Kommentar von Alex Ciorapciu, RichRelevance Der Meta-Algorithmus – einer für Alle

Autor / Redakteur: Alex Ciorapciu / Nico Litzel

Während die digitale Transformation die Geschäftswelt auf den Kopf stellt und scheinbar im Sekundentakt technologische Neuerungen über uns hereinbrechen, fragen sich viele Unternehmen besorgt, was als nächstes kommt. Laut Analystenhaus Gartner ist es ein alter Bekannter, der für viel Trubel und noch mehr Gewinnaussichten verantwortlich sein wird: der Algorithmus. Nach der Phase des digitalen Business ist es, so Gartner, das „algorithmische Geschäft“, das über die Zukunft von Unternehmen entscheiden wird.

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Der Autor: Alex Ciorapciu ist Director Global Solution Engineering & Partnerships bei RichRelevance
Der Autor: Alex Ciorapciu ist Director Global Solution Engineering & Partnerships bei RichRelevance
(Bild: RichRelevance)

Während es im digitalen Business darum ging, möglichst viele Daten aus verschiedenen Quellen zusammenzutragen und diese auszuwerten, geht es beim algorithmischen Geschäft darum, wer diese Auswertung übernimmt – nämlich der Algorithmus.

Man könnte jetzt einwenden, dass dies doch eigentlich ein alter Hut sei, da Algorithmen bereits seit Jahren im Finanzsektor (automatisierter Aktienhandel), in der Industrie (Produktionsleitsysteme) und natürlich im eCommerce (z. B. für Produktempfehlungen) zum Einsatz kommen. Gängige Algorithmen stehen jedem auf GitHub zum Download bereit. Und längst bedarf es keiner spezifischen Programmierkenntnisse mehr, da Algorithmen sich auch mit einer einfach zu bedienenden Programmiersprache wie Python erstellen lassen. Doch im Unterschied zum algorithmischen Geschäft gibt es beim heute gängigen Einsatz der Algorithmen aber immer noch ein „händisches Element“.

So nutzen die meisten Unternehmen noch manuelle Regeln, um zu entscheiden, welcher Algorithmus wann und wo zum Einsatz kommt und die Wirksamkeit des Algorithmus wird dann oft mittels A/B-Tests überprüft und entsprechend angepasst.

Beispiel für manuelle Regeln

Ein typisches Beispiel für manuelle Regeln ist die Einteilung in sogenannte „Buyer-Personas“, fiktive Personen, die die typischen Kunden repräsentieren sollen. Die Entscheidung, welche Algorithmen für welche Persona zum Einsatz kommen, wird oft vom Marketing Team getroffen. Als Ergebnis werden Kunden, die dieser Persona zugeordnet werden, dann nur bestimmte auf sie zugeschnittene Produkte oder Inhalte gezeigt.

Da ein potenzieller Käufer in Wirklichkeit aber über viele verschiedene Attribute verfügt, greifen diese manuellen Bestimmungen für die Verwendung von Algorithmen oft zu kurz. Wird zum Beispiel die Buyer-Persona von Extremsportartikeln nach demografischen Attributen wie Altersgruppen festgelegt, kann es schnell passieren, dass älteren Kunden diese Artikel nicht angezeigt werden, obwohl sie potenzielle Käufer wären.

Kein manuelles Schrauben

Im Zeitalter des algorithmischen Geschäfts wird nun dieses manuelle Element ebenfalls abgeschafft und durch einen übergeordneten Meta-Algorithmus ersetzt, sodass der gesamte Application-Layer komplett auf Algorithmen basiert.

In diesem Szenario nutzen Unternehmen einen Pool an eigen- oder fremd entwickelten Algorithmen, deren Einsatz von dem Meta-Algorithmus gesteuert wird. Ein internetbasiertes Unternehmen, das vor dem Problem steht, welche Inhalte es welchen Nutzern prominent anzeigen soll oder welche Produktempfehlungen es geben soll, lässt den Meta-Algorithmus aus den Kontextinformationen heraus entscheiden, welche Algorithmen am Besten dafür geeignet sind (z. B. „zuletzt angesehen Artikel“, „wird oft zusammen gekauft“, „Kunden, die diesen Artikel angesehen haben kauften auch“, „ähnliche Artikel“, etc.).

Bei den Kontextinformationen kann es sich um sehr spezifische und umfangreiche (Online- wie Offline-) Kundendaten handeln, die ein eingeloggter Kunde auf der Seite hinterlassen hat, aber auch um anonyme Informationen, wie etwa das Nutzungsverhalten eines unbekannten Surfers auf einer Webseite, z. B. welche Produkte hat sich der Nutzer angeschaut (es gibt Deep-Learning-Algorithmen, die visuelle Ähnlichkeiten in verschiedenen Produkten erkennen), wie ist er auf die Seite gelangt (z. B. über eine spezifische Suche oder über eine Kampagne) oder was hat er auf der Seite gesucht. Es gibt eine eCommerce-Weisheit, nach der das Nutzungsverhalten der letzten zwei Minuten aussagekräftiger sein kann, als eine History der vergangenen zwei Jahre.

Ziel ist Mehrwert

Aus diesen Kontextinformationen heraus entscheidet der Meta-Algorithmus nun, welche Algorithmen eingesetzt werden. Seine Kriterien für die Entscheidung basieren zum einen auf seiner Erfahrung, aber auch darauf, welcher Algorithmus oder Mix an Algorithmen in einer ähnlichen Situation in der Vergangenheit den meisten Mehrwert erzielt hat. Dabei gilt wie überall, wo künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt: Je mehr Daten dem Meta-Algorithmus zur Verfügung stehen und je länger das Modell trainiert wurde, desto besser und genauer wird das Ergebnis.

Anstelle von A/B-Tests, bei denen die Wirksamkeit von beispielsweise Webseiten ja nur aufgrund von bestimmten vom Menschen festgelegte Varianten getestet wird, überprüft der Meta-Algorithmus die Wirksamkeit der von ihm eingesetzten Algorithmen kontinuierlich und aktualisiert die Modelle regelmäßig. Dadurch ist er viel flexibler und kann auch auf Micro-Trends (z. B. verfrühter Frühlingseinbruch, Tod eines bekannten Musikers, Grippewelle) viel schneller reagieren, als dies mit manuellen Regeln möglich wäre.

Wenn es allerdings um Compliances geht, kommt auch das Algorithmische Geschäft nicht ganz ohne manuelle Filter aus. Stichwort Altersbeschränkung: Wer sich Inhalte oder Produkte für Kinder anschaut, dem sollten nicht Empfehlungen für alkoholische Getränke gezeigt werden. Diese händischen Eingriffe beschränken sich allerdings auf ein Minimum. Ansonsten gilt für den Übergang vom digital zum algorithmischen Business möglichst den gesamten Application-Layer auf Algorithmen aufzubauen, einen großen Pool an Algorithmen zu kreieren und dann, frei nach dem Motto „Einer für Alle“ den Meta-Algorithmus die Auswahl und Evaluierung der einzusetzenden Algorithmen zu überlassen.

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