Community statt isolierte Kern-Entwicklungsteams Enterprise Search auf der „Last-Mile“ dezentral verfeinern

Von Frank Zscheile* |

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Um eine weltweite Entwicklergemeinschaft zu fördern und seine Such-Plattform transparenter und zugänglicher zu machen, hat der Hersteller Sinequa wichtige Komponenten als Open Source zur Verfügung gestellt.

Die Sinequa-Plattform im Überblick
Die Sinequa-Plattform im Überblick
(Bild: Sinequa)

Seit einiger Zeit können externe Entwicklungsteams den Quellcode bestimmter als Open Source bereitgestellter Komponenten von Sinequa vollständig modifizieren und an ihre spezifischen Bedürfnisse anpassen. Indem neue Ideen, Fehlerbehebungen von einer ganzen Community statt von einem (isolierten) Kernteam kommen, soll die Suchplattform gleichzeitig robuster und innovativer werden.

Enterprise Search ist eine äußerst „anlehnungsbedürftige“ Technologie. Anders als ein Plug-in-CRM-System, das immer dieselben Informationen liefert, integriert sich eine Search Engine in alle verfügbaren Repositories mit strukturierten wie unstrukturierten Inhalten, ob im Unternehmensnetzwerk, Intranet oder im Web. Aus den Big-Data-Mengen muss sie relevante Inhalte extrahieren, kanalisieren und so aufbereiten, dass sie den Usern größtmöglichen Nutzen bringen. Enterprise Search ist deshalb eine extrem kundenbezogene Technologie, die sich individuell auf die Belange unterschiedlichster User(gruppen) hin anpassen lassen muss. Diese „Last-Mile“ seiner Technologie hat Sinequa für die Open Source Community geöffnet. So müssen Kunden nicht lange auf Produktentwicklungen warten oder Third-Party-Integratoren mit Anpassungen beschäftigen, sondern sie können über Anpassungen am Front End die Search Engine schnell auf ihre Belange hin zuschneiden.

Im Mittelpunkt der Open-Source-Initiative von Sinequa stehen die sogenannten Search Based Applications (SBA) – kleine Anwendungen zur dezidierten Informationsbeschaffung für einzelne Nutzer(gruppen). Sie werden auf Basis eines semantisch angereicherten Index geschaffen, der durch die kombinierte Analyse strukturierter und unstrukturierter (Text-)Daten entsteht, einschließlich linguistischer und semantischer Analyse.

Suchnavigation und Filterkriterien anpassen

Das SBA Framework gibt es seit Version 11 der Software (2020). In einem der letzten Releases wurde zudem das User Interface Framework mittels Angular neu aufgesetzt. Das TypeScript-basierte Front-End-Webapplikationsframework Angular 2+ eignet sich gut, um damit Such-Komponenten zu kombinieren. Zum Beispiel die Erscheinungsweise der Search Bar und die Suchnavigation auf einer Webseite anzupassen, Suchergebnisse voranzeigen zu lassen, Filter in der Suchmaske einzustellen, Spellchecker einzubauen etc.

Die Open-Source-Entwickler, die am Produkt Sinequa mitarbeiten, kommen von Systemintegratoren und anderen Mitgliedern der Enterprise Search Community, darunter große und weltweit tätige Unternehmen wie Atos. Aber auch Kunden können eigene SBAs entwickeln. AstraZeneca etwa hat hier eine außergewöhnliche Agilität an den Tag gelegt. Bereits wenige Monate nach Einführung der Plattform konnten die Mitglieder der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bereits auf ein Dutzend Applikationen zugreifen, die ihnen relevante Informationen aus ihren Forschungsgebieten boten, von der Suche nach internen und externen Experten zu bestimmten Themen bis zu einem Informationsservice zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Der Anteil an auf Open-Source-Basis entstehenden Komponenten an allen Search Based Applications wächst stetig. Als Kommunikationsmittel untereinander nutzen die Open Source Entwickler*innen den Sinequa Overflow Kanal (vergleichbar mit Stack Overflow).

Customization im Frontend

Tunlichst hat Sinequa dabei den Fehler vermieden, seine komplette Software-Plattform auf Open-Source-Basis verfügbar zu machen. Den Weg des Mitbewerbers Elastic (früher: Elasticsearch) wollte man nämlich nicht gehen: Der Hersteller hatte im Januar 2021 einen Lizenzwechsel auf die Server Side Public License angekündigt, nachdem Amazon Web Services den Open-Source-Ansatz jahrelang für seine eigenen Zwecke genutzt hatte. Dies war quasi das Aus des Open-Source-Modell bei Elastic. Die Sinequa-Plattform hingegen wurde und wird weiterhin als klassisch zu lizensierende B2B-Software entwickelt. Lediglich die Endpunkte – eben die SBAs – sind offengelegt, da der Grad an Customization vor allem im Frontend verbessert wird. Nur so kann Softwareentwicklung – ob im Bereich Enterprise Search oder anderswo – ein profitables Geschäft bleiben.

Pandemie befördert Gedanken der Online-Sozialisierung

Die Zeiten stehen gut für den Gedanken einer freien, verteilten Entwicklung: Von der Ferne gemeinsam an einer Software zu arbeiten, kennt die Open-Source-Gemeinde schon seit vielen Jahren. Jetzt, wo verteiltes Arbeiten Pandemie-bedingt seit über einem Jahr Realität für viele ist, haben das Interesse an den Möglichkeiten einer offenen Entwicklung und die Akzeptanz dafür noch einmal deutlich zugenommen. Jeder kann inzwischen nachvollziehen, was Online-Sozialisierung bedeutet und zu welch guten Arbeitsergebnissen sie führen kann. Immer mehr Menschen melden sich in Foren an oder suchen nach Communities rund um ihre Interessen. Für die Open-Source-Tüftler führt dies zu einem Anstieg des Traffics, einer größeren Sichtbarkeit ihrer Projekte, mehr Beiträgen, Anmeldungen und Tutorials. Die Größe der Open-Source-Gemeinschaft hat sich dadurch vergrößert und folglich auch die Beteiligung und Entwicklung an Open-Source-Tools.

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„Linux ist ein Krebsgeschwür“ lautete früher ein geflügeltes Wort im Microsoft-Umfeld. Diese Zeiten sind längst vorbei. Selbst die Redmonder schwenken seit einiger Zeit klar auf Open Source um – ein Zeugnis sowohl für ihre Agilität als Unternehmen als auch für die Stärke der Open-Source-Bewegung im Allgemeinen.

* Frank Zscheile ist IT-Journalist in München

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