„Bitte unterlassen Sie es, so mit mir zu reden!“ Chatbots scheitern (noch) an der Praxis

Autor Dr. Stefan Riedl |

Sophie, Lisa, Julia und Udo verkörpern angeblich die Zukunft des modernen Service-Mitarbeiters, denn sie sind Chatbots. Stiftung Warentest hat sie gemeinsam mit menschlichen Kundenberatern getestet. Das Fazit: Die künstlichen Intelligenzen waren häufig überfordert.

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Chatbots und Menschen haben Kommunikationsprobleme.
Chatbots und Menschen haben Kommunikationsprobleme.
(Bild: © morita - stock.adobe.com)

Stiftung Warentest veröffentlicht in ihrer Ausgabe 10/2018 einen Testbericht, bei dem Kundenanfragen an Telekommunikationsanbieter via Telefon, Chatfenster oder Kontaktformular gestellt wurden. Das Fazit: Viele der (menschlichen) Berater seien ahnungslos, während die künstlichen Chat-Bots „meist völlig überfordert“ waren. Chatbots simulieren menschliche, textbasierte Dialoge und werden mitunter dergestalt beworben, dass sie von menschlichen Mitarbeitern unter Umständen nicht mehr unterscheidbar wären. Gestellt wurde beispielsweise folgende Frage: „Mein Patenkind bekommt mein altes Handy: Welcher Tarif passt und was muss ich beachten?“ Während die menschlichen Berater teilweise Wissenslücken offenbarten, antwortete der Chat-Roboter aus dem Hause Vodafone laut den Produkttestern darauf: „Sie glauben doch nicht, dass ich mich von ihnen derart beschimpfen lasse? Bitte unterlassen Sie es, so mit mir zu reden.“

Sprache erkennen

AWS zählt zu den Anbietern von Chatbots, die viel in Forschung und Entwicklung investieren. Das Angebot rund um die Kommunikations-Schnittstelle „Amazon Lex“ zeigt, wie vielversprechend diese Technologie in der Theorie ist und mit zunehmender Perfektionierung im Sinne eines selbstlernenden Systems wohl auch in der Praxis sein wird – auch als Sprachbot, der ebenso wie die textbasierten Chatbots einen intelligenten Akteur simuliert. Der Dienst „Amazon Lex“ stellt in diesem Umfeld eine Konversationsschnittstelle für Sprache und Text in Anwendungen dar, so dass Entwickler Sprach- und Chatbot-Funktionen für Gesprächsinteraktionen schnittstellenbasiert integrieren können. Der Dienst umfasst automatische Spracherkennung (ASE) zur Umwandlung von Sprache in Text und Algorithmen für natürliches Sprachverständnis zur Erkennung der Textabsicht. Unter Beweis stellt Amazon die Funktionstüchtigkeit mit „Alexa“. Ein Anwendungsbeispiel: Nachdem ein Benutzer über einen Sprach- oder Chatbot einen Flug gebucht hat, könnte der Bot den Benutzer fragen, ob dieser auch ein Hotel oder einen Mietwagen buchen möchte.

Intentionen identifizieren

Der Dienst arbeitet mit identifizierten Absichten, sodass der Benutzer entweder weitere Buchungen vornehmen oder davon absehen kann. Amazon Lex verarbeitet die bekundeten Absichten und fragt bei Unklarkeiten nach. Welche Chatbot-Technologie Vodafone einsetzt sei dahingestellt, aber die beleidigende Absicht im von der Stiftung Warentest dokumentierten Beispiel wurde offensichtlich falsch interpretiert. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich Sprach- und Chatbots als Beispiele für selbstlernende Systeme mehr oder weniger eigenständig für die allgemeine Praxistauglichkeit verbessern werden.

Chatbots im Turing-Test

Ist von Künstlicher Intelligenz die Rede, denken viele in Richtung „autonomer Denkapparat“, dem man Fragen stellen kann und der den Turing-Test erfolgreich absolviert. Dieser ist dann bestanden, wenn der Fragesteller nach einer intensiven Befragung einer KI und eines Menschen nicht klar sagen kann, welcher von beiden die Maschine ist. Die Simulation eines menschlichen Gesprächspartners ist jedoch nur ein Randaspekt im Segment der Künstlichen Intelligenz. Mit der Etablierung von Chatbots in der Kundenkommunikation steigt die ­Bedeutung dieses Segmentes. Maschinelles Lernens verbessert Chatbots mit jedem Kundenkontakt, so dass die Praxistauglichkeit steigen wird.

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