Kommentar von Andreas Dangl, Fabasoft Diese Vorteile hat ein Digital Twin für Organisationen
Das von der Gartner Group 2018 vorgestellte Konzept eines Digital Twin für Organisationen (DTO) verspricht eine optimale und umfassende Planung aller Prozesse im Unternehmen. Software-Lösungen, die aus der Cloud bezogen werden, liefern schon heute wichtige Bausteine für die Verwirklichung dieser Vision.
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Ein Digital Twin ist per Definition „das elektronisch vorliegende Abbild eines realen oder virtuellen Objekts, etwa eines Produkts oder einer logischen Organisation“ (Quelle: Wikipedia). Es ist unerheblich, ob das Gegenstück in der realen Welt bereits existiert oder zukünftig erst existieren wird.
Digitale Zwillinge ermöglichen einen übergreifenden Datenaustausch, sodass jede Änderung, die die Sensoren registrieren und senden, widergespiegelt wird – sprich jede Änderung des Produkts oder der Organisation wird interaktiv im Digital Twin reflektiert. Das bedeutet, dass fortan die Datenerfassung aus den Tests und der Erprobung eines Produktes direkt in die Simulationen und Auswertungen Eingang findet.
Bei einer Organisation betrifft dies die Prozesse, die intern ablaufen oder mit Zulieferern verknüpft sind. „Digitale Zwillinge“ sind indes mehr als reine Daten, sondern können auch Modelle, Simulationen und Algorithmen enthalten, die ihr Gegenstück aus der realen Welt und dessen Eigenschaften und Verhalten beschreiben.
Beispielsweise wurden in einem Industrieunternehmen für den Kunden wichtige „Eigenschaften“ einer physischen Druckgussform in digitaler Weise abgebildet, ebenso wie sämtliche mit dem Lebenszyklus der Druckgussform in Verbindung stehenden Geschäftsprozesse – von der Spezifikation, Ausschreibung, Abnahme der Druckgussform, über deren Verwendung zur Produktion von Losen, bis zur Verschrottung bzw. Entsorgung. Ein großes Augenmerk liegt bei der Schaffung des „Digitalen Zwillings“ darauf, Daten zu den Werkzeugen, die beispielsweise in den Druckgussmaschinen eingesetzt werden, komplett zu digitalisieren, aus mehreren Quellen zusammenzuführen und unterschiedlichen Abteilungen als Know-how zur Verfügung zu stellen. Dabei sollen Informationen sowohl von verschiedenen Standorten, wo ein entsprechendes Werkzeug im Einsatz ist, als auch vom Lieferanten erfasst werden.
Digital Twin einer Organisation
Was bei Industrieunternehmen an realen Werkstücken und Druckgussmaschinen digitalisiert werden kann, erzeugt den Digital Twin. Doch wie in der erwähnten Definition berücksichtigt, kann auch eine Organisation als Digital Twin erfasst, repräsentiert und analysiert werden.
Der Begriff ist Teil der Gartner-Strategie des ContinuousNEXT, das den Begriff „Digitale Transformation“ erweitern und ablösen soll. Wie Helen Huntley, Analytikerin bei der Gartner Group, im Oktober 2018 sagte „entwickeln sich Digital Twins weiter und werden robuster“. Unternehmen könnten einen digitalen Zwilling ihrer Organisation anlegen, einen DTO (Digital Twin of Organization). Mit dessen Hilfe könnten IT-Leiter virtuell sehen, wie Mitarbeiter ihre Tätigkeiten verrichten und Workflows abteilungsübergreifend ablaufen.
Diese Vogelperspektive erzeugt nach Angaben Helen Huntleys eine kontinuierliche Aufklärung dessen, was in Echtzeit wirklich geschieht. Anhand dieses Modells könnten CIOs verschiedene Szenarien wie etwa neue Geschäftsmodelle durchspielen, eines auswählen und anschließend in der Realität umsetzen. Der DTO erlaubt es, verschiedene Entscheidungsszenarien zu simulieren und ihre Folgen zu bewerten.
Das DTO-Modell sei so detailliert, dass damit komplette Entscheidungs-, Arbeits- und Veränderungsprozesse eines Unternehmens durchgespielt werden können – egal ob real oder fiktiv. So können potentielle Fehler vorab erkannt werden, bevor sie in der Realität Schaden verursachen. Und das ist für die Aspekte der Produkt- und Servicequalität von höchster Bedeutung.
