Industrie 4.0 und Internet of Things Digitale Revolution frisst ihre Kinder

Autor Alexander Lehner |

Die Experton Group stellt eine mangelnde Umsetzung in Bezug auf die großen Themen der digitalen Wende in der Industrie fest. Alte Strategien werden lediglich angepasst, anstatt sie durch zeitgemäße Konzepte zu ersetzen.

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(Bild: Pixabay)

Laut Experton hat die digitale Evolution noch nicht ihr ganzes Potenzial in den Unternehmen entfaltet. Die Themen Industrie 4.0 (I4.0) und Internet of Things werden momentan lediglich von konkreten Anwendungsfällen heraus behandelt, anstatt sich an die digital geprägte Lebenswelt des Kunden anzupassen und die Unternehmensstrategie danach auszurichten. Die Experton Group sagt hier einen Wandel voraus, von konkretem Bottom-Up-Denken hin zum strategischen Top-Down. Dieser Trend liegt darin begründet, dass noch das Optimieren von bestehenden Strukturen im Vordergrund steht. Jedoch erreicht man den größtmöglichen Wettbewerbsvorteil nur durch die Umsetzung von digitalen Initiativen in einem strategischen Top-Down-Ansatz. Der Wettbewerbsdruck digitaler Player, besonders des Sillicon Valleys, soll hier für das nötige Umdenken sorgen. Zur Veranschaulichung benutzt Experton das Beispiel der Zahnbürste.

Anwendungsbeispiel Zahnbürste

Industrieunternehmen haben für gewöhnlich eine herkömmliche Wertschöpfungskette aus Entwicklung, Produktion, Verkauf und Verwendung. Wenn jetzt durch I4.0 und IoT die Zahnbürstenproduktion optimiert werden soll, so wird die Effizienz des bestehenden durch Vernetzung und Automatisierung verbessert. Zusätzlich wird noch die Zahnbürste vernetzt, um Daten über das Nutzungsverhalten zu sammeln. Diese werden dann für Forschung und Entwicklung verwendet. Die Ergebnisse sind voraussichtlich ein geringer Effizienzgewinn in der Produktion sowie eine neue Zahnbürste basierend auf den erfassten Kundennutzungsdaten.

Dem steht das Potenzial einer Top-Down-Herangehensweise gegenüber, die hier als Massenindividualisierung verwirklicht wird. Zahnbürsten werden nur noch in Einzelauflagen mit einstellbaren Elementen in einer individuellen und automatisierten Massenfertigung hergestellt. Dies erfordert eine Fokussierung auf I4.0, da Kunden sicher nur einen geringfügig höheren Gesamtpreis für eine individuelle Zahnbürste akzeptieren werden. Die Vernetzung der Zahnbürsten ist dagegen nicht unbedingt notwendig. Auch Marketing und Verkauf müssen sich der neuen Strategie anpassen. Der Abverkauf verlagert sich vom Einzelhandel zwingend ins Internet. Insgesamt sieht Experton den Verkauf zum geringfügig höheren Preis über das Internet als dem klassischen Industriemodell deutlich überlegen.

Möglichkeiten der digitalen Evolution

Durch innovative Strategien sei es sogar möglich ganze Märkte von Grund auf zu ändern. Im Beispiel der Zahnbürsten sollen diese nicht mehr an den Endkunden, sondern an Krankenkassen verkauft werden. Die Kassen geben vernetzte Zahnbürsten dann gratis an ihre Mitglieder aus und messen dafür das Zahnputzverhalten ihrer Kassenpatienten. Durch die Kontrolle soll hier ein positiver Effekt beim Putzverhalten festzustellen sein. Die Kassenbeiträge zur Zahnversicherung könnten dann direkt an die Daten angepasst werden. Durch den Ankauf von Zahnbürsten hat die Krankenkasse zwar Mehrkosten für die Vorsorge, könne aber dafür bei der Behandlung einsparen. Damit würde der Markt für Zahnbürsten in einem größeren Markt für Zahnheilbehandlung und -vorsorge aufgehen. Bei diesem Geschäftsmodell rückt das Thema IoT dann stark in den Vordergrund, da die Vernetzung von Zahnbürsten notwendig ist. Dagegen ist I4.0 in diesem Kontext eher unwichtig.

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