vergleich dazu lassen sich in der Pharmazie oder im Bankwesen durch Top-Down-Unternehmensentscheidungen anstehende KI-Projekte tendenziell leichter durchführen. Im Gesundheitswesen ist das deutlich problematischer.

KI-Humanressourcen sind knapp

Während Pharmariesen Milliarden in Forschung und Entwicklung investieren und Top-Mitarbeiter rekrutieren, sind die meisten Krankenhäuser aufgrund der angespannten Finanzsituation nicht in der Lage, sich Spitzenkräfte im Bereich der Datenwissenschaft zu leisten oder zu halten. Selbst wenn die Krankenhäuser über ausreichende finanzielle Mittel verfügten, um Spitzenkräfte einzustellen, würden sie diese Fachleute in einem Umfeld einsetzen, das auf die KI-Umstellung völlig unvorbereitet wäre. Das bedeutet konkret: Krankenhäuser werden von einer Welt dominiert, die miserable Dateninfrastrukturen, sehr wenige Kollegen mit Verständnis für Data Science sowie viele Compliance-Probleme aufweist.

Problem der „Black Box“

KI-Lösungen bzw. -Vorhersagen präsentieren sich gerne als „Black Box“ mit versteckten Wenn-dann-Regeln. Wird das Wenn-dann-Szenario beispielsweise für eine Diagnose einer Infektion auf der Grundlage eines Konsenses von zehn Ärzten über die Symptome dieser Infektion angewandt, dann wäre es jederzeit nachvollziehbar, wie die Diagnose zustande kam. Denn als Arzt ist es schwierig, Menschen zu behandeln, wenn für eine Diagnose keine passende Erklärung abgegeben werden kann.

In der KI-Version desselben Szenarios gäbe es jedoch keine leicht verständlichen Wenn-dann-Bedingungen. Das heißt, die KI-Software würde Daten von Millionen von Patienten analysieren und Muster in deren Krankengeschichte, Lebensstil, Alter, Beruf, ethnische Zugehörigkeit usw. erkennen, um mögliche Diagnosen für einen spezifischen Patienten zu erstellen. Dazu lernen die neuronalen Netze der KI komplexe Zusammenhänge aus Trainingsdaten in einer sogenannten „Black Box“, die für Menschen nicht ohne weiteres plausibel sind. Wobei es bereits Systeme gibt, die eine Nachvollziehbarkeit von KI-Algorithmen in der Praxis durchaus erlauben und die Entscheidungswege transparent machen.

Dennoch sind Ärzte gegenwärtig eher zögerlich oder noch nicht bereit, KI-Systeme einzusetzen, ohne deren Logik vollständig verstehen zu können, selbst wenn diese Systeme statistisch gesehen bessere Diagnosen liefern könnten als die Ärzte selbst. Gerade in dieser Situation ist aktiver Widerstand verständlich. Daher eignen sich KI-Technologien gegenwärtig besser für Bereiche wie beispielsweise die Entdeckung und Entwicklung von Medikamenten, Verwaltung von Terminen sowie Gewinnung von Best-Practice-Beispielen aus dem Krankenhausbetrieb.

Problem der Case Studies

Ohne aussagekräftige Case Studies, die einwandfrei belegen, dass KI-Technologien funktionieren und deutliche Mehrwerte liefern, nehmen Krankenhäuser solche Lösungen gegenwärtig nur eher zögerlich an. Da Krankenhäuser sich nicht sehr offen zeigen, zumindest ein Pilotprojekt zu starten bzw. Risiken einzugehen, existiert ein sogenanntes „Henne-Ei-Problem“. Dies gilt auch für die Investorenseite, die nicht in Unternehmen investieren wollen, um dann zu warten, bis sie schließlich eine Rendite erhalten.

Um diese Hürden zu überwinden, sollten sich KI-Anbieter zunächst einmal darauf konzentrieren, Produkte und Dienstleistungen zu offerieren, die über einfachere und unumstrittene Funktionen verfügen. Dabei kann es sich um Business-Intelligence-Anwendungen wie beispielsweise eine Terminmanagement-Lösung von SAP handeln, die weniger auf Widerstand stoßen als beispielsweise eine explizite Diagnose-Technologie. Eine KI-gestützte Software für die Patientenplanung wäre zum Beispiel in der Lage, den Personalbedarf auf der Grundlage der Anzahl der Patientenbesuche und der Aktivitäten in der Notaufnahme in den letzten Wochen vorherzusagen.

Eine KI-gestützte Inkassosoftware könnte beispielsweise die Zahlungen der Patienten überwachen, E-Mail-Erinnerungen planen und das Personal zu Folgeanrufen veranlassen. Auf diese Weise wäre es nicht mehr erforderlich, dass ein Mitarbeiter herausfindet, wen er anrufen muss. Das spart wertvolle Zeit beim Telefonieren bzw. Versenden von E-Mails. Ferner könnte KI auch spezielle Aufgaben in kleineren Krankenhäusern übernehmen, die eine „geringere Bedrohung“ für Ärzte und Pflege darstellen, wie beispielsweise die Bilderkennung.

Wenn KI es geschafft hat, zur Standardtechnologie zu gehören, wird es einfacher, Veränderungen in anderen Bereichen des Krankenhauses zu implementieren. Doch bis dahin könnte es noch eine Weile dauern.

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