KI-Einsatz im Betrieb INQA entwickelt menschenzentrierte KI
KI wird verdächtigt, Arbeitsplätze, besonders mit niedriger Qualifikation, verschwinden zu lassen und weitere negative Auswirkungen zu haben. Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiierte Initiative „Neue Qualität der Arbeit“ (INQA) testet durch Lern- und Experimentierräume für KI, wie man alle Interessenträger in die KI-Entwicklung und -Implementierung einbeziehen kann.
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Künstliche Intelligenz ist ein Jobkiller! So hieß es in den vergangenen Jahren immer wieder in einschlägigen Publikationen. Bis zur Hälfte der bestehenden Arbeitsplätze, insbesondere mittlerer Qualifikationsstufen, etwa in Büros, könnten durch KI-Einsatz automatisiert werden und in der Folge entfallen.
Doch vielleicht gibt es gar nicht so oft ein Entweder-Oder zwischen Arbeitsplätzen und KI. Denn es setzt sich hierzulande längst eine andere Vorstellung von KI am Arbeitsplatz durch: Die schlauen Algorithmen sollen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unterstützen, entlasten und ihnen bessere Entscheidungen ermöglichen – und nicht die Menschen am Arbeitsplatz ersetzen.
Außerdem sollen KI-Algorithmen fair und unvoreingenommen arbeiten. Sie sollen also zum Beispiel keine gesellschaftlichen Vorurteile weitertransportieren. Dafür müssen insbesondere die Daten, mit denen sie gefüttert werden, neutral sein.
INQA-Projekte entwickeln praktische Beispiele für menschenzentrierten KI-Einsatz im Betrieb
Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits 2018 initiierte Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) wurde inzwischen um elf Lern- und Experimentierräume KI erweitert. „Ihre Ziele sind die Umsetzung und der Transfer von Erkenntnissen und Instrumenten zur Gestaltung der Arbeitswelt im digitalen Wandel und die Entwicklung und Erprobung betrieblicher Gestaltungslösungen, insbesondere für KMU“, erklärt Eva Schubert, Referentin für Digitalisierung und Arbeitswelt im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Sie ist die Ansprechpartnerin für die Projekte.
Unter dem Dach der INQA arbeiten unter anderem Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, die Bundesanstalt für Arbeit, der Zentralverband des Deutschen Handwerks, kommunale Spitzenverbände, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zusammen.
KMU im Mittelpunkt
Das Budget für die Maßnahmen liegt bis zu drei Millionen Euro pro Lern- und Experimentierraum, beträgt also maximal 33 Millionen Euro. Die Projektlaufzeit beträgt drei Jahre. Die meisten Projekte sollen ihre Ergebnisse im Lauf des Jahres 2023 vorlegen.
Der Mittelstand steht im Zentrum der Bemühungen. Schubert: „Gefördert wurden und werden Verwaltungen und Betriebe unterschiedlicher Größe, bevorzugt jedoch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Beschäftigten.“
Darüber hinaus bekommen Projekte eine Förderung, bei denen die Beschäftigten und ihre Vertreterinnen und Vertreter im Sinne eines sozialpartnerschaftlichen Co-Managements mit Beginn der Planungsphase an den Projekten beteiligt sind. Was das im Detail bedeutet, zeigt der unten folgende Projektüberblick.
Technikfolgenabschätzung, Bildung und Weiterbildung
Digital-Mentoren will das Projekt en[AI]ble speziell in kleine und mittlere Unternehmen entsenden. Sie sollen dort die KI-Wissenslücke schließen und ihnen helfen, sinnvolle Einsatzformen und Anwendungen zu entwickeln. Das INQA-Projekt erarbeitet ein Qualifikationsmodell für die Beratenden sowie ein Konzept und Modell für ihren Einsatz. Das Beratungspersonal soll aus Verbänden der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite kommen. Geführt wird das Projekt vom ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. in Düsseldorf.
humAIn work.lab analysiert Veränderungen in Arbeitsprozessen und überlegt, wie KI die Arbeit besser gestalten kann. Im Mittelpunkt der Technikfolgenabschätzung sollen die Menschen und ihre Interessen stehen. Das Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. in München trägt das Projekt, mit dabei sind die IBM, die Deutsche Telekom und der Naturkosmetik-Hersteller Micaraa GmbH.
Das Projekt Kom-KI soll digitale E-Learning-Angebote, sogenannte Qualifizierungsbausteine, speziell für KMU entwickeln und über bestehende Strukturen wie die Offensive Mittelstand oder die Kammern verfügbar machen. Geplant sind zielgruppenangepasste Formate, im Handwerk etwa eines für Betriebe und Beschäftigte, in dem betriebliche Aufgaben im Austausch mit anderen Betrieben gelöst werden und eines für Beschäftigte, die anschließend Multiplikatoren werden. Beteiligt sind diverse Organisationen für betriebliche Aus- und Fortbildung. Die Projektleitung liegt bei der FAW gGmbH in Lübeck.
Schnittstellendesign, Diskriminierungsfreiheit, Partizipation bei Entwicklung und Einführung
Aixperimentationlab will Servicemitarbeiterinnen und Servicemitarbeiter und den Kundendienst durch eine aus Mitarbeitersicht optimale Mensch-KI-Schnittstelle intelligent unterstützen. Vor allem sollen sie in kurzfristigen Entscheidungssituationen entlastet werden. Mit dabei sind außer der RWTH Aachen die Gewerkschaft Ver.di, Heim & Haus Bauelemente Produktionsgesellschaft mbH, Aumüller Aumatic GmbH und aixtema GmbH.