Die Umsetzung
Leistungsfähige cloudbasierte Digitalisierungsplattformen erlauben es Unternehmen, in kurzer Zeit und auf einfache Weise ihre Strukturen und -prozesse aus der realen Welt digital abzubilden. Am Anfang der Umsetzung steht die Erkenntnis, dass eine allumfassende Einsicht in ein Unternehmen sämtliche Bereiche der Organisation beinhalten muss. Diese ist nur durch die Digitalisierung erzielbar. Die größte Hürde dorthin bildet der erste Schritt: Die Erfassung der eigenen Organisation und ihrer Partner, die in Ablaufketten von Wertschöpfung und Kommunikation eingebunden sind. Die genannten Abteilungen müssen die entsprechenden Daten liefern. Wenn sie das nicht rechtzeitig schaffen, werden die zur Prozessmodellierung benötigten Organisationsstrukturen automatisch erfasst.
Ausgangspunkt jeder Prozessmodellierung ist die Erstellung der Aufbauorganisation, die aus Abteilungen und Rollen sowie Business Units einer Organisation bestehen kann. Entweder legt der Administrator in der gewählten Lösung diese Entitäten und ihre Funktionen (Freigabe, Weitergabe usw.) fest oder die Informationen werden über eine Schnittstelle aus einem ERP-System importiert. Auf diesem Weg wird auch gleich ein stimmiges und umfassendes Datenmodell geliefert.
Die Aufbauorganisation wird anschließend in eine Cloud-Lösung importiert, die die gesamte Organisation abbildet und verwaltet. Auf diese Weise können beispielsweise Freigaben nicht nur von bestimmten Personen eingeholt werden, sondern über flexibel gestaltbare Rollen geregelt werden. Damit müssen die Prozesse nicht jedes Mal angepasst werden, wenn sich die Aufbauorganisation ändert. Das DTO-Modell wächst mit und spiegelt die Realität getreu wider.
Um eine individuelle Anpassung eines Prozesses bzw. der DTO zu erzielen, braucht ein Unternehmen eine Lösung, die über einen Formulareditor verfügt, um damit Prozesse zu modellieren und anschließend, sobald die digitalisierten Prozesse einmal laufen, einfach über Dashboards und entsprechend seiner Berechtigungen zu sehen, wo diese mit ihren jeweiligen Kennzahlen stehen, wie rasch sie laufen, wo Abweichungen auftreten usw.
Digital Product Management
Ein zweiter wesentlicher Baustein auf dem Weg zum DTO ist die Nutzung des digitalen Produktmanagements. Es hat den Vorteil, nicht nur die o. a. automatisch erstellte und ggf. angepasste Aufbauorganisation zu enthalten, sondern auch die produktbezogenen Prozesse und Kommunikationswege abzubilden. Diese Produkte können auch aus digitalen Services bestehen und die ganze Welt mit verschiedenen Geschäftspartnern umspannen.
Ein solches Produktionssystem ist häufig an das bestehende ERP-System angebunden oder die Daten kommen aus dem Fertigungssystem (MES, Machine Execution System) und werden in der zentralen Verwaltung aller Werkzeugmaschinen gesammelt (s. o.). Werden die Daten aus dem ERP- oder MES-System in die Cloud-Lösung transferiert, ist keine zentrale IT nötig. Das verkürzt die Entwicklungsdauer für das neue DTO-System.
Nun stehen dem Unternehmen einheitliche, hochwertige und strukturierte Daten zur Verfügung, auf die rasch und einfach zugegriffen werden kann, beispielsweise in einem Report oder einem Dashboard für Business Intelligence. Die Daten können für die Planung der nächsten DTO-Projekte oder für Digital-Twin-Produkte genutzt werden.
Vorteile
Ein DTO bietet eine Reihe von Vorteilen. Er gewährt befugten Nutzern transparenten Einblick in eine Organisation und erlaubt somit die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit von Geschäftsabläufen und Workflows. In dieser Position kann der Nutzer jederzeit für klar strukturierte Prozesse sorgen, etwa indem er auf BPMN-Editoren zurückgreift. Der DTO erlaubt es, verschiedene Entscheidungsszenarien zu simulieren und ihre Folgen zu bewerten.
Solche DTO-Prozesse sind nicht nur rechtskonform, sondern sind in der Regel optimiert und erlauben aufgrund dessen schnellere Durchlaufzeiten, sei es in der Entwicklung oder in der Produktion. Nicht nur die Kommunikation erfolgt ausschließlich innerhalb der geschützten Cloud-Anwendung, sondern auch die komplette Dokumentenverwaltung im Archiv. Das bedeutet, dass jedes Dokument, jede Tabelle und jedes Bild verschlüsselt und für Befugte leicht auffindbar im System abgelegt, versioniert, verwaltet und verarbeitet wird.
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