Kommentar von Dr. Florian Scheidegger, IBM KI erkennt Risse in Start- und Landebahnen von Flughäfen auf Drohnenfotos
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IBM Research arbeitet mit dem Kanton Zürich, dem Drohnenunternehmen Pixmap und dem Flughafen Dübendorf zusammen, um Defekte an Landebahnen mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) zu erkennen, bevor größere Probleme auftreten.

Risse in Bauwerken der zivilen Infrastruktur wie Brücken, Straßen und Landebahnen von Flughäfen zu erkennen, ist nicht einfach. Es ist jedoch entscheidend, um größere Probleme zu vermeiden und Wartungsroutinen zu verbessern.
Aus diesem Grund hat ein IBM-Forschungsteam mit Sitz in Zürich eine KI-Lösung entwickelt, die mithilfe von Computer Vision winzige Risse in hochauflösenden Bildern erkennt, die zuvor von Drohnen gesammelt wurden. Die Technologie soll nun in einem gemeinsamen Projekt von IBM, dem Kanton Zürich und dem Drohnen-Einsatzunternehmen Pixmap am Militärflugplatz Dübendorf, am Stadtrand von Zürich, eingesetzt werden, um dessen Pistenoberflächen zu inspizieren. Im Rahmen des Projekts wird auch die Genauigkeit mehrerer verschiedener KI-Modelle getestet. Erste Ergebnisse erwarten die Projektpartner für den Herbst 2023.
Drohnen sind bereit zum Abheben
Um die Start- und Landebahnen zu inspizieren, fliegt eine mit einer Kamera ausgestattete Drohne die Start- und Landebahn ab und macht Fotos von dieser. Bei der Auswertung des Bildmaterials wendet das KI-Modell automatisch die sogenannte Instanzsegmentierung an. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das die Erkennung einzelner Objektinstanzen und die Bestimmung ihrer Umrisse ermöglicht. So kann die KI systematisch Risse in mehr als 10.000 Bildern identifizieren. Diese Analyse hilft Experten, beschädigte Segmente zu identifizieren.
Mithilfe der ebenfalls vom IBM-Team entwickelten GPS- und Bildzusammenfügungstechnologie werden im nächsten Schritt Darstellungen der Start- und Landebahn erstellt. Das erleichtert das schnelle Auffinden der schadhaften Stellen im Feld. Informationen zu Risslängen und -breiten werden automatisch ermittelt und zur späteren Nutzung gespeichert.
Die Technologie wird seit 2019 mit großem Erfolg eingesetzt
Die Lösung kommt nicht zum ersten Mal bei einem Inspektionsprojekt zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe werden beispielsweise bereits seit 2019 Pfeiler des Storebælt, der drittlängsten Hängebrücke der Welt in Dänemark, inspiziert. Sie verbindet die östlichen und westlichen Teile Dänemarks. Seitdem hat die KI mehr als 20 Brückenpfeiler untersucht und mit einer Genauigkeit von 94 Prozent zwischen Rissen, Abplatzungen, Algen und Rost unterschieden. Das präzise Lokalisieren kleinster Risse von oft weniger als einem Millimeter in einer Oberfläche von der Größe einer Brücke oder einer Runway setzt hochauflösende Bilder voraus, die enorme Datenmengen erzeugen. Für deren Verwaltung, Verarbeitung und Visualisierung hat das Team ein eigenes Tool entwickelt.
Für die Zukunft plant Sund & Bælt, die visuellen Inspektionen mit der Technologie noch weiter auszubauen. Bei so großen zu inspizierenden Flächen ist das Unternehmen stets bestrebt, Probleme schneller und effizienter zu finden. „Je mehr wir Roboter, Drohnen und andere neue Technologien für unsere Inspektionen einsetzen können, desto mehr Sicherheit und Qualität können wir bei den Inspektionen erreichen“, sagt Bjarne Jørgensen, Executive Director of Asset Management and Operations bei der Sund & Bælt Holding A/S.
Auch Runways wurden bereits inspiziert
Auch am Frankfurter Flughafen konnte die KI ihr Potenzial bereits unter Beweis stellen. Ziel des Projekts, das in Zusammenarbeit mit der Fraport AG umgesetzt wurde, war es, Anomalien und Fremdkörper wie Dosen, Flaschen, Abfall oder kleine Metallstücke auf Landebahnen zu identifizieren. Denn Fremdkörper auf Flugfeldern können ein enormes Risiko für Flugzeuge, Rollfeldfahrzeuge und ihre Insassen darstellen. Dazu wurden dieselben Visualisierungs- und Bildzusammenfügungsfunktionen verwendet, die der im aktuellen Projekt in Dübendorf eingesetzten Backend-Technologie zugrunde liegen.
In Zürich kommt eine neue Art von Basismodell – ein sogenanntes Foundation Model for Visual Inspection – zum Einsatz. Die von IBM entwickelten Foundation-Modelle sind Deep-Learning-Modelle, die erst mit allgemeinen und dann mit domänenspezifischen Daten trainiert werden.
Foundation-Modellen gehört die Zukunft
Das Projekt am Militärflugplatz Dübendorf befasst sich ebenfalls mit der Pisteninspektion, entwickelt die bisherige Technologie aber einen Schritt weiter. Denn Schäden sind bauwerkspezifisch, Risse in einem Brückenpfeiler können sich von denen auf einer Landebahn stark unterscheiden. Für bestmögliche Ergebnisse müssen deshalb annotierte und aufgabenspezifische Daten in die Erstellung neuer Modelle einfließen – ein aufwendiger Trainingsprozess.
Foundation Models for Visual Inspection adressieren dieses Problem, indem sie mit einer großen Menge nicht annotierter, domänenspezifischer Daten vortrainiert werden können, um dann mit einer kleineren Menge aufgabenspezifischer Daten feinabgestimmt zu werden. IBM will mit dem kommenden Projekt zeigen, dass Foundation Models ein präziseres Inspektionsergebnis liefern. Weil das Vortraining keine annotierten Daten erfordert, kann ein Datensatz von über 100.000 – nicht annotierten, aber domänenrelevanten – Bildern verwendet werden.
Fazit
Die weiterentwickelten KI-Modelle lernen zunächst, wie Betonoberflächen im Allgemeinen aussehen und dann, wie eine bestimmte Start- und Landebahn beschaffen ist. Nachdem das Basismodell auf die spezifische Einstellung zum Erkennen von Rissen auf dieser bestimmten Landebahn feinjustiert wurde, kann es gezielt nach Schäden suchen.
Foundation-Modelle versprechen mehr Effizienz als herkömmliche Deep-Learning-Ansätze, die ein vollumfängliches Training mit Kundendaten erfordern. Die Technologie wird weitere Verbesserungen erfahren: Aktuell konzentriert sich das Forschungsteam auf die Verbesserung der Verarbeitungsgeschwindigkeit bei schlechter Bildqualität, denn die Oberflächen können nicht immer bei schönem Wetter inspiziert werden. Auch die Skalierbarkeit der Modelle steht auf der Agenda, um die Technologie effizienter, schneller und kostengünstiger zu machen. So könnte die Technologie schon bald großflächig bei zivilen Inspektionsaufgaben aller Art eingesetzt werden, um Tunnel, Straßenbeläge, Dämme oder ähnliche Bauwerke zu inspizieren und die vorbeugende Wartung zu optimieren.
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