KIDD (Künstliche Intelligenz im Dienst der Diversität) will Prozesse entwickeln, die verhindern, dass KI-Algorithmen Vorurteile und gesellschaftliche Ausschlüsse reproduzieren. In Kooperation mit dem Medizintechnik-Spezialist Heraeus Medical GmbH, dem IT-Dienstleister msg systems AG, der Chemistree GmbH, einem Unternehmen aus der Personalwirtschaft, der Business- und IT-Beratung Q_Perior AG und dem Gebäudereinigungsspezialist epsum GmbH entstehen mehrere sogenannte Praxisräume. Ergebnis sollen Qualitätskriterien und ein Prozess für die Qualitätssicherung von KI-Algorithmen sein. Das Projekt führt die nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung GmbH in Berlin.
Im KI_Café sollen dialogorientierte Wege der KI-Einführung entstehen. Mit zwei Partnern aus dem produzierenden Gewerbe, der Verpackungsmaschinenhersteller Focke GmbH und die Stubbe - Dreh-, Fräs- und Feinwerktechnik GmbH, sollen auf diesem Weg KI-Systeme partizipativ entwickelt und eingeführt werden. Ansprechpartner ist die TU Bremen.
Branchenspezifische Projekte
Mit den rund 1,5 Millionen Menschen in Fahrberufen befasst sich KARAT (Künstliche Intelligenz für gesunde Arbeit in Fahrberufen: Arbeitsbelastung und Sicherheit in Verkehr und Transport). Das Projekt will Fahrerinnen und Fahrer mittels KI bei ihrer stressigen Tätigkeit besser unterstützen, um Überlastungen zu verhindern. Einfließen sollen in die Algorithmen individuelle Daten, physiologische Reaktionen und Fahrtdaten sowie öffentlich verfügbare Daten wie Wetter, Veranstaltungsdaten und Verkehrslagen. Beteiligt sind Organisationen, die viel fahrendes Personal beschäftigen. Ansprechpartner ist die FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Essen.
Um hochiterative Entwicklung geht es beim Projekt KI-lias (KI für lernförderliche industrielle Assistenzsysteme). Es soll zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Maschinenbauindustrie beitragen. Hier sind Beschäftigte die Kunden, für die ein KI-Algorithmus entwickelt wird. Sie werden beim Finden konkreter Einsatzgebiete, bei Entwicklung, Auswahl und Einführung der geplanten KI-Assistenzsysteme für Fertigungsplanung, -steuerung und -umsetzung einbezogen. Angehört werden insbesondere Beschäftigte, die Maschinen bedienen, für die Logistik zuständig sind oder in der Qualitätsprüfung arbeiten. Die RWTH Aachen führt das Projekt durch. Weiter sind beteiligt Miele, die Beiersdorf AG, Mauser + Co. GmbH (Blechbearbeitung), Scherzinger Pumpen GmbH & Co.KG, der Mittelspannungsspezialist Dipl. Ing H. Horstmann GmbH, die Unternehmensberatung d-ialogo, Peers Solutions GmbH (erstellt digitale Trainingsressourcen) und die WBA Aachener Werkzeugbau Akademie GmbH.
Bei MeKIDI geht es um Energieversorger und ihre Belegschaften. Mit KI digitalisierte Prozesse sollen hier transparent, fair und autonom gestaltet werden. Sie sollen besonders einfache Arbeit unterstützen, ohne Mitarbeiter die weitere Kompetenzentwicklung oder die Wertschätzung zu verwehren. Gearbeitet wird in drei Experimentierräumen. Es entstehen eine soziotechnische Einführungsmethode und übertragbare Gestaltungsprinzipien für menschengerechte KI-basierte Prozesse. Die Projektleitung hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), mit dabei sind hsag Heidelberger Services AG, Soluvia Energy Services GmbH, Stadtwerke Bretten GmbH und World of VR GmbH.
Dem Bereich Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung widmet sich schließlich das Projekt SmaLeTax. In diesem Bereich werden hohe Automatisierungspotenziale durch KI und damit erhebliche Arbeitsplatzverluste befürchtet, wenn es nicht gelingt, mehr Mitarbeiter für wissensintensive Tätigkeiten weiterzubilden. Im Projekt soll eine intelligente Lernplattform entstehen, die den Mitarbeitenden an mittelständischen Steuerberatungsgesellschaften entsprechendes Wissen vermittelt und selbst lernfähig ist. Das Projekt liegt beim Steuerberaterverband im Land Bremen e. V.
DiCO zielt auf den heiklen und personalknappen Bereich der Pflege. Dr. Vanessa Kubek, Vorstandsmitglied beim Institut für Technologie und Arbeit (ITA) in Kaiserslautern und Ansprechpartnerin für DiCO: „Ausgangspunkt sind die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen.“ Beteiligt sind das Zentrum für Telemedizin Bad Heilbronn, diverse Alten- und Pflegeeinrichtungen und -verbände sowie Zana Technologies GmbH, ein Start-up für KI-Gesundheits-Apps und die auf Experience-Design fokussierte Ergosign GmbH.
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